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Frage von Carsten L. •

Frage an Edgar Wunder von Carsten L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Wunder,

Während es in Heidelberg nun schon zwei erfolgreiche Bürgerbegehren gegeben hat, ist dieses Mittel direkter Demokratie im Rhein-Neckar-Kreis auf der Kreisebene gar nicht möglich. Wollen Sie das ändern? Falls ja, wie? Falls nein, warum nicht?

Mit freundlichen Grüßen,
Carsten Labudda

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Bürgerbegehren und Bürgerentscheide sind inzwischen in fast allen Bundesländern auch auf der Ebene von Landkreisen zulässig. Nur in Baden-Württemberg und Hessen wird dieses demokratische Mitbestimmungsrecht den Bürgerinnen und Bürgern nach wie vor verweigert. Der Grund: CDU und FDP wollen in diesen beiden Bundesländern nichts von ihrer Macht abgeben und die Menschen weiter unmündig halten, indem sie keine Bürgerentscheide in Landkreises zulassen. Dabei ist es offensichtlich, dass Bürgerbegehren und Bürgerentscheide nicht nur in einzelnen Gemeinden, sondern auch auf der Kreisebene sinnvoll und notwendig sind, denn viele Projekte betreffen ganze Regionen und nicht nur eine Gemeinde. Von "Stuttgart 21" ist z.B. nicht nur die Stadt Stuttgart betroffen, sondern die gesamte Region. Im Rhein-Neckar-Kreis wäre ein solches Bürgerbegehren auf Kreisebene z.B. beim umstrittenen Bau der Kreisverbindungsstraße Weinheim-Laudenbach sinnvoll gewesen.

Konkret ist eine Ergänzung der Landkreisordnung durch den Landtag notwendig, um Bürgerbegehren und -entscheiden in Landkreisen auch in Baden-Württemberg zu ermöglichen. Dazu wird die LINKE nach ihrem Einzug in den Landtag einen Gesetzentwurf einbringen. Wir werden wir uns dabei an einem bereits existierenden Gesetzentwurf orientieren, den 2005 der Verein Mehr Demokratie e.V. erarbeitet hat (siehe weiter unten). Im Unterschied zum damaligen Gesetzentwurf von Mehr Demokratie e.V. wird die LINKE aber auf das unnötige und bürokratische Erfordernis eines (ohnehin unverbindlichen Kostendeckungsvorschlags bereits als Zulassungsvoraussetzung eines Bürgerbegehrens verzichten, ebenso auf das fragwürdige Abstimmungsquorum beim Bürgerentscheid, das bei Wahlen ja auch nicht existiert. Hier der damalige Gesetzentwurf im Original:

Die Landkreisordnung für Baden-Württemberg in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Juni 1987 (GBl. S. 289), zuletzt geändert durch Gesetz zur Änderung kommunalverfassungsrechtlicher Vorschriften vom 28. Juli 2005 (GBl. S. 578) wird wie folgt geändert:

Nach § 17 wird folgender § 17a eingefügt:

§ 17a Bürgerentscheid, Bürgerbegehren
(1) Der Kreistag kann mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen aller Mitglieder beschließen, dass eine Angelegenheit des Landkreises, für die der Kreistag zuständig ist, der Entscheidung der wahlberechtigten Kreiseinwohner unterstellt wird (Bürgerentscheid).

(2) Ein Bürgerentscheid findet nicht statt über
1. Weisungsaufgaben und Angelegenheiten, die kraft Gesetzes dem Landrat obliegen,
2. Fragen der inneren Organisation des Landratsamts,
3. die Rechtsverhältnisse der Kreisräte, des Landrats und der Bediensteten des Landkreises,
4. die Haushaltssatzung (einschließlich der Wirtschaftspläne der Eigenbetriebe) und die Kreisumlage,
5. die Feststellung der Jahresrechnung des Landkreises und der Jahresabschlüsse der Eigenbetriebe,
6. Entscheidungen in Rechtsmittelverfahren.

(3) Über eine Angelegenheit des Landkreises, für die der Kreistag zuständig ist, ausgenommen die in Absatz 2 genannten Gegenstände, können die wahlberechtigten Kreiseinwohner einen Bürgerentscheid beantragen (Bürgerbegehren). Das Bürgerbegehren muss schriftlich eingereicht werden und die zur Entscheidung zu bringende Frage sowie eine Begründung und einen Vorschlag zur Deckung der Kosten der verlangten Maßnahme enthalten. Die Kreisverwaltung erteilt sachdienliche Auskünfte und berät auf Wunsch bei der Ausarbeitung des Bürgerbegehrens.

(4) Das Bürgerbegehren muss von mindestens 7 vom Hundert der wahlberechtigten Kreiseinwohner, höchstens jedoch 15.000, unterzeichnet sein. Es soll zwei Vertrauensleute mit Namen und Anschriften benennen; sind keine Vertrauensleute benannt, gelten die beiden ersten Unterzeichner als Vertrauensleute.

(5) Über die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens entscheidet der Kreistag unverzüglich, spätestens innerhalb von sechs Wochen nach Eingang des Antrags. Nach Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens dürfen die Kreisorgane bis zur Durchführung des Bür gerentscheids keine dem Bürgerbegehren entgegenstehende Entscheidung treffen oder vollziehen, es sei denn, zum Zeitpunkt der Einreichung des Bürgerbegehrens haben rechtliche Verpflichtungen hierzu bestanden.

(6) Innerhalb von drei Monaten nach Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens ist der Bürgerentscheid durchzuführen, es sei denn, die Vertrauensleute des Bürgerbegehrens stimmen einer Verschiebung zu. Der Kreistag kann mit Stimmenmehrheit beschließen, dabei den Stimmberechtigten zum Gegenstand des Bürgerbegehrens eine eigene Frage stellung vorzulegen (Alternativvorlage). Bürgerentscheide sollen mit anderen Abstimmungen und Wahlen zusammengelegt werden, sofern es die Fristeinhaltung zulässt. Der Bürgerentscheid entfällt, wenn der Kreistag die Durchführung der mit dem Bürgerbegehren verlangten Maßnahme beschließt. Der Bürgerentscheid entfällt auch, wenn der Kreistag die Durchführung der mit dem Bürgerbegehren verlangten Maßnahme in wesentlichen Teilen beschließt und die Vertrauensleute des Bürgerbegehrens dem zustimmen.

(7) In Veröffentlichungen und Veranstaltungen des Landkreises dürfen die Vertrauensleute eines Bürgerbegehrens ihre Auffassung zum Gegenstand eines Bürgerentscheids mindestens in gleichem Umfange darstellen wie die Kreisorgane. Zur Information der Bür gerinnen und Bürger werden vom Landkreis den Beteiligten die gleichen Möglichkeiten wie bei Kreistagswahlen eröffnet.

(8) Bei einem Bürgerentscheid ist die gestellte Frage in dem Sinne entschieden, wie sie von der Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen beantwortet wurde, sofern diese Mehrheit mindestens 10 v.H. der Stimmberechtigten beträgt. Bei Stimmengleichheit gilt die Frage als mit Nein beantwortet. Ist die nach Satz 1 erforderliche Mehrheit nicht erreicht worden, hat der Kreistag die Angelegenheit zu entscheiden. Sollen an einem Tag mehrere Bürgerentscheide stattfinden, hat der Kreistag eine Stichfrage für den Fall zu beschließen, dass die gleichzeitig zur Abstimmung gestellten Fragen in einer miteinander nicht zu vereinbarenden Weise beantwortet werden (Stichentscheid). Es gilt dann die jenige Entscheidung, für die sich im Stichentscheid die Mehrheit der abgegebenen gülti gen Stimmen ausspricht. Bei Stimmengleichheit im Stichentscheid gilt der Bürgerentscheid, dessen Frage mit der höchsten Stimmenzahl mehrheitlich beantwortet worden ist.

(9) Der Bürgerentscheid hat die Wirkung eines endgültigen Beschlusses des Kreistags. Er kann innerhalb eines Jahres nur durch einen neuen Bürgerentscheid abgeändert werden.

(10) Das Nähere wird durch das Kommunalwahlgesetz geregelt.

Dr. Edgar Wunder