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Edelgard Bulmahn
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Frage von Inga S. •

Frage an Edelgard Bulmahn von Inga S. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Bulmahn,

Mit den aktuellen Plänen einer „Rechtsvereinfachung“ sollen die Hartz-IV-Leistungen zum 60. Mal verändert und verschärft werden. Die vom Verfassungsgericht angemahnten Nachbesserungen (Energiekosten, Elektrogeräte, Regelbedarfe, Brillen) blieben außen vor, auch die angekündigte Entschärfung der Sanktionen scheiterte. Stattdessen erfolgen richtungslose Schlechter- und Besserstellungen mit wenig durchdachten Änderungen wie z.B.
- Statt der Entschärfung bedrohender Sanktionen soll nun auch bestraft werden, wenn Hilfebedürftigkeit nicht verringert wird - eine weitere Sonderstrafe, die es in anderen Sozialleistungen nicht gibt. Fiktive „Was-wäre-wenn-Verläufe" führen in neue Rechtsunsicherheit.
- Wohnkosten sind schon jetzt der strittigste Bereich. Nun sind weitere Hürden mit einer tückischen Obergrenze für die Heizkosten vorgesehen, die zu einer „Rechtsverkomplizierung“ führen.
- Der Ausschluss von Azubis, Schülern und Studenten wurde großteils zurückgenommen - prima. Doch Studierende an Hochschulen in eigener Wohnung bleiben auf dem Weg „ganz nach oben“ ausgeschlossen. Zusätzlich wird für sie die Hilfe bei Mietschulden beseitigt.
- Hilfe in den vielen Notlagen wird für die Nothelfer unnötig erschwert. Überbrückungsdarlehen können nicht mehr abgetreten werden, weil mit der Pfändbarkeit auch die Abtretbarkeit von Alg-II-Leistungen beseitigt wurde.

Eine weitergehende kritische Gesamtkommentierung gibt es in der Bundestagsausschussdrucksache 18(11)484.
Hartz-IV-Bezieher wurden in der Vergangenheit vielfach abgestraft. Dieses Vorhaben verschärft den Rechtsruck von Menschen, die befürchten, mit der Flüchtlingswelle weiter an den Rand gedrückt zu werden. Gefragt ist eine hohe soziale Sensibilität der Politik.
In wie weit teilen Sie diese Bedenken? Was können Sie ggf. tun, um neue Schlechterstellungen oder Verschärfungen für die Betroffenen zu verhindern?

mit freundlichen Grüßen
Inga Schmalz, Mitglied im AK-Linden
Arbeitskreis Arbeitslose Linden

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Schmalz,

vielen Dank für Ihre Anfrage auf diesem Portal.
Das von Ihnen angesprochene 9. Gesetz zur Änderung des SGB II ist insbesondere ein Gesetz zur Rechtsvereinfachung. Damit beabsichtigen wir vor allem eines: weniger Bürokratie und mehr Zeit für die Vermittlung in Arbeit.
Der Entwurf wurde Anfang Februar im Kabinett bewilligt und wird bis Mitte April dem Bundestag vorgelegt. Dann werden in den Ausschüssen die Einschätzungen und Bewertungen der Verbände und Sachverständigen beraten, um uns danach unsere abschließende Meinung zu bilden.
Grundsätzlich verfolgen wir die Zielrichtung, in den Jobcentern unnötige Bürokratie abzubauen. Das tun wir, in dem wir die unzähligen Einzel- und Sonderregelungen zur Leistungsbewilligung ein Stück weit zusammenfassen. Aufgrund der hohen Zuwanderung bekommt das Gesetz jetzt eine noch größere Bedeutung, da die Arbeit in den Jobcentern mehr wird und es unser Ziel ist, die Geflüchteten schnell in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Arbeitslosengeld II wird zukünftig für zwölf statt bisher für sechs Monate bewilligt. Das entlastet, denn die Zahl der Prüfvorgänge wird deutlich reduziert.

Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe erarbeitet sowohl für den Bereich "Rechtsvereinfachung", als auch bei "Sanktionen" konkrete Vorschläge für Verbesserungen. Eine Neuregelung der Sanktionen war auch im Gesetzentwurf zur Rechtsvereinfachung im SGB II vorgesehen, wurde jedoch von der CDU/CSU verhindert. Ich halte die derzeitigen Sanktionsregelungen nicht für angemessen. So hatten wir im Koalitionsvertrag vereinbart, in einem ersten Schritt die gesonderten Sanktionen für junge Menschen bis 25 Jahre zu überprüfen. Unterschiedliche Sanktionen aufgrund des Alters sind verständlicherweise für viele Betroffene nicht nachvollziehbar.
Bei Verweigerung der Mitwirkung an der Beendigung der Hilfsbedürftigkeit halte ich es jedoch auch nicht für angemessen, dieses sanktionslos hinzunehmen.

In dem Entwurf soll eine einheitliche Überprüfung der Angemessenheit bei Heizung und Unterkunft geregelt werden, um so zu mehr Rechtssicherheit zu gelangen. Im Rahmen der sogenannten „Gesamtangemessenheitsgrenze“ soll die Übernahme von Heiz- und Mietkosten zukünftig im Rahmen einer Gesamtbetrachtung und nicht mehr gesondert beurteilt werden. Damit kann schneller und rechtssicher über die Angemessenheit einer Wohnung entschieden werden.

Für Studierende und andere LeistungsbezieherInnen wird durch die Änderung des SGB II die Situation transparenter: Überschneidet sich das Arbeitslosengeld II mit anderen Leistungen (z.B. Mutterschafts-, Überbrückungsgeld, Ausbildungsförderung), oder hohen einmaligen Einnahmen, bestanden oftmals Probleme bei der Einkommensanrechnung. Diese werden durch Sonderregelungen für solche Einkommen und durch die Entschärfungen von Schnittstellen vereinfacht. Damit ist in Zukunft für Leistungsbezieher einfacher nachvollziehbar, wie z.B. Mutterschafts-, Überbrückungsgeld oder Ausbildungsförderung, auf erhaltene Leistungen angerechnet werden.

Ich stimme Ihnen zu, dass mit dem vorliegenden Entwurf nicht alle Probleme gelöst werden und nicht alle Ungerechtigkeiten beseitigt werden. Wir werden im parlamentarischen Verfahren versuchen, unsere und Ihre Anliegen weiter in den Gesetzentwurf einzubringen, sind dabei jedoch auf die Kompromissbereitschaft des Koalitionspartners angewiesen.

Mit freundlichen Grüßen
Edelgard Bulmahn