Frage an Daniel Bahr von Hartmut Frank M. bezüglich Wirtschaft
Thema: Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Bahr,
ich kann Ihre Antwort vom 04.03.2009 an Herrn Groß nicht nachvollziehen.
Ich betreibe u.a. in Österreich ein Cafe. Der Unterschied zwischen Deutschland und Österreich ist m.E. folgender:
In Österreich werden Tariflöhne für allgemeinverbindlich erklärt. In Deutschland ist die Praxis eine andere. Viele Arbeitgeber treten einfach aus den Arbeitgeberverbänden aus. Dann muss m.W. kein Tariflohn mehr bezahlt werden. Außerdem gibt es in vielen Branchen gar keinen Tarifvertrag. Wie soll Ihrer Meinung nach eine Lohnfindung zwischen einem Arbeitgeber und einem Arbeitnehmer aussehen? Ist Ihnen nicht bewußt, dass die Zumutbarkeitskriterien sehr stark verschärft wurden?
Können Sie meine Einwände soweit bestätigen? Ihre Antwort klingt so, als könne sich ein Arbeitsloser aussuchen, ob er arbeiten gehen möchte oder nicht.
Unter der Eingabe " Hartz IV und Tarifautonomie" bei www.google.de können Sie nachlesen, dass die Frage von Herrn Groß auch von anderen geteilt wird. Ist Ihrer Meinung nach das Hartz IV Gesetz kein Eingriff in die Tarifautonomie?
Ich würde in Deutschland keine Bäckerei eröffnen wollen. Es kann m.E. nicht sein, dass die Arbeitnehmer von Billig- Back-Shops über Hartz IV aufstocken müssen und die fairen Bäcker das über ihre Steuern mitfinanzieren müssen. Ich sehe da, ebenso wie Herr Groß, sehr wohl eine Wettbewerbsverzerrung. Ich habe u.a. bei www.google.de das Stichwort " Aufstocker" eingegeben und da fand ich Artikel, die aussagen, dass es sehr viele Aufstocker gibt. Meines Erachtens soll jeder Arbeitgeber seine Arbeitnehmer selbst bezahlen. Können Sie mir eine genaue Zahl bezüglich der Aufstocker nennen?
Mit freundlichen Grüßen
Hartmut Frank Mueller
Sehr geehrter Herr Müller,
meine Antwort an Herrn Groß halte ich weiter für richtig, das wird Sie nicht wundern!
Die FDP steht zur Tarifautonomie und zum Flächentarifvertrag und will diese als wichtige Elemente unserer Wirtschaftsordnung erhalten. Der Flächentarifvertrag hat aber nur eine Zukunft, wenn er modernisiert wird. Tarifverträge berücksichtigen die Situation der kleinen und mittleren Unternehmen zu wenig. Insgesamt ist das Tarifsystem viel zu starr. Die Tarifvertragsparteien sind nur selten bereit, durch tarifvertragliche Öffnungsklauseln Vereinbarungen auf betrieblicher Ebene zuzulassen, allenfalls zur Arbeitszeit, aber nicht im Lohnbereich. Es muss mehr Möglichkeiten für individuelle Vor-Ort-Lösungen geben. Betriebliche Bündnisse für Arbeit müssen rechtlich zulässig werden. Wenn sich Beschäftigte und Betriebsleitung auf Regelungen einigen, die den Schutz der Arbeitsplätze zur Folge haben, dann gibt es keinen nachvollziehbaren Grund, dies gesetzlich zu verbieten. Der Erhalt von bestehenden und die Schaffung neuer Arbeitsplätze muss im Mittelpunkt stehen.
Nach Untersuchungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) stocken 1,3 Millionen Vollzeitbeschäftigte ein niedriges Einkommen mit Arbeitslosengeld II auf. Darunter sind die meisten geringfügig Beschäftigte und Teilzeitbeschäftigte. Nur 479.000 Aufstocker, deutlich weniger als eine halbe Million, sind regulär vollzeitbeschäftigt. Zwei Drittel der Aufstocker erhalten Löhne, die über den gegenwärtigen Mindestlohn-Forderungen von 7,50 Euro liegen
Der Staat muss für ein Mindesteinkommen sorgen, nicht für einen Mindestlohn. Wenn Löhne gezahlt werden, die nicht existenzsichernd sind, muss der Staat sie aufstocken. Die FDP war die erste Partei, die ein Bürgergeld für Deutschland beschlossen hat. Im Gegensatz zu anderen wollen wir kein bedingungsloses Grundeinkommen sondern ein bedarfsgerechtes Bürgergeld, ein Steuer- und Transfersystem aus einem Guß. Alle steuerfinanzierten Sozialtransferleistungen werden gebündelt, die Sozialbürokratie verschlankt und das Transferleistungssystem transparenter und fairer. Bei unserem Bürgergeld-Konzept hat der arbeitende Arbeitnehmer netto immer mehr hat als der, der nicht arbeitet.
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Bahr