Portrait von Dagmar Roth-Behrendt
Dagmar Roth-Behrendt
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Dagmar Roth-Behrendt zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Jochen G. •

Frage an Dagmar Roth-Behrendt von Jochen G. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Sehr geehrte Frau Roth-Behrendt,

Mit der EU Agrarreform 2013 wird darüber entschieden wie unsere aller Lebensmittel in Zukunft produziert werden. Es werden die Weichen gestellt, ob weiterhin verstärkt industrielle Agrarstrukturen oder regionale kleinbäuerliche Landwirtschaft gefördert werden.
Als Gärtner beobachte ich das Ringen, um die Agrarreform mit großem Interesse und mit Verwunderung habe ich verfolgt, wie die recht guten Vorschläge der EU-Kommission im Agrarrausschuß des EP, in dem Experten/innen aller Parteien sitzen, zerrissen wurden. Statt z. B. größerer Transparenz und demokratischeren Umgang mit Steuergeldern war plötzlich das Gegenteil vernehmbar (Empfänger von Agrarsubventionen sollen geheim bleiben)

Es stellen sich für mich und für alle, die an einer nachhaltigen Landwirtschaft und an deren Produkte interessiert sind, einige Frage, die ich gerne von Ihnen beantwortet hätte:

1.Wie lässt sich die Intransparenz bei der Vergabe/Empfang von Agrarsubventionen rechtfertigen?

2. Wie stehen Sie zur Entkoppelung der Agrarsubventionen von verbindlichen ökologischen Kriterien?

3. Wie ist das Hofsterben (zw. 2007-2013 mussten ein Viertel aller Höfe aufgeben, vor allem Kleinbetriebe) in der EU zu stoppen? Haben regional produzierende, kleinbäuerliche Höfe, die wesentlich mehr Menschen beschäftigen, in der EU überhaupt einen Platz?

4. Ist die Biodiversitätsstrategie der EU mit dem Agrarausschuß Vorschlag vereinbar, wenn Monokulturen auf 80% der Flächen möglich bleiben und die ökolog. Vorrangflächen von 7 % auf 3 % schrumpfen sollen?

5. Setzen Sie sich für kleinbäuerliche Strukturen im Parlament ein? Wie?

Mir ist bewusst, dass dies nicht Ihr Resort ist, aber dennoch sind Sie in der Abstimmung am 12. März stimmberechtigt, ich erhoffe mir daher, dass Sie sich kritisch mit den Vorschlägen ihrer Partei - Agrarexperten auseinandersetzen und sich ihre Meinung zu den oben genannten Fragen bilden. Danke.
Ich freue mich von Ihnen zu hören,

mit freundlichen Grüßen,

Portrait von Dagmar Roth-Behrendt
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Goetz,

vielen Dank für Ihre Fragen, die ich folgendermaßen beantworte:

1.Wie lässt sich die Intransparenz bei der Vergabe/Empfang von Agrarsubventionen rechtfertigen?
Gar nicht. Wenn Steuergelder verteilt werden, dann muss ersichtlich sein, wer diese Mittel erhält. Ich setze mich bei der Abstimmung für eine neuerliche Veröffentlichung in Form einer Transparenzdatenbank ein.

2. Wie stehen Sie zur Entkoppelung der Agrarsubventionen von verbindlichen ökologischen Kriterien?
Das sogenannte Greening ist das Herzstück der Reform. Ich werde bei der Abstimmung unterstützen, dass der Erhalt von Direktzahlungen an Ökologisierungsmassnahmen gekoppelt sein muss. Wenn wir schon so viel öffentliches Geld in die Landwirtschaft stecken, dann können wir auch eine gewisse nachhaltige Entwicklung für den ländlichen Raum verlangen. Ich werde dagegen stimmen, dass die Greening-Auflagen “freiwillig” sein sollen. Landwirte, die selbst die verwaschenen Greening-Auflagen nicht erfüllen, dürfen nicht dennoch 70 Prozent der Direktzahlungen erhalten.

3. Wie ist das Hofsterben (zw. 2007-2013 mussten ein Viertel aller Höfe aufgeben, vor allem Kleinbetriebe) in der EU zu stoppen? Haben regional produzierende, kleinbäuerliche Höfe, die wesentlich mehr Menschen beschäftigen, in der EU überhaupt einen Platz?
Der Trend des Hofsterbens ist sehr bedauerlich. Die Förderung für Großbetriebe ist in der Tat unproportional zu den Hilfen, die Kleinbetrieben zugesprochen werden. Besonders interessant für regional produzierende, kleinbäuerliche Höfe sind die Förderungen der 2. Säule. Aus diesem Grund bin ich enttäuscht, dass für die Ländliche Entwicklung/2. Säule im Vergleich zu den Direktzahlungen/1. Säule bisher unproportional weniger Geld eingeplant wurde. Ausgaben für die Ländliche Entwicklung sind für mich die bestinvestierten Förderungen des Agrarbudgets. Ich werde auch bei der Abstimmung unterstützen, dass mind. 5% der Ländlichen Entwicklung für das Projekt LEADER ausgegeben werden. Im Rahmen des Projekts LEADER erarbeiten lokale Aktionsgruppen mit den Akteuren vor Ort maßgeschneiderte Entwicklungskonzepte für ihre Region. Ziel ist es, die ländlichen Regionen zu unterstützen. Um eine überhöhte Förderung an Grossbetriebe einzudämmen, werde ich mich bei der Abstimmung am Mittwoch für 100 000 Euro jährliche Höchstförderzahlung pro Hof einsetzen (Genossenschaften ausgenommen).

4. Ist die Biodiversitätsstrategie der EU mit dem Agrarausschuß Vorschlag vereinbar, wenn Monokulturen auf 80% der Flächen möglich bleiben und die ökolog. Vorrangflächen von 7 % auf 3 % schrumpfen sollen?
Die Landwirtschaft muss ihren Beitrag leisten, damit die Artenschutzziele und auch die Klimaschutzziele der Europäischen Union erreicht werden. Die vorliegenden Vorschläge beinhalten einige gute Ansätze, was das sogenannte ‘greening’ der Landwirtschaft betrifft. Vor allem, dass sieben Prozent der Anbaufläche ökologisch genützt werden müssen, ist ein wichtiger Beitrag, um den Lebensraum verschiedener Tier- und Pflanzenarten zu erhalten, das wird auch auf lange Sicht der gesamten Bevölkerung von Nutzen sein. Ich werde mich bei der Abstimmung am Mittwoch dafür einsetzen.

5. Setzen Sie sich für kleinbäuerliche Strukturen im Parlament ein? Wie?
Grundsätzlich setze ich mich dafür ein, dass kleinere vor großen Landwirtschafts-Betrieben von EU-Förderungen profitieren können. Bezüglich Vorteile für Kleinbauern sieht die derzeitig im Ausschuss entschiedene Fassung vor, dass die Mitgliedstaaten selbst entscheiden, ob sie ein Fördermodell für Kleinbauern und -bäuerinnen umsetzen oder nicht. Erhalten Kleinbauern/bäuerinnen weniger als €1.500 Förderung, sollen sie automatisch in diese Förderung fallen. Kleinbäuerinnen und -bauern sollen eine jährliche Zahlung von mindestens €500, maximal €1.500 aus diesem Topf erhalten. Sie können sich aber auch für zusätzliche Förderungen bewerben, wenn sie z. B. besonders umwelt- oder tierfreundlich wirtschaften. Siehe auch meine Antwort zu Ihrer Frage 3.

Die aktuelle Reform darf keine verpasste Gelegenheit werden, substantielle Änderungen in der EU-Landwirtschaftsförderung herbeizuführen. Das würde nicht nur auf Kosten der Umwelt, sondern auch auf die der LandwirtInnen und der SteuerzahlerInnen der EU gehen.
Diese Abstimmung bedeutet noch nicht, dass das oben beschriebene genau so Gesetz werden wird. Über den derzeitigen Gesetzestext wird am 13. März im Plenum, also allen Abgeordneten des Europäischen Parlaments, abgestimmt werden. Danach wird noch der Rat, die Vertretung der Mitgliedsstaaten, über diesen Text beraten und sich abstimmen. Es kann also durchaus sein, dass sich grundlegende Dinge noch ändern werden. Ich wünsche mir jedenfalls, dass noch eine nachhaltigere, konsequentere Agrarreform erreicht wird, eine GAP, die ländliche Entwicklung auch wirklich unterstützt.

Mit freundlichen Grüßen,
Dagmar Roth-Behrendt