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Claudia Roth
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Frage von Hartmut Frank M. •

Frage an Claudia Roth von Hartmut Frank M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Roth,

Sie haben an der Besatzung eines Parks in Istanbul teilgenommen. Medienwirksam und kämpferisch erwähnte man Sie sogar in deutschen TV-Sondersendungen und internationalen Medien.

Ich frage mich, warum Sie in der Türkei an solchen - meines Wissens nicht genehmigten Belagerungen- teilnehmen?
Ihre Partei hat Hartz IV mitbeschlossen, bei den Demos dagegen wurden Sie m.W. nicht gesichtet.
Herr Trittin hat als Umweltminister gesagt: " Niemand sollte hier protestieren" als es gegen die Castortransporte ging.
Herr Kretschmann hat nach der gewonnenen Wahl in BaWü gesagt: " Natürlich müssen sich auch die Demonstranten an Recht und Ordnung halten", als es um Stuttgart 21 und den Schloßpark ging.
Ich selbst musste mich 2002 in München von bayerischen Polizisten verprügeln lassen, als ich gegen die "Sicherheitskonferenz" mitdemonstrierte. Den schlagenden Polizisten warnte ich, dass ich zurückschlagen werde, falls er nochmals mit dem Schlagstock grundlos auf mich einschlägt. Ich betone ausdrücklich, dass ich keinesfalls Gewalt angewendet habe und mich nicht mal verteidigt habe. Dennoch wurde ich mit auf das Polizeipräsidium genommen.
Vor zwei Wochen ging die Polizei in FFM drastisch gegen die Kapitalismus-und Bankenkritiker vor, als diese demonstrierten.
Viele Demos werden einfach nicht genehmigt. Und bei Demonstrationen gegen Rechts werden die Gegendemonstranten mit Auflagen belegt und müssen damit rechnen, dass sie rechtlich belangt werden.
Ich frage Sie, warum Sie in der Türkei demonstrieren und in unserem Land diese Fehlentwicklungen meines Erachtens zu unkritisch hinnehmen?
Ist das nur reine Opposition, wenn Ihre Partei gerade mal nicht mitregiert?

Wie steht es in Deutschland um Großprojekte? Warum wird z.B. in Berlin ein Schloß errichtet, welches m.W. kaum jemand will?
Sollte es nicht so sein, dass ab einer bestimmten Größenordnung- wenn Steuermittel verwendet werden- automatisch der Souverän mitentscheiden darf?

Mit freundlichen Grüßen

Mueller

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Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Mueller,

in Ihren Fragen vermischen Sie viele Themen und Debatten in einer unzulässigen Art und Weise miteinander, so dass am Ende auch nicht klar wird, was Ihre eigentliche Frage ist. Ihre Behauptungen bezüglich der Castortransporte und Stuttgart 21 sind schlicht und ergreifend falsch und erfunden. Es gab viele Protestaktionen mit grüner Beteiligung, manchmal sogar in einer rechtlichen Grauzone, die aber dann durch die entsprechenden Urteile des Bundesverfassungsgerichts geklärt und gelöst werden konnten.
Auffällig in Ihren Beschreibungen ist, dass Sie die Kundgebungen und Demonstration in Deutschland der letzten Jahre entweder mit einer einseitigen Optik verfolgt oder gar kein Interesse daran gehabt haben.

Aus unserer Sicht spricht nichts gegen die Teilnahme von Personen aus Deutschland an Demos in solchen Ländern, die sich als demokratisch definieren. Es gibt zahlreiche Beispiele dafür, zum Beispiel von der Teilnahme an CSD-Kundgebungen in Warschau und New York bis zu Demos gegen AKWs in der Tschechischen Republik oder Bulgarien. Das gleiche gilt aus unserer Sicht auch für die Türkei, die alle internationalen Abkommen im Bereich von Menschenrechten und Bürgerlichen Freiheitsrechten ratifiziert hat.

Was den Abend in Istanbul mit der Tränengasattacke angeht: Die Polizei hat an diesem Abend nicht den besetzten Gezi-Park geräumt, sondern die im Park anwesenden Menschen ohne Vorwarnung mit Tränengas attackiert. Es ging in dieser Situation nicht um eine illegale Demo, sondern um eine Machtdemonstration der Sicherheitskräfte.
Was die Demos angesichts der Münchener Sicherheitskonferenz betrifft, sollten Sie eigentlich wissen, dass die Grünen immer Teil der ausdrücklich friedlichen Proteste waren, verbunden mit der Forderung, Sicherheitspolitik nicht nur militärisch zu definieren. Was Ihnen persönlich widerfahren ist, können wir nur anhand Ihrer Erzählungen nicht bewerten. Sie sollten aber wissen, dass trotz aller juristischen Hürden in Deutschland immer die Möglichkeit besteht, in ähnlichen Fällen eine höchstrichterliche Klarstellung auf individuellem Klageweg zu erzielen. In der Türkei sieht es in diesem Feld noch schlecht aus. Selbstverständlich gibt es auch in Deutschland Regeln für Organisation und Verwirklichung der Versammlungsfreiheit, die einzuhalten sind. Offensichtlich haben Sie weder das Anliegen, die Forderungen der Protestierenden und die Formen des Protests noch das Vorgehen der türkischen Sicherheitskräfte realisiert. Ihre Vergleiche haben keinen Realitätsbezug.

Mit freundlichen Grüßen

Das Mitarbeiter-Team im Bundestagsbüro

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