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Christine Bilger
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Frage von Siegfried K. •

Was halten Sie von housing first, also jedem Obdachlosen ein Dach über den Kopf zu bieten und so Obdachlosigkeit abzuschaffen?

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Housing first halte ich für ein hoch wirksames Konzept, um Wohnungs- / Obdachlosigkeit zu besiegen. Bisherige Projekte beweisen die Wirksamkeit und räumen auf mit Vorurteilen, z.B. gegenüber Menschen, die von Wohnungs- und Obdachlosigkeit betroffen waren, aber auch mit dem Vorurteil, dass eine solche bedingungslose Wohnraumbereitstellung zu teuer sei. Das Gegenteil ist der Fall! Konzepte, wie Housing first, die insbesondere auf die Bedingungslosigkeit setzen und wirklich "eigene" 4-Wände bieten, erweisen sich als nachhaltiger, stabiler integrierend und kostengünstiger als alle anderen Konzepte. Nicht zuletzt ist Housing first das Konzept, das sich ganz besonders an der Menschenwürde orientiert. Housing first steht auf unserer politischen Agenda. Die vermutlich größte Herausforderung wird der knappe Wohnungsmarkt in Ballungsräumen sein, demgegenüber Mietwucher, vielerorts fehlender kommunaler Wohnungsbau und geringe Flächenverfügbarkeit für Neubaumaßnahmen stehen. Leider hält sich in den Köpfen der politischen Mehrheit nachwievor hartnäckig der Glaube fest, dass der freie Markt und die Förderpakete das Wohnungsangebot regeln werden. Dies ist und war nie der Fall und ist es heute erst recht nicht. So wird z.B. die Stadt Norderstedt schon um das Jahr 2050 quasi keinen geförderten Wohnraum mehr in der Bindung haben. Abhilfe kann nur eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft schaffen oder die Wiedereinführung der steuerlichen Begünstigung der Gemeinnützigkeit, um Wohnungsbaugenossenschafften zu stärken. Was nach dem 2. Weltkrieg rasch für ausreichend bezahlbaren Wohnraum gesorgt hat, wird wohl heute immer noch funktionieren. Ohne eine Wiedereinführung der Gemeinnützigkeit - dessen Abschaffung um ein Vielfaches teurer war und ist, als die entgangenen Steuereinnahmen - bleibt nur der kommunale Wohnungsbau. Wohnraumversorgung ist kommunale Pflicht der Daseinsfürsorge. Wenn der freie Markt dies nicht ausreichend bezahlbar liefern kann, so dass das Risiko von Wohnungslosigkeit steigt, muss die Kommunalverwaltung einspringen, denn diese ist in der Verantwortung, wenn der Markt versagt. Ein Marktversagen ist deutlich erkennbar und an den örtlichen Mietenspiegeln erkennbar, sowie an einem geringen Angebot. Ein funktionierender Wohnungsmarkt braucht 3% des Bestands als Angebot am Markt, darunter bricht die Zirkulation zusammen. Last but not least steuern wir auf eine große Welle der Altersarmut zu durch das Rentenniveau der Rentner, die in Kürze in Rente gehen. Hier droht eine enorme Welle der Wohnungslosigkeit im Alter hinterher zu ziehen.