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Bettina Hagedorn
SPD
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Frage von Günther P. •

Frage an Bettina Hagedorn von Günther P. bezüglich Finanzen

Guten Tag, Fau Hagedorn

wir (beide 60 er noch berufstätig, sie Rentnerin, verheiratet) wohnen in Bosau und somit in Ihrem Wahlbezirk.

Mir geht es heute um die umsatzsteuerliche Behandlung der Energiekosten.
Diese werden zZ mit einem MwSt-Satz von 19% versteuert.

Da diese Kosten wie die Kosten für

Lebensmittel
Zeitschriften ( hier auch Pornomagazine)
Wasser

zu den Kosten des täglichen Bedarfs gehören, sieht der Gesetzgeber für diese Art der Kosten einen ermäßigten Steuersatz von 7% vor.

Die Energiekosten steigen fast wöchentlich und treffen die Rentner und Arbeitslosen besonders. Wie gering die Rentenerhöhung ausfallen, ist Ihnen ja bekannt.

Ich frage Sie:

Wann hat Ihre Fraktion eine Gesetzesinitiative ergriffen, die vorsieht, die MwSt Satz auf Treibstoff, Gas und Strom um 7% zu senken?

Wenn dies bisher noch nicht geschehen ist, sagen Sie mir bitte, wann mit einer entsprechenden Initiative - vielleicht auch parteiübergreifend- zu rechnen ist.

Günther Plate

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Plate,

vielen Dank für Ihre Anfrage, in der Sie die steigenden Energiepreise kritisieren und die Schwierigkeiten schildern, die sich für Sie als Rentner daraus ergeben. Ebenso leiden viele Geringverdiener – insbesondere Familien und Alleinerziehende – unter den drastisch gestiegenen Energiekosten. Ihre Sorgen nehme ich ernst. Allerdings stimme ich Ihrem Vorschlag zur Senkung des Mehrwertsteuersatzes von 19 % auf 7 % für Treibstoff, Gas und Strom nicht zu - dieser Vorschlag ist aus meiner Sicht weder sozial gerecht noch ökologisch verantwortbar, er ist zudem weder in Berlin noch auf europäischer Ebene mehrheitsfähig und damit kurzfristig weder realisierbar noch finanziell zu verantworten. Es gibt darum auch keine Gesetzesinitiative mit dem Ziel, den ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf Energie anzuwenden.

Die Mehrwertsteuer ist eine Umsatzsteuer – wer viel konsumiert, zahlt viel, wer wenig konsumiert, zahlt wenig. Das ist grundsätzlich gerecht – zumal dann, wenn der starke Verbrauch gleichzeitig negative Auswirkungen auf das Gemeinwohl und die Umwelt hat. Der Staat muss mit seiner Besteuerung nicht nur darauf achten, dass er genügend Einnahmen für seine Aufgaben für die Allgemeinheit erzielt, sondern auch darauf, dass er nicht umwelt- und gemeinwohlschädliches Verhalten durch falsche Steueranreize „belohnt“. Sie unterstellen mit Ihrem Vorschlag, dass eine Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes auf Energie gerade besonders Bedürftigen helfen würde, ihre Lebenshaltungskosten zu senken. In Wahrheit aber würde der Staat dadurch neue Steuergeschenke mit „der Gießkanne“ übers Land verteilen anstatt zielgenau vor allem jene zu fördern, die der besonderen Förderung bedürfen – und das sind meist vor allem die Haushalte, in denen Kinder leben. Von einer pauschalen Absenkung des Mehrwertsteuersatzes auf Energiekosten würden maßgeblich gerade die Vielverbraucher profitieren – und das sind die besser Verdienenden und die Industrie. Es wäre unverantwortlich, wenn der Staat deren erhöhten Energieverbrauch mit allen negativen Auswirkungen auf das Klima quasi „subventionieren“ würde. Steuervergünstigungen entziehen dem Staat die Einnahmen, die dieser dringend braucht, um beispielsweise zielgenau Bedürftige zu fördern, die objektiv dieser Unterstützung bedürfen. Gerecht ist es aus meiner Sicht, wenn der Grundsatz gilt, dass starke Schultern finanziell mehr tragen können (und sollten!) als schwache. Darum ist es meiner Meinung nach NICHT gerecht, wenn der Staat Steuergeschenke nach dem Gießkannenprinzip verteilt, sondern wenn er SteuerMEHReinnahmen gezielt bei finanzstarken Haushalten versucht zu erwirken (z.B. über die Erbschafts- oder Vermögenssteuer oder über einen erhöhten Mehrwertsteuersatz auf Luxusgüter). Allerdings sind in Deutschlands föderalem Staat für Gesetzesänderungen im Steuersystem stets Mehrheiten sowohl im Bundestag wie auch im Bundesrat erforderlich - und die sind in den von mir angeführten Beispielen angesichts einer starken CDU/CSU in beiden Häusern derzeit nicht erreichbar.

In unserem Staat sind vor allem die Energieversorger verantwortlich dafür, dass ihre Tarife so ausgestaltet sind, dass Haushalte mit geringen Abnahmequoten und Einkommen nicht über Gebühr belastet werden. Bei der Preisgestaltung der Energieversorger gibt es enorme Unterschiede, über die man sich als Verbraucher informieren und dann auch den Mut zum Wechsel des bisherigen Anbieters haben sollte. Auf der Internetseite von Verivox kann man sich über Stromanbieter im Hinblick auf ihre Energiequellen und die ökologische Verantwortbarkeit und ebenso auf angemessene Preise informieren. Rund 900 Anbieter verzeichnet das Verbraucherportal in seiner Datenbank, nachzulesen unter www.verivox.de. Die Haushalte in Deutschland sollten noch mehr als bisher den Wettbewerb im Energiesektor nutzen und damit ihre Macht als Kunde verstärken. Gerade kleine regionale Energieversorger bieten häufig interessante Tarife für ihre Bürger an – diese kommunalen Stadtwerke zu stärken ist auch wichtig, um der Monopolisierung im Energiemarkt entgegen zu wirken.

Die Versorgung mit bezahlbarer Energie ist ein grundlegendes und lebensnotwendiges Gut für alle Bürger. Angesichts ihrer milliardenschweren Gewinne hätten gerade die Energiekonzerne die Verpflichtung, faire Strom- und Gaspreise anzubieten – leider ist das Gegenteil der Fall. In Deutschland sind die Energiepreise höher als bei unseren europäischen Nachbarn – daran ist aber nicht der Mehrwertsteuersatz Schuld, sondern die Monopolstellung der vier Strommonopolisten RWE, E.on, Vattenfall und EnBW, die hier in den letzten Jahren in einem unverhältnismäßigen Umfang an der Preisspirale gedreht und Milliardengewinne „gescheffelt“ haben - das erfüllt mich wie viele andere mit Wut und Empörung. In meinem letzten „Bericht aus Berlin“ vom 11. Februar 2008, den ich regelmäßig ca. alle sechs Wochen zur Information der Bürger in meinem Wahlkreis veröffentliche, habe ich mich als thematischem Schwerpunkt mit den explodierenden Energiepreisen und der Verantwortung insbesondere der Strommonopolisten beschäftigt und aufgezeigt, mit welchen Maßnahmen die Politik auf Bundesebene und in Brüssel versucht, diesem unmoralischen Gewinnstreben der Stromkonzerne auf dem Rücken der Verbraucher Einhalt zu gebieten. Diesen sehr ausführlichen Bericht kann jeder Interessierte auf meiner Homepage unter http://www.bettina-hagedorn.de/publikationen/bericht_aus_berlin/berichtausberlin34.pdf
nachlesen oder in meinem Büro (Tel.: 030 – 22773832) abfordern.

Auch Vermieter müssen umdenken. Durch Gebäudesanierungen können langfristig Kosten eingespart werden. Bessere Wärmedämmung kann zu einer spürbaren Kostensenkung für die Mieter beitragen – die effektivsten Energieeinsparungen werden erzielt, wenn der Energieverbrauch sinkt. Es ist ökologisch nicht verantwortbar, den Energieverbrauch zu subventionieren. Angesichts des Klimawandels muss der Staat vielmehr Anreize zum Energiesparen schaffen – und das tut er. Ein Instrument in diesem Bereich ist die CO2-Gebäudesanierung. Der Staat stellt über dieses Programm Förderungsmöglichkeiten wie deutlich verbilligte Kredite und bei Erreichen des Neubau-Niveaus auch Tilgungszuschüsse für Gebäudesanierungen nach ökologischen Gesichtspunkten zur Verfügung. Der Staat fördert die Kredite in einem Umfang von mehr als einer Milliarde Euro. Durch die Sanierungsaufträge entstehen auch im Handwerk neue Arbeitsplätze als positiver Nebeneffekt. Dieses sind nur einige Beispiele, wie der Staat angemessen auf die Problematik wachsender Energiekosten reagiert.

Nach Auffassung der SPD ist die wichtigste Maßnahme zur Linderung der Nöte der Verbraucher mit geringem Einkommen bei dieser Frage die jetzt beschlossene Erhöhung des Wohngelds und die Umstellung auf eine Bezuschussung der Warmmiete anstatt – wie bisher – der Kaltmiete. Bei einer solchen gesetzlichen Änderung wären nämlich die steigenden Energiekosten endlich Bestandteil der bezuschussungsfähigen Miete und damit die Belastung der Mieter begrenzt. Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee (SPD) hat dazu am 22. Februar ein Konzept vorgestellt, das eine Erhöhung um insgesamt 520 Millionen Euro pro Jahr vorsieht. Damit könnte das Wohngeld für die Empfänger ab 2009 um durchschnittlich zwei Drittel erhöht werden. In konkreten Zahlen hieße dies eine durchschnittliche Erhöhung von 90 auf 150 Euro pro Monat. Darüber hinaus würde die Zahl der Wohngeldhaushalte von jetzt ca. 630.000 auf ca. 844.000 ansteigen. Eine Reform des Wohngeldes ist aus Sicht der SPD überfällig. Das letzte Mal wurden die Leistungen unter Rot/Grün im Jahr 2001 angepasst, doch seitdem mussten die Bürger Mietsteigerungen von rd. 10% und Heizkostensteigerungen sogar von bis zu 50% verkraften. Da das Wohngeld jedoch nicht dynamisch ausgestaltet ist – steigende Mieten also nicht automatisch zu höherem Wohngeld führen – und sich darüber hinaus bislang an der Kaltmiete orientierte, wurden die finanziellen Spielräume der betroffenen Menschen von Jahr zu Jahr geringer. Damit verlor das Wohngeld immer mehr seine Entlastungsfunktion. Die Gesetzesänderung soll zum 1.1.2009 in Kraft treten und dann endlich die Nebenkosten – die nicht umsonst auch als "zweite Miete" bezeichnet werden – in die pauschale Bezuschussung einbeziehen.

Zurück zu Ihrem Vorschlag, den gemäßigten Mehrwertsteuersatz von 7% auf speziell definierte „Dinge des täglichen Bedarfs“ auch auf Energiekosten anzuwenden – wie ich Ihnen bereits darstellte, ist er aus verschiedenen Gründen weder gerecht noch ökologisch vernünftig – er ist aber auch nicht allein auf nationaler Ebene umsetzbar. Deutschland darf als Mitglied der Europäischen Union bei Ausnahmen vom allgemeinen Mehrwertsteuersatz nicht unabgestimmt handeln, ohne sich den Vorwurf der Wettbewerbsverzerrung im europäischen Binnenmarkt einzuhandeln. Es müsste also zunächst ein europäischer Abstimmungsprozess in diesem Bereich stattfinden. Dies kostet aber viel Zeit und Zeit haben die Menschen - die von den hohen Energiekosten am meisten betroffen sind - nicht.

Auch die Frage der Steuerausfälle und der Folgen für den Gesamthaushalt stellt sich. Bei einer Haushaltsbelastung von 43 Milliarden Euro pro Jahr allein durch Zinsen für die Bundesschulden sind keine Spielräume für weitere Steuersenkungen vorhanden, da wir den Haushalt in Verantwortung für künftige Generationen sanieren müssen. Die Senkung des Mehrwertsteuersatzes auf Energie würde im Bundeshaushalt zu enormen Einnahmeausfällen führen und die finanziellen Möglichkeiten des Bundes langfristig noch weiter einschränken. Das wäre aus meiner Sicht unverantwortlich. Auch zu diesem Themenkomplex möchte ich auf einen Redebeitrag von mir aufmerksam machen. Er trägt den Titel „Wie viel Solidarität können wir uns leisten?“ und steht auf meiner Homepage unter http://www.bettina-hagedorn.de/publikationen/bericht_aus_berlin/berichtausberlin34-07-10-08Sozialwirtschaftsmessekiel.pdf zum Herunterladen bereit bzw. ist über mein Büro erhältlich.

Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesen Informationen weiterhelfen konnte -
mit freundlichen Grüßen

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