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Bernd Barutta
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Frage von Silke S. •

Frage an Bernd Barutta von Silke S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Barutta,

aus meiner Sicht gibt es in Deutschland eine riesen Entpolitarisierung wichtiger Dinge. Die Themen im Wahlkampf sind m.E. vor allem Dinge, die man nicht beeinflussen kann. Trump, Erdogan/ Türkei, Ukraine/Putin. Stimmen Sie mir zu, dass alltägliche Dinge aus diesem Grund in den Hintergrund rutschen?
Ein Beispiel: Deutschland nimmt mehr Steuern ein, aber es gibt sehr viel Obdachlosigkeit. Es ist von 335 000 die Rede, siehe diese Link: http://www.deutschlandfunk.de/sozialstatistik-immer-mehr-obdachlose-in-deutschland.1818.de.html?dram:article_id=373118
Wozu noch Einwanderung, wenn nicht mal alle hiesigen Bürger*innen Wohnungen haben?
Ich habe eine Wohnung, in der ich ständig gestört bin, die zu klein ist. Doch ich bin krank und habe in Baden-Württemberg kaum eine Chance eine andere bezahlbare Wohnung zu bekommen. Warum investiert man nicht die massiven Steuereinnahmen zu einem größeren Teil für den sozialen Wohnungsbau? Aus meiner Sicht federt man die Folgen der Zuwanderung, der Globalisierung usw. nicht gerecht ab, stimmen Sie dem zu?

Zum anderen möchte ich Sie fragen, warum Deutschland nicht eine "große Schweiz" werden könnte? Ein souveräner Staat, ohne EU-Technokraten und EU-Bevormundung, mit sicheren Grenzen, mit Volksabstimmungen?
Sind Sie für eine Verlängerung der Legislaturperiode des Bundestags auf 5 Jahre? Wäre das nicht eine weitere Entdemokratisierung?
Was wollen Sie gegen Lobbyismus tun z.B. anhand eines Lobbyistenregisters? Und was wollen Sie tun, um die Macht von Global-Player, Banken und Großerben zu beschränken?

Mit freundlichen Grüßen

S. S.

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Antwort von
FREIE WÄHLER

Sehr geehrte Frau Sorbello,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 15. September 2017. Gerne antworte ich darauf und übermittele Ihnen meine Positionen:

Ich stimme Ihrer Auffassung zu, dass es in Deutschland an bezahlbaren Wohnungen fehlt. Dazu habe ich auch bereits Aussagen gegenüber der Liga der Wohlfahrtsverbände in Heidelberg verfasst, die ich Ihnen nachfolgend zusenden:

Frage: Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die Verantwortung des Bundes für die soziale Wohnraumversorgung gestärkt wird, indem die dauerhafte gemeinsame Zuständigkeit von Bund und Ländern für den sozialen Wohnungsbau wieder gesetzlich verankert wird und Bundesmittel für den geförderten Wohnungsbau bedarfsgerecht erhöht werden?

Die stetig steigenden Mieten in Ballungsräumen verdeutlichen, dass der "Markt" alleine nicht einen ausgewogenen Wohnungsmarkt regelt. Sozial geförderte Wohnungen müssen als Korrektiv existieren. In vorangegangenen Jahrzehnten haben viele Kommunen ihre Eigenbestand an Wohnung veräußert. Auch Siedlungen mit Wohnungen, die große Firmen ihren Mitarbeitern zur Verfügung stellen, sind eher selten (Beispielhaft waren hier früher die Wohnsiedlungen von Zechen im Ruhrgebiet, die ihren Arbeitern günstigen und angemessenen Wohnraum zur Verfügung stellten). Neben der finanziellen Ausstattung halte ich auch die Frage der Trägerschaft für wichtig. Wohnungsbaugesellschaften in kommunaler Trägerschaft sollte es wieder mehr geben. Vgl. hierzu: www.vhw.de/fileadmin/user_upload/08_publikationen/verbandszeitschrift/FWS/2016/2_2016/FWS_2_16_Lieberknecht.pdf

Die Bereitstellung notwendiger Finanzmittel für den sozialen Wohnungsbau ist natürlich grundlegenede Voraussetzung für die Schaffung entsprechenden Wohnraums. Wer letztenendlich die Finanzmittel zur Verfügung stellt, ist eigentlich zweitrangig. Die von Ihnen gestellte Frage nach der Unterstützung durch den Bund zeigt sich in vielen Politikfeldern, beispielhaft auch bei der Förderung des Schulwesens. Auch hier geht es darum, ob der Bund mehr finanzielle Verantwortung übernimmt. Das Gesamtproblem besteht also übergreifend darin, dass die Bundesländer ingsgesamt unter finanziellen Engpässen leiden und auf Zuwendungen des Bundes angewiesen sind. Daher gibt es zwei Wege zur Lösung. Entweder die Verteilung der Steuereinnahmen wird grundsätzlich zu Gunsten der Länder verändert, um ihnen die Erledigung der ihnen zustehenden Aufgaben zu gewährleisten, oder der Bund wird unmittelbar durch Zuweisung von Finanzmittel Teil der Programme. Beide Wege haben Vor- und Nachteile. Wird eine gemeinsame Zuständigkeit von Bund und Ländern für den sozialen Wohnungsbau verankert, ist dies dann ein Vorteil, wenn der Bund die Bundesmittel erhöht und auch dort einsetzt, wo das Geld benötigt wird und nicht nach einem reinen Regionalproporz Gelder bereitgestellt werden. Wenn ersteres der Fall ist, ja, dann macht es Sinn, Bund und Länder wieder gleichermaßnen verantwortlich zu machen und gemeinsam die notwendigen Finanzmittel zur Verfügung zu stellen.

Frage: Werden Sie sich für eine Nachbesserung der Mietpreisbremse einsetzen, so dass der Mietenanstieg bei Wiedervermietungen wirksam abgebremst werden kann?

Wenn es ohne Folgen bleibt, wenn ein Gesetz mißachtet wird, ist grundsätzlich falsch.

Ihre Frage lässt sich leicht mit ja beantworten. Ob sich dadruch grundlegend etwas ändert, ist fraglich.

Ohne steten Neubau von bezahlbaren Wohnungen in den Ballungszentren, d.h. auch durch Ausweisung von Baugebieten, ist der Wohnungsknappheit nicht wirklich beizukommen. Dieser Wohnraum ist dann nicht in den Zentren der Städte, sondern eher im Umland, was wieder neue Mobilitätsfragen aufwirft.

Aus meiner Sicht bestünde ein nachhaltigr Erfolg darin, wenn entsprechend der Antwort zu Frage 1, Absatz 1, gefolgt wird, also die Struktur der Wohnungsanbieter sich ändert, d.h. sich wieder mehr Wohnraum dem "freien" Markt entzieht. Die Kommune (oder aber auch Unternehmen) gesellschaftliche Verantwortung übernehmen.

Aus meiner Sicht ist das zweite Problem die "Luxussanierung" alter Wohnbestände. Das bewusste vertreiben von alteingesessener Bevölkerung aus ihren Wohnquartieren. Hier sollte erheblich mehr auf Sozialverträglichkeit geachtet werden. Das fängt mit Schikanen von Wohnungseigentümern gegenüber Mietern an und endet in einer Konzentration von Sanierungen für das obere Preissegment. Hier entstehen die größten sozialen Ungerechtigkeiten.

Um es noch einmal zu sagen, die Mietpreisbremse ist ein Versuch, Mietsteigerungen abzubremsen, ob dabei aber ein nachhaltiger Erfolg erzielt wird, bezweifele ich. Deshalb stehe ich der von Ihnen gestellten Frage offen gegenüber. Aber eine neue Mitpresibremse, die wieder ins Leere geht, brauchen wir auch nicht.

Frage: Werden sie sich für eine Absenkung der Modernisierungsumlage auf höchstens 5 Prozent einsetzen und sind Sie bereit, eine Kappungsgrenze bei Mieterhöhungen wegen  Modernisierung einzuführen ?

Die von Ihnen gestellten Fragen kann ich mit ja beantworten. (Außerhalb der Antwort: Aus eigener Erfahrung weiss ich, dass viele Mieter mit geringem Einkommen kaum eine Mieterhöhung stemmen können. Die stetig steigenden Nebenkosten sorgen indirekt schon für eine permanente Erhöhung der Wohnungskosten. Vielleicht benötigt man zur Vermeidung von großen Mietpreissteigerungen im unteren Preissegment eine besondere "Förderung von Bestandssanierung", die Födermittel dann bereitstellt, wenn in zu definierenden unteren Preissegmenten investiert wird. Dies ist vor allem auch notwendig, damit erforderliche Renovierungen - nach den von Ihnen gewünschten Regelungen - nicht auf Grund fehlender Ertragsaussichten einfach ausbleiben. Ausbleibende Renovierungen zur Beibehaltung geringer Mieten sind auch keine Lösungen).

Der zweite von Ihnen angesprochene Punkt gehört natürlich auch zu zentralen Fragen der Politik. Als große Nation in der Mitte Europas können wir keine Position wie die Schweiz einnehmen. Deutschland ist ein wichtiger Bestanteil der europäischen Staatenfamilie. Ohne Deutschland macht eine EU überhaupt keinen Sinn mehr. Gleichzeitig ist es natürlich sehr wichtig, sich den Fragen der Ausgestaltung der EU und über das Verhältnis der EU mit den Mitgleidsstaaten Gedanken zu machen. Ich hege auch meine Zweifel, ob die momentan regierenden Politiker sich erfolgreich dagegen stemmen, dass immer mehr Befugnisse an die EU-Institutionen abgetreten werden. Ich wende mich gegen einen zentralen EU-Haushalt und gegen eine Gemeinschaftshaftung aller EU-Länder für Schulden einzelner Länder. Viele Aufgaben der EU könnten auch wieder auf nationaler und regionaler Ebene gelöst werden. Dieser Reformprozess ist voranzutreiben.

Ich bin gegen eine Verlängerung der Legislaturperiode auf fünf Jahre. Da wir in unserer Verfassung keine direktdemokratischen Elemente besitzen, der Souverän nur durch seine Stimme bei den Bundestagswahlen direkten Einfluss nehmen kann, dürfen Legislaturperioden nicht zu lang sein. Aus verfassungsrechtlicher Sicht hat eine fünfjährige Legislaturperiode keine Berechtigung.

Die Beschränkung von Einfluss von großen Konzeren und finanzkräftigen Privatpersonen ist ein Dauerthema der politischen Disksussion. Ein wirksamer Schutz gegen zu viel Lobbyismus und Einfluss von mächtigen Wirtschaftsgruppen ist nur möglich, wenn die Regierenden, wenn die Menschen, die Positionen, inne haben, persönlich so stark, um sich solchen Einflüssen zu erwehren. Es wäre absolut wichtig, bei Versagen von Führungskräften der Wirtschaft, Verluste nicht mehr zu Verallgemeinern, sondern  die Anteilseigner und Aktionäre dafür haftbar zu machen. Es ist nicht Aufgabe der Steuerzahler, herfür aufzukommen.

Ich hoffe, meine Antworten sind für Sie entsprechend ausführlich genug.

Viele Grüße

Bernd Barutta