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Bernd Voß
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Frage von Prof. Dr. Dietrich R. •

Frage an Bernd Voß von Prof. Dr. Dietrich R. bezüglich Umwelt

Sehr geehrter Herr Voß,

aus Ihrer Pressemeldung vom 3.11.15 entnehme ich, dass Sie verbreiten, eine Ausweitung des Einsatzes von LNG (verflüssigtem Erdgas) sei unter anderem gut für die Umwelt.
Befinden Sie sich damit als grüner Abgeordneter in Übereinstimmung mit der grünen Partei?

Natürlich wissen Sie, dass der ökologische Rucksack von Erdgas durch die Verflüssigung stark ansteigt - von zusätzlichen Methan-Emissionen gar nicht zu reden.
Ist Ihnen das egal?

Dass eine Ausweitung des Erdgaseinsatzes, den die GRÜNEN meines Wissens bisher stets vermeiden wollten, in Zukunft dazu führen wird, dass Erdgas ökologisch nicht mehr besser zu bewerten ist als Steinkohle, können Sie meinem Gutachten "Erdgas - Brücke oder Sackgasse?" (abrufbar beim Zukunftsrat Hamburg) entnehmen.

Wie stellen Sie sich dazu?

Hochachtungsvoll

Prof. Dr. Dietrich Rabenstein, HCU Hamburg

Portrait von Bernd Voß
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Völker,
Sehr geehrter Herr Professor Rabenstein,
Sehr geehrter Herr Schwarz,

Danke für die Anfragen und Diskussionsbeiträge. Ich will ihnen nun endlich die ausstehende Antworten auf ihre Fragen zum Thema LNG Terminal Brunsbüttel zukommen lassen und erlaube mir, sie in einer Antwort zu formulieren.
Natürlich teile ich, als aus der Anti-AKW- Bewegung kommend, das Ziel 100 % Erneuerbare Energien. Dazu gehört für mich, dass der Weg dahin zielstrebig verfolgt werden muss. Neue, langfristige und vermeidbare Fehlinvestitionen auf dem Weg müssen vermieden werden.
Manche Zwischenschritte können dabei der reinen Lehre widersprechen. Dazu gehören auch Vorschlägen wie im Diskussionspapier von Professor Rabenstein „Erdgas als Brücke oder Sackgasse“ nach zulesen , Heizwerke statt Heizkraftwerke auf der Basis Erdgas als Übergangstechnologie für Wärmenetze zu installieren.
Ein Terminal in Brunsbüttel macht noch mittelfristig zur Diversifikation der Energieimporte Sinn. Eine unverhältnismäßige Abhängigkeit von einem Land birgt ein großes Versorgungsrisiko.
Ich sehe natürlich auch, dass es bisher bei Gas keine gesetzliche Verpflichtung einer Mindestreserve gibt. Ein wirtschaftliches Betreibermodell konnte bisher für den Betrieb eines LNG Terminals in Wilhelmshaven nicht umgesetzt werden. Dabei ist der Standort gut ins überregionale Netz anzubinden und es gibt in Hafennähe umfangreiche Möglichkeiten der Gasspeicherung in Kavernen.
Wir sind trotzdem zuversichtlich, dass sich das Terminal in Brunsbüttel wirtschaftlich betreiben lässt.

Warum ausgerechnet in LNG als fossile Energiequelle noch investieren? Der ökologische Vorteil ist das Hauptargument: Die Schifffahrt muss weltweit sauberer werden. Schweröl als Schiffstreibstoff hat ausgedient, u. a. aufgrund der gesundheitsschädlichen und klimawirksamen Emissionen wie CO2, Stickoxiden, Schwefel oder Rußpartikel.
Die Zahlen zu den gesundheitlichen Auswirkungen der genannten Abgase aus der Schifffahrt allein in Europa möchte ich an dieser Stelle nicht wiederholen. Aber vielleicht eine andere Zahl zur Dimension der Abgase aus der Schifffahrt . Die jährlichen Belastungen der Luft aus der Schifffahrt in Nordsee und Ostsee betragen mit Schwefel und Stickoxyden 1,5Millionen Tonnen im Jahr, die Emissionen des gesamten Industrie, Verkehr und Haushalten in Deutschland im gleichen Zeitraum 1,8 Millionen Tonnen.
Wegen der Umsetzung der Emissionsziele in den SECA- Gebieten der Nord- und Ostsee ab 2015 wird Besserung eintreten.
Die alleinige Abhängigkeit von Erdöl ist nicht zukunftsfähig. Antrieb durch Wind ist nur ein Teil der Antwort. Verflüssigtes Erdgas kann daher eine sehr gute Brückentechnologie in eine sauberere Schifffahrt sein. Es werden in der Schifffahrt, wie im Übrigen auch im Schwerlastverkehr und bei Bau- und Landmaschinen, weiter Treibstoffe erforderlich bleiben.

Bisher gab es beim Einsatz von LNG in der Schifffahrt noch ein sogenanntes "Henne-Ei-Problem". Das heißt, die Frage, wer investiert zuerst in die neue Technologie (Häfen und Betankungsunternehmen – oder die Reeder), fängt an sich aufzulösen. Inzwischen gibt es Beispiele, die zeigen, dass sich der LNG-Markt im Schifffahrtsbereich langsam aber stetig etabliert. Das ist eine richtige Entwicklung.
Ohne die verschiedenen Facetten der Verfügbarkeit und der effizienten Erreichbarkeit zum Bunkern des Treibstoffes bleibt die Durchsetzung neuer, sauberer Schiffstreibstoffe schwierig. Das gilt in dem Zusammenhang auch für eine Entwicklung von verbindlichen Umwelt- und Sicherheitsstandards entlang der Treibstoffkette.
Die Industrie ist erwiesenermaßen erfolgreich dabei, den sogenannten Methanschlupf an den LNG-Gasmotoren deutlich zu reduzieren. Damit kann LNG als Treibstoff in der Schifffahrt den Klimavorteil gegenüber Schweröl oder Schiffsdiesel ausbauen.
In der Energiebilanz muss natürlich die Energie für Verflüssigung und Transport berücksichtigt werden. Wenn eine Einspeisen ins Gasnetz erfolgen soll und am Standort keine freie Wärme z.B. aus Industrieprozessen zur Verfügung steht, fällt ein weiter Energiebedarf in der Kette an.
Damit wird im ökonomischen und besonders im ökologischen Vergleich zu anderen Treibstoffen nicht grundsätzlich die Entwicklung der Technik und des Energieträger LNG in Frage gestellt. Vielleicht an dieser Stelle ein Link zu einer Kurzstudie zum Thema: http://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/UI-MKS/mks-kurzstudie-lng.pdf?__blob=publicationFile
Derzeit stillen wir unseren Energiehunger auf der Welt größtenteils über Erdöl oder Kohle. Beides ist nicht klimaverträglich und Herkunftsorte, Erzeugungs- und Lieferketten werden bisher nicht bzw. nicht wirksam hinterfragt. Die Bezugsquelle von LNG muss natürlich zukünftig noch erheblich genauer hinterfragt werden.
Es ist klar, dass LNG aus dreckigem Fracking ziemlich jede Umwelt- und Klimabilanz kaputt macht. Es ist auch wichtig, davor zu warnen, dass durch zunehmendes Fracking weltweit das Preisgefüge von Gas weiter sinken kann. Eine Zunahme der Verwendung von LNG auf der Basis von gefracktem Gas hätte tiefgreifende und facettenreiche ökologische Auswirkungen.
Im bereits genannten Diskussionspapier von Herrn Rabenstein wird richtig darauf hingewiesen, dass die TTIP- Verhandlungen auch von der Sehnsucht von Teilen der Politik nach US- Frackinggas befeuert sind.
Ich gehe auch davon aus, dass TTIP und CETA noch ein weiteres Risiko bergen: Rohstoffkonzerne werden über Investitionsschutzabkommen und Regulatorische Kooperation bei uns versuchen Fracking durchzudrücken. Wie im Diskussionspapier beschrieben hat der Mechanismus der „still regulation“ während der laufenden Verhandlungen zum CETA- Abkommen 2011 dazu geführt, dass der EU –fuel-dirictive 2011 die Zähne gezogen wurden. Die Konsequenz ist, dass weiterhin PKW-Sprit hergestellt aus dreckigen kanadischen Ölsanden in der EU auf den Markt kommt.
Die Debatte um Normierung und Zertifizierung von Herkünften und qualifizierte Außenschutzmechanismen ist nicht neu. Auch bei der Einführung der Standards für Biokraftstoffe und der ILUC- Kriterien mussten wir erleben, wie wirksame Vorschläge verwässert wurden.
Das darf aber nicht dazu führen, die Instrumente der Qualifizierung von Herkünften und Stoffkreisläufen nicht weiter zu verfolgen.
Sie können ein Umweltinstrument und auch ein sozial- und entwicklungspolitisches Instrument sein. Die aktuellen Ergebnisse sind meistens noch sehr schwach. Da müssen wir dran bleiben.
Es ist aber nicht richtig zu sagen, LNG ist schlecht, weil das LNG aus Fracking kommen könnte.
Was spricht aus unserer Sicht für diesen Standort?
Und hier bin ich wieder bei der Vision 100% Erneuerbare Energien am Standort Brunsbüttel. Investitionen in eine LNG- Technik bieten grundsätzlich die Perspektive, mit Hilfe der Power- to- Gas- Technologie erneuerbares LNG zu erzeugen, d.h. aus Windstrom über Wasserstoff und Methanisierung einen regenerativ erzeugten Treibstoff zu bekommen.
Brunsbüttel, bzw. der Raum Brunsbüttel, wird sich als Energieknoten entwickeln. Hier laufen zukünftig große Teile des in Schleswig-Holstein erzeugten Onshore-Windstroms, des Offshore-Windstroms aus der deutschen Bucht und norwegischer Wasserstrom, der über das Nordlinkkabel kommt, in einem Energieknotenpunkt zusammen.
Brunsbüttel hat zweifellos regeneratives Entwicklungspotential.
Die exponierte maritime Lage an der Elbmündung und am Kanal ist klar. Die multimodale Anbindung des Standortes über Schiene, Straße und Netz für eine regionale und überregionale LNG Versorgung ist gegeben. Grundsätzlich haben die Industriebetriebe am Standort einen erheblichen Energie-, Gas- und auch Rohstoffbedarf. Darauf zu sehr zu setzen reicht nicht.
Auf die Frage der Wassertiefe, bzw. „des Schlicks vor Brunsbüttel“, kann ich antworten:
Hier bitte die Kirche im Dorf lassen. LNG-Tanker haben gewöhnlich Maße von 300m Länge und bis zu 12 Meter Tiefgang. Der Hafenstandort gibt es her.
Zu BTU und LNG: Bitte ich bei Wikipedia nachzulesen.
Zu LNG in Lübeck: Über den genauen Realisierungsstand sollten Sie sich in Lübeck informieren

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Schleswig-Holsteinischen Landtag unterstützt LNG in der Seeschifffahrt bereits seit langem, zusammen mit den anderen Landtagsfraktionen der Küstenländer sowie unser Bundestagsfraktion.
Hier als Link ein Beschluss des Landesparteitages aus Mai 2014zu Industriepolitik:
http://www.sh-gruene-partei.de/thema/energie/energiewende-bedeutet-auch-industriewende
und die Seite von Frau Dr. Wilms, MdB: http://www.valerie-wilms.de/
mit zahlreichen Fundstellen.
Persönliche Beziehung, Kontakte oder Mitgliedschaft von mir in der LNG- Plattform oder bei den Planungsträgern gibt es nicht.
Als regional zuständiger Abgeordneter habe ich natürlich wiederholt in verschiedenen Zusammenhängen Gespräche mit dem Vorsitzenden der Werkleiterrunde des Industriegebietes Brunsbüttel und dem Geschäftsführer von Brunsbüttel Ports geführt.
Aber ich verstehe es auch als meine Aufgabe, die Perspektiven der in der Region geplanten Projekte abzuwägen und politisch zu begleiten. Da komme ich eben bei LNG am Standort Brunsbüttel bei allen Risiken zu einer positiven Bewertung und der Perspektive, dass es ein Baustein zu „100 % Erneuerbare“ werden kann. Und es kann ein wichtiger Schritt für eine sauberere Schifffahrt in internationalen und europäischen Gewässern und Häfen werden.

Ich freue mich auf eine weitere spannende Diskussion zum Thema.

Bernd Voß