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Frage von Peter M. •

Frage an Bernd Scheelen von Peter M. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Scheelen,

Kontostände sind nichts anderes als Zahlungsversprechen, von denen bereits im Voraus feststeht, dass sie nicht eingehalten werden können. Vom praktischen Standpunkt her gesehen könnte man es als ungedeckten (bzw. kaum gedeckten) Scheck sehen. Wenn Sie als Privatperson einen ungedeckten Scheck ausstellen, dann fällt das unter (schweren) Betrug (StGB §147 Abs. 1). Banken machen das mit jeder Kreditgewährung. Banken haben somit das Recht zum schweren Betrug ohne Rechtsfolgen. Prof. Franz Hörmann drückt es so aus: "Es gibt ein systemisches Betrugsmodell einer Institution, der in unserem Wirtschaftssystem das Monopol zur Geldschöpfung über Kredite eingeräumt wird."

Prof. Franz Hörmann: "Wenn man Geld aus Luft erfindet und das, was vorher noch nicht existiert hat, verzinst weitergibt und dinglich absichern lässt, dann ist das, wenn das Geschäftsmodell schief geht, in Wahrheit ein Enteignungsmodell. Das ist auch der Hintergrund des Bankgeheimnisses. Banken können überhaupt nicht offen legen, wo beispielsweise die Zinsen für Sparbücher, Bausparverträge oder Sonstiges herkommen. Denn wenn sie das täten, müssten sie zugeben, dass das alles in Wirklichkeit verkettete Pyramidenspiele sind."

Wieso ist das in unserem Land möglich?
Mfg.
P.Maier

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Maier,

Sie konfrontieren mich mit Thesen von Prof. Franz Hörmann und fragen, warum so etwas in Deutschland erlaubt ist. Thematisch geht es Ihnen dabei, um die Verantwortung des Bankenhandelns für die Finanzkrise. Die Bundeskanzlerin tut hingegen meist so, als seien die Staatsschulden allein durch falsches Regierungshandeln entstanden. Die Staatsschulden sind aber ganz wesentlich, wie Sigmar Gabriel es ausgedrückt hatte, „durch den Verlustsozialismus des Bankensektors entstanden.“ Das festzustellen entbindet uns aber nicht von der Notwendigkeit zu handeln.

Die Argumentation von Prof. Hörmann kenne ich nicht gut genug, um dazu Stellung zu nehmen. Auf der Webseite des Wiener Standard, einer großen Tageszeitung der Heimatstadt von Herrn Hörmann, hat sich allerdings ein Kommentator wie folgt dazu geäußert: "Dass über die Kreditvergabe der Banken die Geldmenge ausgeweitet und Geld über diesen Multiplikatoreffekt geschaffen wird, sollte [...] bekannt sein. Deshalb gibt es ja einen so großen Unterschied zwischen M1, der Geldmenge, die mehr oder weniger von Notenbanken gesteuert werden kann, und der erweiterten Geldmenge M3. Diese Geldschöpfung durch eine Art von Magie hat schon Goethe in seinem „Faust II“ angeprangert, aber es hat noch niemand ein besseres System vorgeschlagen. Wenn Banken kein Geld schöpfen dürfen, dürfen sie Einlagen nicht ausleihen. Dann müsste jeder, der Geld anlegen will, direkt einen Schuldner suchen und ihm auf eigenes Risiko den Kredit geben. Oder noch schlimmer, wenn kein Geldkreislauf existierte, dann gäbe es keine Kredite, keine Investitionen, keine Steigerung der Produktivität, keinen Fortschritt. [...] Die Rückkehr zur Tauschwirtschaft, die Hörmann mehr oder weniger fordert, ist doch ein wenig weltfremd. Und Systeme, in denen die Geldmenge nicht flexibel ausgeweitet werden kann, wie etwa der alte Goldstandard, bremsen die wirtschaftliche Vitalität und führen immer wieder zu tiefen Rezessionen [...]. Hörmanns Thesen sind nicht ohne Grund eine extreme Minderheitenmeinung. [...] Das Problem [...] ist, dass sie von intelligenter Kritik an bestehenden Verhältnissen ablenken: von besserer Aufsicht, erhöhtem Eigenkapital, neuen Regeln für Banker-Boni. Zu dieser viel wichtigeren Debatte [trägt Prof. Hörmann] nichts bei."

Prof. Hörmann hatte ja auch das Ende des Euro für dieses Jahr prognostiziert. Dass es dazu nicht kommt, darauf müssen wir uns im Moment konzentrieren. Wir müssen unserer Verantwortung gegenüber Europa und dem Euro gerecht werden.
Über die richtigste Lösung für die Finanzkrise wird dabei ausgiebig gestritten. Ein Patentrezept hat im Moment niemand. Es gab noch keine vergleichbare Situation. Entscheidend bleibt aber „Europa braucht Deutschland. Deutschland braucht Europa“. So hatten es die Deutschen Gewerkschaften in ihrer großen Anzeigenkampagne zusammengefasst. Deshalb geht es für uns im Bundestag darum, mitzutragen, was mitzutragen vernünftig erscheint, weitergehende Schritte einzufordern und auf die Einsicht der schwarz-gelben Parlamentsmehrheit zu hoffen. Wir brauchen eine Regelung zur geordneten Abwicklung von Banken. Vonnöten ist eine Finanztransaktionssteuer. Ebenso muss Steuerbetrug besser bekämpft und eine einvernehmliche, verbindliche Regulierung der Finanzmärkte geschaffen werden.
Wir hatten im September einen Entschließungsantrag vorgelegt, der von den übrigen Fraktionen mit Ausnahme der Grünen abgelehnt wurde. Aber wir werden uns weiter dafür einsetzen, dass die Rettungsinstrumente entsprechend präzisiert werden:
- So soll kein Finanzprodukt mehr ohne Regulierung und Aufsicht sein.
- Die Vorschläge der EU-Kommission zur Verbesserung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, der Einführung des europäischen Semesters, eines Frühwarnsystems für systemische Krisen und weitere tiefere Integrationsschritte sind der richtige Weg.
- Risiko und Haftung etwa müssen durch klare Gläubigerbeteiligung im Fall von Solvenzproblemen von Staaten geregelt werden, eine Finanztransaktionssteuer eingeführt und der Finanzsektor an den Wachstumsprogrammen beteiligt werden.
- Wirtschaftlich schwache Regionen in Europa müssen besser gefördert werden. Dazu muss der Mittelabfluss der bestehenden europäischen Strukturhilfemittel vereinfacht werden.
- Flächendeckende Mindestlöhne müssen eingeführt werden.
- Die Unternehmenssteuern müssen harmonisiert werden.
- Die Sanierung eines überschuldeten Haushaltes darf nicht nur von den
Steuerzahlern getragen werden.
- Erforderlich ist schließlich ein Verbot schädlicher Finanzmarktgeschäfte mit Derivaten und Leerverkäufen und des spekulativen Handels mit Kreditausfallversicherungen.
- Aufsichtsbehörden sind entsprechend mit weitergehenden Kompetenzen auszustatten. Kreditinstitute müssen diesen Behörden frühzeitig melden, in welcher Höhe sie Verbindlichkeiten halten bzw. bei Notenbanken hinterlegt haben.

Mit freundlichen Grüßen
Bernd Scheelen