Wie bewerten Sie, dass Herr Merz angekündigt hat den Haftbefehl des IStGHs gegen den israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu ignorieren will?
Sehr geehrte Frau Bas,
Friedrich Merz hat angekündigt den israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu nach Deutschland einzuladen und dabei den Haftbefehl des IStGH zu ignorieren.
Wie bewerten Sie dies?
Insbesondere bzgl. folgender Punkte:
- Bedeutet dies nicht dass die Verfolgung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit von der Herkunft der Opfer oder der Täter abhängen?
- Lässt sich dies mit dem Grundgesetz und dem Amtseid eines Bundeskanzlers vereinbaren?
Und welchen Ratschlag geben Sie den Menschen, die argumentativ Antisemitismus entgegentreten wollen?
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen K.

Sehr geehrter Herr K.,
vielen Dank für Ihre Frage.
Wer Antisemitismus argumentativ entgegentreten will, braucht Haltung, Wissen und Zivilcourage. Es beginnt im Alltag: Wenn antisemitische Äußerungen, Vorurteile oder Verschwörungserzählungen fallen, dürfen wir nicht schweigen. Argumentieren heißt dann, ruhig, aber klar zu widersprechen, auf Fakten zu setzen und so antisemitische Narrative zu entlarven. Dafür hilft es, sich mit der Geschichte des Judentums in Deutschland und heutigen jüdischen Lebensrealitäten vertraut zu machen. Und: Wir sollten uns solidarisch zeigen. Viele Jüdinnen und Juden in Deutschland fühlen sich aktuell alleingelassen. Das geht uns alle an – als Gesellschaft insgesamt.
Was die Äußerungen von Friedrich Merz betrifft, empfehle ich Ihnen, sich direkt an ihn zu wenden. Grundsätzlich kann ich Ihnen sagen: Die Achtung und Stärkung des internationalen Strafrechts sind unverzichtbare Bestandteile einer gerechten und friedlichen Weltordnung. Deutschland unterstützt den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) uneingeschränkt und gehört zu seinen größten Beitragszahlern. Seit seiner Gründung hat die Bundesregierung die Arbeit des IStGH aktiv gefördert, um sicherzustellen, dass schwerwiegende Verbrechen gegen das Völkerrecht konsequent verfolgt werden. Die Unabhängigkeit des IStGH ist dabei von zentraler Bedeutung, und wir respektieren seine Verfahrensabläufe sowie die Entscheidungen seiner Organe. Dies gilt ausnahmslos.
Zu den erlassenen Haftbefehlen möchte ich darauf hinweisen, dass es sich hierbei nicht um Urteile handelt, sondern dass die Vorverfahrenskammer des IStGH die Rechtsgrundlage und Begründung dieser Anträge prüft. Ich bin sicher: Die kommende Bundesregierung wird die innerstaatlichen Schritte in Bezug auf eine Umsetzung selbstverständlich gewissenhaft bewerten. Hier gilt das Gebot kluger Diplomatie, demzufolge die Bundesregierung geeignete Mittel und Wege finden wird, auch in Zukunft enge Beziehungen zur israelischen Regierung zu pflegen, ohne die Autorität des IStGH zu untergraben.
Gleichzeitig möchte ich betonen, dass Israel als demokratischer Rechtsstaat mit einer starken, unabhängigen Justiz in der Lage ist, Vorwürfe hinsichtlich möglicher Völkerrechtsverstöße selbst aufzuklären. Dies steht im Einklang mit dem Komplementaritätsprinzip des IStGH, das die Zuständigkeit nationaler Gerichte betont, wenn diese entsprechende Verfahren durchführen. Diese Möglichkeit steht den israelischen Behörden jederzeit und unverändert offen.
Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass Sie selbstverständlich die Möglichkeit haben, auch auf direktem Weg mit dem Deutschen Bundestag, seinen Abgeordneten oder mir Kontakt aufzunehmen – zum Beispiel über: https://www.bundestag.de.
Mit freundlichen Grüßen
Bärbel Bas