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Frage von Steffen G. •

Frage an Annalena Baerbock von Steffen G. bezüglich Verkehr

Verkehrswende zu mehr ÖPNV ist ja schön, nur nützt mir das nichts, wenn der Bus (Oldenburg-Kiel) mit Umsteigen zur Arbeit 110 Minuten braucht, während der PKW alles in 45 Minuten schafft. Statt die Autofahrer deswegen mit Tempolimits zu bestrafen, müsste es attraktiv schnellere (und überhaupt) Schienenverbindungen geben.

Am besten ein Verkehrswegegesetz, dass den Bund verpflichtet parallel zu jeder Bundesstraße und BAB eine schnellere Regional-/S-Bahn-Verbindung zur Verfügung zu stellen, wo der Zug (am obrigen Beispiel) solch eine Strecke in 30 Minuten schaffen würde. Dann bedarf es aber einer Gesetzesänderung im Vorfeld, dass nicht jeder "besorgte" Bürger gegen so einen Schienenplan klagen darf, nur weil sich da eine Eidechse oder eine besondere Distel auf dem Weg befindet - der Bürger ist nicht deswegen besorgt, sondern wegen möglichem Wertverlust seines Grundstückes. Da sollte es die Devise geben: Schiene vor Bau?

Der zweite Punkt ist, der Versuch der Autofreien Städte: Modellstädte mit 30km/h - völliger Schwachsinn, wenn dadurch auch Busse und Bahnen ausgebremst werden. Sollte es da nicht für diese Verkehrsmittel eine Geschwindigkeitsfreiheit geben?
Wir können nicht alle Fahrrad fahren, schon gar nicht, wenn wir irgendwann mal mit einem Rollator unterwegs sind; und Regen und Sturm sind ebenso nicht Radfreundlich.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Gaede,

vielen Dank für Ihre Nachricht. Eine Verkehrswende ist nur mit einem Ausbau des ÖPNV machbar. Wichtig dafür ist eine Verkehrs- und Mobilitätspolitik, die den Fokus auf die Mobilität der Menschen legt und dabei das Auto nicht nur fokussiert. Stattdessen müssen die vielfältigen Bedürfnisse abgebildet werden, beispielsweise mit den Ausbau des ÖPNVs, dem Ausbau von Radwegen, aber auch beim Auto den Umstieg auf den Elektroantrieb. Für den Ausbau der Schiene fordern wir ein umfassendes Ausbauprogramm der Schiene für den Regionalverkehr. Dazu gehört zum einen Reaktivierungsprogramm, aber auch neue Strecken sollen untersucht werden. Dafür wollen wir beispielsweise die Bewertungsmethodik, die für die Machbarkeit solcher Strecken benötigt wird, aktualisieren und fairer gestalten. Damit die Infrastruktur- und Bauunternehmen mehr Planungssicherheit bekommen, wollen wir mit einem überjährigen Infrastrukturfonds die Finanzierung der Schiene langfristig garantieren und über 100 Milliarden Euro zusätzlich in die Infrastruktur investieren. Damit die Länder mehr Regionalverkehr bestellen können und ihre Angebote ausweiten können, werden wir die Regionalisierungsmittel erhöhen, mit denen die Länder eben solche Angebote finanzieren. In Regionen wo die Schiene (noch) nicht erreicht werden kann, wollen wir ein attraktives überregionales Busangebot schaffen, damit auch dort die Fahrzeiten mit dem ÖPNV deutlich gesenkt werden können. Wir Grüne befürworten den Ausbau der Schieneninfrastruktur (im Rahmen des Deutschlandtaktes) und alle damit verbundenen Projekte. Die Vorhaben müssen eng mit den Bürger*innen abgesprochen und geplant werden. Zentral ist, dass die Bürger*innen transparent über Ziele der Vorhaben informiert werden, das hat die Bundesregierung jedoch klar versäumt. Infrastrukturprojekte - gerade größere Neubauvorhaben - stoßen vor Ort auf viel Misstrauen. Dies liegt zum einen an der bereits hohen Belastung durch vorhandene Infrastruktur sämtlicher Verkehrsträger, zum anderen jedoch auch an den schlechten Erfahrungen der vergangenen Planung. Es ist deswegen gut, dass die Deutsche Bahn jetzt ein Verfahren gefunden hat, mit der sie transparent und gemeinsam mit den Betroffenen vor Ort Trassen plant und baut. Dies erhöht die Akzeptanz - und ohne diese können keine Infrastrukturprojekte gebaut werden. Die Erfahrung zeigt, dass vor Ort alle Parteien gegen den Neubau von Schieneninfrastruktur sind - auch die CDU und gerade auch die CSU, dies zeigt sich gut am Brennernordzulauf. Die überregionale Ebene der Grünen spricht sich jedoch klar für die Projekte aus und befürwortet dies - soweit in der Abwägung zwischen Umweltschutz, Betroffenen vor Ort und Klimaschutz durch mehr Bahnfahren der Neu- und Ausbau begründet werden kann. In Bundesländern mit grünem Verkehrsministerium bauen wir die Schiene stark aus. Baden-Württemberg schneidet in vielen Statistiken bezüglich des öffentlichen Verkehrs am besten ab. Wir haben dort eine breit angelegte Reaktivierungsstrategie mit über 20 potentiellen Strecken - auch Hessen ist hier Vorreiter.

Das Ziel Tempo 30 in Innenstädten umzusetzen hat neben dem Umweltschutz (Reduzierung von Verkehrslärm und Reduzierung von Abgasen) vor allen das Ziel mehr Verkehrssicherheit (besonders auch für Menschen, die mit Rollatoren unterwegs sind) zu. Insofern macht es keinen Sinn Busse schneller fahren zu lassen. Große Geschwindigkeitsdifferenzen zwischen den Fahrzeugen sind auf der Straße riskant, da dann schneller die Fahrzeuge in Konflikt geraten - sprich, es schneller zu Unfällen kommen kann.

Stadtbahnen, die ein eigenes Gleisbett haben könnten durchaus schneller fahren. Nach Möglichkeit sollten die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt werden. Damit Menschen nicht über die Gleise laufen. Wenn Stadtbahnen sich die Straße teilen mit den Autos, dann sollte je nach Straßensituation beurteilt werden, wie schnell sie fahren können. Auf schmalen Straßen fahren sie derzeit ja auch meist nicht schneller, als die Autos um sie herum.

Weitere Informationen finden Sie hier: https://www.gruene-bundestag.de/themen/mobilitaet

Mit freundlichen Grüßen
Team Annalena Baerbock

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