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Andreas Schmidt
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Frage von Timo S. •

Wie gedenken Sie den demografischen Schaden und Imageverlust Ihrer Kürzungspolitik (sog. "Strukturstraffung"), welche Sie der MLU im "Bernburger Frieden" auferlegt haben, zu kompensieren?

Sehr geehrte Herr Schmidt,
nun ist es soweit. Die Kürzungen kommen und damit auch der erhebliche Schaden für die Stadt Halle (Saale), welche demografisch um Jahre zurückgeworfen wird.
Jungen Menschen, unter anderem mir selbst, bleibt daher nichts weiteres übrig als dieses nun noch perspektivärmere Bundesland, in dem ich aufgewachsen bin, endgültig zu verlassen. Damit stehe ich nicht alleine. Ihr Minister sprach in der Senatsitzung von einer optimalen Größe der Uni von 14.000 Studierenden, ca. 6.000 weniger als heute. Sehen Sie nicht die Verantwortung Ihres Ministers für diese Politik, welche den ohnehin schon geschwächten Hochschulstandort Halle endgültig in die drohende Bedeutungslosigkeit verbannt. Wie gedenken Sie also den entstehenden Schaden zu kompensieren? Gibt es überhaupt Pläne? Das Land SA hat die höchste Abwanderungsquote junger Menschen in der BRD. Bei einer derartigen Politik, das liegt auf der Hand (beschlossen von ihrer Partei 2014), wird NIEMAND gerne bleiben.
MfG,

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr S.,

zunächst, die Wanderungssalden der deutschen Bundesländer bei den 18-25-Jährigen werden nicht mehrheitlich und schon gar nicht ausschließlich von Abiturientinnen und Abiturienten geprägt. Die stellen nur etwa ein Drittel der Altersjahrgänge. Das gilt auch für Sachsen-Anhalt und das gilt auch für die positiven Wanderungssalden, die Sachsen-Anhalt seit Jahren bei den 30-40-Jährigen aufweist. Die bilden nicht mehrheitlich Hochschulabsolventinnen und -absolventen ab. Der studierendenzentristische Blick nimmt bereits wenige hundert Meter vom Universitätsplatz entfernt ab. Es lohnt sich, den Weg gelegentlich auf sich zu nehmen.

Zum „Bernburger Frieden“. Der wurde niemandem auferlegt, sondern war Ergebnis einer Verständigung der Hochschulrektorenkonferenz mit der Landesregierung. Seine Umsetzung erforderte an allen Hochschulen Veränderungen. Weit mehr als das finanzielle Gerüst forderten die Veränderung der Wissenschaftslandschaft, der Ausbildungsbedarfe seitens der potentiellen Studierendenschaft und der innere Wandel der Ausbildungsstruktur in den Fächern Veränderungen von allen.

Nach 2016 hat die Kenia-Koalition auf Initiative der SPD und mit dem Wissenschaftsminister Armin Willingmann die Finanzierung der Hochschulen erheblich verbessert. Da ging es nicht mehr um eine Rückgängigmachung des „Bernburger Friedens“, sondern um die Finanzierung der Hochschullandschaft während der und nach den genannten Strukturveränderungen in neu ausgehandelten Zielvereinbarungen unter gewandelten Bedingungen. Die Stichworte lauten, Aufstockung der Grundfinanzierung der Hochschulen um 15 Mio. €, Dynamisierung der Zuschüsse und Berücksichtigung eines vollständigen Ausgleichs der Tariferhöhungen beim Personal, Zuwendung der Mittel, die das Land nicht mehr für BaFöG-Zahlungen aufwenden musste an Hochschulen und Wissenschaftslandschaft. Ich habe das bereits in einer Antwort an Sie auf eine frühere Frage detailliert und in seinen Folgen für die Einnahmen der MLU dargestellt. Noch einmal: Die MLU hat keine Kürzungen erlebt, sondern erheblich steigende Zuschüsse.

Entsprechend kann von einer Schwächung des Hochschulstandorts keine Rede sein. Die steigenden Studierendenzahlen sprechen für sich. Studierendenzahlen allein sagen jedoch weder etwas über Qualität, noch über Erfolg aus. Das gilt um so mehr für die Aussagekraft von Studienkapazitäten. Die MLU fährt in einer Reihe von Fächern „Überlast“ durch die Aufnahme von Studierenden weit über die kalkulierten und personell untersetzten Kapazitäten hinaus. Ich schätze, dieser Effekt summiert sich auf eine vierstellige Zahl von Studienfällen. Gleichzeitig hält die Universität eine vermutlich ebenfalls vierstellige Zahl von Studienplätzen vor, die über die Jahre nie besetzt werden. Es gibt eine Reihe von Studiengängen, in denen gar keine Einschreibungen stattfinden. Diese Kapazitäten zu „kürzen“ bedeutet zunächst, dass die Zahl der Studierenden sich um „Null“ mindert. Dass diese Kapazitäten existieren, signalisiert ein über Jahre verschlepptes Handlungsdefizit des Senats, das mit Geld überhaupt nichts zu tun hat. Das gilt reziprok für die jahrelange Überlast in einzelnen Fächern. Diese Überlast hat Minister Willingmann problematisiert und diese Überlast kann niemandem, der am Erfolg der Studierenden und an der inneren Qualität der Lehre Interesse hat, egal sein.

Dass die MLU offenbar 140 Studiengänge anbietet, in denen weniger als 15 Einschreibungen im Jahr stattfinden, ist für das einzelne Fach schön. Aber trotz aller Steigerung der Zuschüsse: Das Land ist nicht in der Pflicht alles zu finanzieren, was die Universität gern möchte. Grundlage der Finanzierung sind die ausgehandelten und von der Hochschulleitung akzeptierten Zielvereinbarungen.

Mit freundlichen Grüßen

Andreas Schmidt

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