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Andreas Mehltretter
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Frage von Alex B. •

Frage an Andreas Mehltretter von Alex B. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Mehltretter,

Rettungseinsätze ohne medizinische Notwendigkeit belasten zunehmend das Notfallsystem, und das nicht erst seit Bestehen der Pandemie.

Die bestehenden ambulanten Strukturen mit Bereitschaftspraxen oder dem kassenärztlichen Notdienst sind vielerorts unbekannt. Vielfach wird der Rettungsdienst nicht für akute, lebensbedrohliche Erkrankungen oder Verletzungen gerufen, sondern für Umstände, bei denen der gesunde Menschenverstand, der Hausarzt oder auch nur der Gang in die nächste Apotheke helfen würde.

Ein Defizit an im Einsatz verfügbaren Notärzten entsteht hieraus, und Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter benötigen mehr Rechtssicherheit bei der Versorgung von Patientinnen und Patienten, wobei vor allem die (General-)Delegation und das Betäubungsmittelrecht zu betrachten sind.

Wie ist Ihr Standpunkt/der Standpunkt Ihrer Partei hierzu?

Welche Schritte werden Sie unternehmen, um eine verbesserte Rechtssicherheit der Notfallsanitäter im Einsatz zu erreichen?

Wie können wir notfallmedizinische Strukturen für alle Bürger - quer durch alle Schichten - zeitgerecht, sinnhaft und zielführend reformieren, so dass jeder Hilfesuchende an die jeweils passende Stelle verwiesen werden kann, ohne den Rettungsdienst für akute, lebensbedrohliche Notfälle weiterhin zu blockieren?

Herzlichen Dank,

Alex Bentzien

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr B.,

vielen Dank für Ihre Frage.

Sie sprechen in Ihrer Mail verschiedene Probleme der Notfallversorgung an, die ich natürlich nachvollziehen kann. Ich habe aber den Eindruck, dass sich das derzeitige System mit Bereitschaftspraxen und kassenärztlichem Fahrdienst inzwischen zumindest in Bayern ganz gut etabliert hat. Wahrscheinlich ist die Bereitschaftsdienstnummer 116117 aber immer noch zu wenig bekannt.

Grundsätzlich entscheidet aber letztlich die/der Disponent*in in der Bereitschaftsdienst- oder Rettungsleitstelle, ob der Fall an den ärztlichen Bereitschaftsdienst, die Rettungssanitäter oder den Notarzt vermittelt wird. Es sollte aber geprüft werden, hier durch zusätzliche Kapazitäten, weiterentwickelte Fragenkataloge und Schulungsmaßnahmen die Präzision der Einschätzungen der Disponent*innen zu verbessern. Möglicherweise wäre es auch sinnvoll, hier erfahrene ÄrzteInnen oder NotärzteInnen einzusetzen, die durch gezielte Anamneseerhebung am Telefon die Dringlichkeit und Art des Einsatzes besser beurteilen können. Dies wird ja bereits seit längerem diskutiert und ist bisher aus finanziellen Gründen gescheitert.

Es besteht aber ja auch das Problem, dass manche Patient*innen auch Bagatellbeschwerden dramatisieren, wie mir meine Eltern, die beide Ärzte sind (mein Vater ist als niedergelassener Internist tätig, meine Mutter ist Anästhesistin, Intensiv- und Notfallmedizinerin), bestätigen. Dies ist aber wohl eher ein allgemeines gesellschaftliches Problem, dass sich schwierig politisch einfangen lässt. Möglicherweise helfen Aufklärungskampagnen – eine Gebühr für die Beanspruchung des Bereitschaftsdienstes/Rettungsdienstes mit den bekannten Gegenargumente, wie sie hin und wieder diskutiert wird, lehne ich ab, weil sie dazu führt, dass finanziell Schwächere eventuell lebensnotwendige medizinische Versorgung nicht anfordern. Auch die wieder abgeschaffte Praxisgebühr hatte ja ihre Steuerungsfunktion verfehlt.

Die rechtlichen Grundlagen der Notfallsanitäter*innen im Einsatz wurden ja erst Anfang dieses Jahres durch eine Gesetzesänderung des Notfallsanitätergesetzes angegangen. Das Gesetz bezieht sich auf „lebensgefährliche Zustände“ oder die Vermeidung von „wesentlichen Folgeschäden“. Hier gibt es sicherlich einen Graubereich im Einzelfall, sodass für bessere Rechtssicherheit eine Präzisierung sinnvoll wäre.

Zur Frage der Opiatgabe durch NotfallsanitäterInnen: Dies ist eine Frage, die meiner Meinung nach nicht ich als Politiker beantworten kann, sondern die fachlich entschieden werden muss.
Nach Auskunft meiner Eltern ist die Gabe von Opiaten durch NotfallsanitäterInnen im Einzelfall sinnvoll, allerdings unter bestimmten Voraussetzungen. Die Ausbildung muss dafür so gestaltet werden, dass die Notfallsanitäter*innen im Umgang mit Notfallmedikamenten (nicht nur Opiaten) auf „ärztliches Niveau“ gebracht werden (Indikation, Dosierung, Alternativen) und auch Komplikationen (z.B. Ateminsuffizienz nach Opiatgabe) sicher behandelt werden können. Ihrer Einschätzung nach kann darin ein erfahrener NotfallsanitäterIn tatsächlich „fitter“ sein als ein*e Notarzt/ärztin beim ersten Einsatz. Obige Fähigkeiten gehören aber zur Kernkompetenz eines/r Notarzt/ärztin (unabhängig von seiner/ihrer Erfahrung), und er/sie haftet für die getroffenen Maßnahmen. Umgekehrt wäre diese rechtliche Verantwortung dann natürlich auch für Notfallsanitäter*innen zu fordern. Diese Kompetenzen können durch eine entsprechende Ausbildung und Einarbeitung auch von Notfallsanitäter*innen erlangt werden.
Hier sollte eine Arbeitsgemeinschaft aus Vertretern des nichtärztlichen Rettungsdienstes und der betroffenen ärztlichen Fachgesellschaften klare Richtlinien und Vorgaben für Ausbildung, Prüfung, Anzahl der Einsätze mit Maßnahmen (z. B. Intubation) unter notärztlicher Kontrolle erarbeiten.

Mit freundlichen Grüßen
Andreas Mehltretter

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