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Frage von Thomas E. •

Frage an Andrea Wicklein von Thomas E. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Wicklein,

ich beziehe mich auf Ihren Beitrag vom 15.05.2008 und Ihren Eindruck, dass durch Lissabon "die EU nicht ... militarisiert" werden soll.

Warum wird dann das nicht so klar formuliert, sondern ist nur im Gesamteindruck abwägbar?
Ich vermute, dass die meisten EU-Bürger keine weitere Militarisierung möchten. Bitte setzen Sie sich für eine Veränderung des Vertrages, hin zu einer deutlichen Formulierung, ein. Ansonsten kann ich Ihren Worten leider keinen Glauben schenken.
Ich vermute, dass die EU weiterhin den Militärhaushalt (wir sind uns ja offenbar einig, dass "Verteidigungs"haushalt ein Begriff von gestern ist) steigern wird. Es wird ja auch von einer "militärischen Sicherung von Rohstoffen und Handelswegen" gesprochen.
Warum wollen Sie Ihrem Wahlkreis das nicht so klar sagen, dass die EU sich darauf vorbereitet, künftig Angriffskriege (auch wenn man sie nicht so nennt) zu führen?

Bitte gehen Sie auch nochmal auf die Frage zur Todesstrafe ein.

Freundliche Grüße
Thomas Ehrlich

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Ehrlich,

vielen Dank für Ihre kritischen Fragen zum Vertrag von Lissabon. Die vielen Fragen auf abgeordnetenwatch.de und in persönlichen Gesprächen zeigen mir, dass die EU auf diesem Feld wesentlich stärkere Aufklärungsarbeit leisten muss.

In Art. 222 Abs. 1 der Konsolidierten Fassung des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) heißt es "Die Union und ihre Mitgliedstaaten handeln gemeinsam im Geiste der Solidarität, wenn ein Mitgliedstaat von einem Terroranschlag, einer Naturkatastrophe oder einer vom Menschen verursachten Katastrophe betroffen ist."

Das Bestreben einer gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist schon seit vielen Jahren ein Ziel der EU. Dies findet auch Ausdruck im gegenwärtigen Vertrag von Nizza in Art. 17. Dort heißt es in Absatz 1 "Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik umfasst sämtliche Fragen, welche die Sicherheit der Union betreffen, wozu auch die schrittweise Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik gehört, die zu einer gemeinsamen Verteidigung führen könnte, falls der Europäische Rat dies beschließt. Er empfiehlt in diesem Fall den Mitgliedstaaten, einen solchen Beschluss gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften anzunehmen."

In Absatz 2 werden zudem "humanitäre Aufgaben und Rettungseinsätze, friedenserhaltende Aufgaben sowie Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung einschließlich friedensschaffender Maßnahmen" eingeschlossen.

Mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bekennen sich die Mitgliedsländer zu einer friedlichen Zukunft und zum Schutz der Menschenrechte. Die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik verfolgt das Ziel eines Ausbaus des Krisenmanagements und der Konfliktvermeidung auf internationaler Ebene und leistet somit einen Beitrag zum Erhalt des Friedens und der internationalen Sicherheit gemäß der Charta der Vereinten Nationen. Der Vertrag von Lissabon setzt diese Auffassung fort und benennt die Sicherung und Förderung von Frieden als eindeutiges Ziel. Die Achtung der Menschenwürde, die Wahrung der Menschenrechte und die Förderung von Frieden und des Wohlergehens der Völker sind die Grundsätze des Vertrags von Lissabon der Europäischen Union.

Zur Todesstrafe findet sich im 13. Protokoll zur Europäischen Menschrechtskonvention der Entschluss zur vollständigen Abschaffung der Todesstrafe. Die Abschaffung der Todesstrafe ist unmittelbarer Bestandteil der EU-Politik. Denn die Würde des Menschen und das Recht auf Leben sind unteilbar. Unter der deutschen EU-Präsidentschaft hat sich Deutschland deshalb für die konsequente Umsetzung der EU-Leitlinien gegen die Todesstrafe eingesetzt mit einem "Aktionsplan Todesstrafe" die Grundlage für eine Resolution gegen die Todesstrafe in der Generalversammlung der Vereinten Nationen gelegt. Diese Resolution wurde durch die Generalversammlung am 20. Dezember 2007 angenommen. Die Ächtung der Todesstrafe durch die EU bezieht sich auch auf militärische Konflikte.

Ihre Befürchtung einer Militarisierung der EU kann ich nicht teilen. Ich hoffe, dass Sie Ihre Auffassung nach meiner Darstellung der Grundsätze des Handelns der EU überdenken werden.

Mit freundlichen Grüßen
Andrea Wicklein