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Alexander Funk
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Frage von Gerd S. •

Frage an Alexander Funk von Gerd S. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Funk,

laut Abgeordnetenwatch haben Sie der Verlängerung der AKW Laufzeiten zugestimmt.

In der Antwort auf die Anfrage von Frau Müller schreiben Sie, dass Sie durchaus Bedenken bezüglich einer sicheren Lagerung der radioaktiven Abfälle teilen. Ein paar Zeilen weiter schreiben Sie dann, daß Sie absolut sicher sind, dass sich für dieses Problem in Zukunft eine Lösung finden wird.

Ihr Vertrauen in allen Ehren-was macht Sie dann so sicher, dass sich nicht auch eine Lösung gefunden hätte, innerhalb der von der rot-grünen Regierung vereinbarten Restlaufzeit Alternativen zur Kernenergie zu finden um den heute prognostizierten Energiebedarf zu decken? Und könnte dieser Bedarf nicht auch geringer ausfallen? Wären nicht regenerative Energien und Strategien zur Energieeinsparung, welche unter dem Druck eines rascheren Atomausstiegs entwickelt werden ein Marktvortiel und Exportschlager? Ließen sich so nicht auch Arbeitsplätze schaffen und sichern?

Nochmals - ganz ohne Sarkasmus - gefragt: mit bzw. von welchen Fachleuten haben Sie sich zu diesem Thema beraten bzw. beraten lassen? Mit welchen Kosten wird in Schätzugen dieser Fachleute die Lagerung des radioaktiven Mülls veranschlagt und wer trägt diese Kosten ? Die Energiekonzerne oder das Gemeinwesen?

Halten Sie das Argument "Energie muß bezahlbar bleiben" nicht für vorgeschoben? Welches Interesse sollte ein Energieversorger (wie bspw. Eon) haben, wenn plötzlich die Kunden anfragen mit Mini-Blockheizkraftwerken, Windkraft- oder Photovoltaikanlagen Energie dezentral zu erzeugen? Ein ganzes Geschäftsmodell würde sich in Luft auflösen.

Wie Sie zum Thema Bürgerentscheide darlegen denken Ihrer Meinung nach Betroffene kurzfristig nur an Ihre eigenen Interessen und nicht ans Gemeinwohl.
Meine Meinung: Auch Sie denken nicht weiter als eine Legislaturperiode. Sie opfern das Gemeinwohl Interessen, über die ich hier nicht spekulieren möchte. Sonst nennen Sie das tendenziös.

mit freundlichen Grüßen
Gerd Schaaf

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Schaaf,

wie gewohnt danke ich Ihnen für Ihre Frage auf Abgeordnetenwatch; gewiss erwarten Sie keine vorgefassten Textbausteine, sondern eine persönliche Antwort. Daher bitte ich Sie um Verständnis, dass angesichts der Komplexität des Themas und der Vielzahl anderer Bürgeranfragen, gerade auch per Brief und Mail, meine Antwort etwas auf sich warten ließ.

Wir alle stehen unter dem Eindruck der schrecklichen Katastrophe in Japan, die, wie Sie wissen, auch die hiesige Diskussion um die friedliche Nutzung der Kernenergie nicht unberührt gelassen hat. Um es auch noch einmal zu betonen: Für die Existenz von über 90 Kernkraftwerken in ganz Europa sind, da sind wir uns wohl einig, weder ich noch meine jungen Kollegen gleich welcher Partei verantwortlich zu machen. Konsens besteht ferner (ganz im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern) ebenfalls in der Frage, dass ein Neubau von Kernkraftwerken in Deutschland nicht in Frage kommt und ebenso in der Überzeugung, dass die jetzt existierenden Kraftwerke ‚Auslaufmodelle‘ sind. Auch der rot-grüne Atomausstieg sah ja im übrigen einen jahrelangen Weiterbetrieb vor. Das Energiekonzept der Bundesregierung basierte maßgeblich auf einer schrittweisen und nach wie vor ambitionierten Ersetzung der Kernenergie und fossiler Energie durch erneuerbare Energien; ein Umstand der gerne in Vergessenheit gerät.

Unabhängig von der Frage, welche Laufzeit man zu Grunde legt, bleibt die von Ihnen richtig benannte Problematik bestehen: Wer durch das Abschalten von Kernkraftwerken Strom verknappt, hat zwei Optionen: Er fördert und forciert den Ausbau erneuerbarer Energien (bzw. kauft Strom aus dem Ausland an) – oder er spart Strom ein. Nur ein Zweiklang aus Einsparung und Erschließung neuer Energiequellen scheint tatsächlich nachhaltig zu sein. Ein Ankauf aus dem Ausland ist im übrigen genau das Szenario, vor dessen Hintergrund die Debatte um die Kernenergie schnell scheinheilig wird: Man beruhigt dann hier vor Ort sein eigenes Gewissen und importiert Atomstrom aus Kraftwerken, die oftmals nur ein paar Kilometer hinter der Grenze liegen. In diesem Sinne: Es geht gar nicht so sehr darum, regenerative Alternativen zu finden, wie Sie schreiben: Diese sind ja bekannt und werden massiv gefördert auch mit staatlichem Geld und Vergünstigungen: Es geht um die Frage, wie schnell diese Alternativen umgesetzt werden können und eine dauerhafte Ersetzung der Kernenergie gewährleisten. Bereits jetzt lässt sich annehmen: Ein schnellerer Ausstieg aus der Kernenergie wird zu steigenden Strompreisen führen – und wohl auch zu manchen Debatten vor Ort, wenn massiv Windräder, Biogasanlagen, Photovoltaikfelder errichtet werden. Manchem ‚Gutmenschen‘, der mit Kernenergie nichts zu tun haben möchte, behagt auch freilich der Windpark vor der eigenen Haustür nicht wirklich. Davon kann jeder Kommunalpolitiker ein Lied singen.

Nun aber zu Ihren spannenden Fachfragen zu Kosten der nuklearen Entsorgung: Unabhängig von Laufzeiten und der Stellung zur Kernenergie ist die Lagerung von Atommüll ein unabweisbares Problem für uns alle: Wir können nicht ignorieren, dass wir seit den 70er Jahren nukleare Abfälle produzieren und ebenso wenig die Verantwortung dafür delegieren. Auch hier weise ich gerne nochmals darauf hin, dass ich nur schwer persönlich für die Existenz von nuklearem Abfall verantwortlich bin.

Im gesamten nuklearen Brennstoffkreislauf (Bergbau, Anreicherung, Brennstoffherstellung, Betrieb und Rückbau von Kraftwerken; Zwischenlagerung) fallen radioaktive Reststoffe verschiedener Art an. Konkrete Forschungen beschäftigen sich insbesondere mit der Lagerung im Untergrund und versuchen zu klären, in welchen geologischen Formationen eine langfristige Isolierung am sichersten gelingt. Sie haben natürlich dahingehend recht, dass eine Einschätzung zum Kosten-Nutzen-Verhältnis der Kernenergie nur vor der Hintergrund der Lagerungs- und Entsorgungskosten (oder zumindest deren Prognose) realistisch sein kann. Auch wirtschaftlich seriös lässt sich diese Frage nur insoweit beantworten, wenn ein konkretes Endlagerungskonzept vorliegt und die Details der technischen Strategie bekannt sind. Je nach Standort – auch je nach multinationaler Beteiligung können die Kosten variieren, nach oben und nach unten und auch unabhängig von den technischen Unwägbarkeiten, die aufgrund der fehlenden Erfahrung mit Endlagerungen verbunden sind.

Zurecht fragen Sie nach grundlegenden Informationen und Quellen der Einschätzung: Insbesondere die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) stellt in ihren Publikationen relevante Informationen zur Verfügung: Vor allem die Berichte OECD-NEA 1993 und OECD NEA 1999 befassen sich detailliert mit Kostenfaktoren von radioaktivem Abfall; ein weiterer Bericht OECD –NEA stellt den nuklearen Brennstoffzyklus insgesamt ins Zentrum seines Interesses. Wichtig für unsere Problematik sind insbesondere die Regelungen im Atomgesetz, das in § 9a Abs.1 klar feststellt, dass die Kosten für die Verwertung der Reststoffe von den Betreibern (und nicht von der Allgemeinheit!) zu leisten sind. Wiederum Abs. 2 präzisiert, dass dazu ein sog. Entsorgungsvorsorgenachweis zu erbringen ist, das heißt, die Betreiber müssen durch Rückstellungen bereits jetzt Vorsorge für Lagerungskosten treffen. Nach diesem Gesetz erhebt der Bund Gebühren für Anträge, Genehmigungen und Überprüfungen der Endlager, wobei die laufenden Kosten der Endlagerung dadurch gedeckt werden sollen. Zusätzlich aber zu den Betriebskosten werden aber nach &21b die im Vorfeld und im Zuge der Errichtung anfallenden Kosten auch im Rahmen von Vorausleistungen von den Betreibern erbracht. Wie Sie sehen, ist auch das Verursacherprinzip durchaus juristischer und parteipolitischer Konsens. Nach diesem Prinzip haben nach aktuellen Informationen die vier großen Stromkonzerne (Bundestagsdrucksache 17/1866) zur Zeit Rückstellungen in Höhe von 27,5 Milliarden Euro gebildet. Wichtig ist hierbei, dass die gesetzliche Regelung eindeutig ist: Auch höhere Kosten sind von den Betreibern zu decken.

Rückbaukosten entstehen nach diesem Verursacherprinzip freilich auch dem Bund selbst: Für von bundeseigenen Forschungseinrichtungen betriebene Reaktoren werden Beträge zwischen 28 Mio. € (Hahn-Meitner-Institut) geschätzt, der Standort Dresden-Rossendorf markiert mit geschätzten 430 Mio.€ einen Höchstwert.

Für die häufig genannten Endlager Asse und die Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe ist mit Kosten in Höhe von ca. 2 Milliarden Euro bzw. 638 Mio.€ zu rechnen. In der Zukunft wird sich das Interesse darauf richten, ob und in welchem Umfang der Salzstock in Gorleben für die Endlagerung geeignet ist. Gerne halte ich Sie dazu – sei es über Abgeordnetenwatch oder per direktem Mailkontakt, gerne auf dem Laufenden. Noch ein kurzes Wort zu Ihrem Verdacht, ich ließe mich nur von kurzfristigen Überzeugungen und politischem Kalkül bis zur Wahl leiten: Falls Sie nicht nur die Kernenergiedebatte verfolgen, sondern auch die Euro-Krise, wissen Sie, dass ich gegen ‚meine Regierung‘ stimme und die Milliardenbürgschaften als einer von wenigen Kritikern aus fester Überzeugung ablehne.

Unabhängig von Ihren Spekulationen über meine Interessen hoffe ich, Sie als Ihr Wahlkreisabgeordneter wieder ausführlich informiert zu haben und grüße Sie freundlich,

Ihr Alexander Funk, MdB