Berlin, 28.05.2025 – Das Bundesfinanzministerium hat nach einer Klage von abgeordnetenwatch.de zwölf Textnachrichten zwischen dem damaligen Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Porsche-Chef Oliver Blume aus dem Sommer 2022 herausgegeben. Die sogenannten Porschegate-SMS belegen, wie Lindner und der Autolobbyist beim Thema E-Fuels Hand in Hand agierten – und Blume sich wiederholt für Lindners Einsatz bedankte.
Die Textnachrichten zwischen Lindner und dem Porsche-Vorstandsmitglied finden Sie hier
Lara Louisa Siever, verantwortlich für Kampagnen und politischen Dialog bei abgeordnetenwatch.de, hält das Urteil und die Herausgabe der Textnachrichten für „einen Meilenstein für die demokratische Kontrolle“. “Die freigeklagten SMS belegen: Der ehemalige Finanzminister und der Porsche-Chef haben beim Thema E-Fuels gemeinsame Sache gemacht. In einer Demokratie darf sich Politik nicht zum Erfüllungsgehilfen wirtschaftlicher Interessen machen. Was es jetzt dringend braucht, ist eine gesetzlich verpflichtende Kontakttransparenz, durch die offengelegt wird, wer wann mit wem zu welchem Thema Kontakt hat. Denn eine solche Einflussnahme darf nicht länger im Verborgenen bleiben.“
Im Juni 2022 bat Lindner den damaligen Porsche-Chef Oliver Blume per Textnachricht um Rückendeckung für seine E-Fuels-Position. Er bezog sich auf eine dpa-Meldung über das geplante Verbrennerverbot und schrieb: „Vielleicht wäre auch eine andere Stimme ratsam, die auf das Potential von E-Fuels hinweist? Ich kann da durchaus argumentative Unterstützung gebrauchen.“ Blume antwortete: „Lieber Herr Lindner, volle Unterstützung von Porsche Seite [sic]. Letzten Freitag war ich damit in der FAZ. Wir legen nochmal nach. Vielen Dank für Ihren Einsatz.“
In einer weiteren Nachricht schreibt Blume, es wäre falsch, jetzt die Tür für E-Fuels zu schließen und dankte dem Minister ein weiteres Mal für dessen Einsatz. Porsche hat geschäftliche Interessen beim Thema E-Fuels – der Konzern ist an einer Produktionsstätte in Chile beteiligt.
Siever ergänzt: “Wenn ein Regierungsmitglied aktiv bei einem Lobbyisten um argumentative Unterstützung wirbt – und von diesem für seinen Einsatz persönlich gelobt wird –, ist das ein fatales Signal für die politische Unabhängigkeit.”
Weitere Textnachrichten zwischen Lindner und Blume beziehen sich auf den Ursprung der Porschegate-Affäre. Das ZDF-Satiremagazin Die Anstalt berichtete im Juli 2022, Blume habe sich intern damit gebrüstet, dass Lindner ihn während der Koalitionsverhandlungen „fast stündlich auf dem Laufenden gehalten“ habe. In einer SMS an Lindner widerspricht Blume dieser Darstellung: “Eine derartige Aussage habe ich nicht gemacht.” Und: „Wir haben keinen Einfluss auf den Koalitionsvertrag genommen.”
Die Veröffentlichung der Textnachrichten ist das Ergebnis eines mehrjährigen Rechtsstreits zwischen abgeordnetenwatch.de und dem Bundesfinanzministerium (BMF). Im August 2022 beantragte abgeordnetenwatch.de auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) und des Umweltinformationsgesetzes (UIG) Zugang zu den Textnachrichten. Das Finanzministerium verweigerte dies – unter anderem mit Verweis darauf, die Nachrichten seien nicht aktenrelevant. Daraufhin klagte abgeordnetenwatch.de vor dem Verwaltungsgericht Berlin und erhielt mit Urteil vom 27. März 2025 Recht (VG 2 K 60/23). Nach Auffassung des Gerichts überwiegt das öffentliche Interesse an Transparenz gegenüber dem Interesse von Lindner und Blume am Schutz ihrer personenbezogenen Daten – insbesondere, weil die Kommunikation Rückschlüsse auf Näheverhältnisse zwischen Regierung und Lobbyisten zulässt.
Hintergrund zur Porschegate-Affäre:
Kurz vor einer EU-Ministerratssitzung Ende Juni 2022, bei der über ein Zulassungsverbot von Verbrennungsmotoren abgestimmt wurde, tauschten Lindner und Blume vier Textnachrichten aus. Die Bundesregierung stimmte letztlich entsprechend der FDP-Position: Verbrennungsmotoren bleiben ab 2035 erlaubt, sofern sie mit synthetischen E-Fuels betrieben werden. Dies entspricht auch den Interessen von Porsche – der Konzern ist an einem E-Fuel-Projekt in Chile beteiligt.
Wenige Wochen nach der Abstimmung berichtete die ZDF-Satiresendung "Die Anstalt", Blume habe bei einer internen Betriebsversammlung gesagt, Porsche habe einen „sehr großen Anteil“ daran, dass E-Fuels in den Koalitionsvertrag aufgenommen wurden. Man sei „mit ganz engem Kontakt mit den Koalitionsparteien“ Haupttreiber gewesen; Lindner habe ihn „fast stündlich auf dem Laufenden gehalten“. Dieser Darstellung widersprechen Lindner und der Autokonzern.
Nach Ausstrahlung der Sendung am 19. Juli 2022 kommunizierten Lindner und Blume über die Berichterstattung. Die acht Nachrichten sowie die vier SMS von vor der EU-Abstimmung mussten aufgrund des Gerichtsurteils nun vom Bundesfinanzministerium an abgeordnetenwatch.de herausgegeben werden.
Hintergrundartikel zu den nun veröffentlichten Textnachrichten: