wir fordern ja oft, Politik müsse transparenter sein. Eine neue Aktion von abgeordnetenwatch.de zeigt nun erstmals die persönliche Transparenz-Bereitschaft von weit mehr als 1.200 Kandidierenden zur Bundestagswahl. Wie Sie herausfinden, ob Politiker:innen aus Ihrem Wahlkreis die eigenen Lobbytreffen offenlegen oder sich für ein Verbot von Konzernspenden einsetzen – das erfahren Sie im folgenden Newsletter. Außerdem: Großspenden zweier Discounter füllen die Wahlkampfkassen einer Partei. Und: In einer neuen Folge unseres Podcasts "Unter der Lupe" beleuchten wir den schwierigen Spagat der Abgeordneten zwischen Wahlkreis und Hauptstadt.
Die Themen in der Übersicht:
- Diese Kandidierenden geben ein öffentliches Transparenz-Versprechen ab – und diese nicht
- An ihren Taten sollt ihr sie messen!
- +++ Großspenden-Ticker: Hohe Überweisungen von Woolworth, TEDI, DVAG +++
- Recherche: Vermögende und Wirtschaft füllen Wahlkampfkassen wie nie zuvor
- In Kürze: abgeordnetenwatch.de im ZDF | Transparenz-Appell von 53 Organisationen | Neuer Pflichtverstoß
- Afghanistan-Evakuierung und Epidemische Lage: So stimmten Ihre Abgeordneten
- Neue Podcast-Folge: Der Spagat zwischen Wahlkreis und Berlin
- Fragen und Antworten des Monats: Digitalisierungs-Nachhilfe | Honig-Wette | Köfte-Konsum
Der am häufigsten geklickte Link im letzten Newsletter war der unseres Frageportals zur Bundestagswahl
Diese Kandidierenden geben ein öffentliches Transparenz-Versprechen ab - und diese nicht

© | Fred PO / CC BY-SA 2.0 |
Wie transparent werden sie persönlich sein, wenn sie in den Bundestag gewählt werden? Und für welche Transparenz-Gesetze werden sie sich dann einsetzen? Eine neue Aktion von abgeordnetenwatch.de zeigt nun, von wem wir Wähler:innen ein transparentes Handeln erwarten können. Mehr als 1.200 Direktkandidierende zur Bundestagswahl haben mitgemacht, die allermeisten von ihnen gaben eine Selbstverpflichtung ab.
Beteiligt haben sich auch zahlreiche bekannte Politiker:innen. FDP-Chef Christian Lindner etwa lehnte alle Transparenzforderungen ab und will sich zum Beispiel nicht für die Veröffentlichung von Lobbykontakten in einem Lobbyregister einsetzen. Die Spitzenkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, gab zumindest für bestimmte Punkte eine Selbstverpflichtung ab: Die Einnahmen und Ausgaben als Abgeordnete wolle sie zwar offenlegen und ein Verbot von Unternehmensspenden an Parteien vorantreiben. Ihre Lobbytreffen will Baerbock dagegen nicht transparent machen. Linken-Chefin Janine Wissler gab ein Transparenzversprechen für alle fünf vorgegebenen Punkte ab.
Die Spitzenkandidaten von Union und SPD, Armin Laschet und Olaf Scholz, sind bislang eine Antwort schuldig geblieben.
Transparenzversprechen: Diese Kandidierenden geben eine Selbstverpflichtung ab
(Hintergrundseite mit durchsuchbarer Tabelle und Statistiken)
Haben Sie Fragen an die Direktkandidierenden in Ihrem Wahlkreis? Einfach PLZ eingeben und eine:n Kandidierenden anklicken: Zum Wahlportal auf abgeordnetenwatch.de
Zu den anstehenden Landtagswahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern können Sie über unser Frageportal ebenfalls alle Direktkandidierenden erreichen.
An ihren Taten sollt ihr sie messen!

© | picture alliance / ZB | Britta Pedersen |
Halten wir fest: Mehr als 1.200 Politiker:innen haben eine Selbstverpflichtung abgegeben - sie wollen sich für strengere Transparenz-Gesetze einsetzen und persönlich mit gutem Beispiel vorangehen. Das ist großartig!
Viele dieser Kandierenden werden nach dem 26. September im Deutschen Bundestag sitzen, als Vertreter:innen von uns allen. Dann wird sich zeigen, was ihre Selbstverpflichtungen, ja was ihre Wahlversprechen tatsächlich wert sind. Werden neu gewählte Abgeordnete einer künftigen Regierungskoalition tatsächlich ihre Lobbytreffen offenlegen, wie sie es uns Wähler:innen jetzt versprochen haben? Werden sich die Politiker:innen für ein Verbot von Konzernspenden einsetzen, auch wenn ihre Partei davon in der Vergangenheit profitiert hat?
Wir alle werden nach der Bundestagswahl ein wachsames Auge haben müssen. Sie, liebe Leser:innen, indem Sie Ihre Abgeordnete mit möglichen Widersprüchen konfrontieren und Rechenschaft einfordern. Und wir von abgeordnetenwatch.de werden die Parlamentarier:innen mit Recherchen und öffentlichkeitswirksamen Aktionen dazu drängen, strenge Lobbygesetze und Transparenzpflichten zu beschließen. Das wird nur dann geschehen, wenn es einen öffentlichen Handlungsdruck auf unsere Abgeordneten gibt!
Helfen Sie uns dabei, diesen Handlungsdruck herzustellen - für eine saubere Politik ohne Lobbyismus im Geheimen! Werden Sie Förder:in von abgeordnetenwatch.de. Dies geht bereits ab 5 Euro im Monat, ihr Förderbeitrag ist steuerlich absetzbar.
+++ Großspenden-Ticker: Hohe Überweisungen von Woolworth, TEDI, DVAG +++
Gleich fünf Parteien haben in den vergangenen Tagen und Wochen hohe Spendeneinnahmen beim Bundestag gemeldet.
FDP:
- 250.000 Euro von Hans Georg Näder, Unternehmer (Otto-Bock-Gruppe)
- 100.000 Euro von der Woolworth GmbH (Discounter)
- 100.000 Euro von der TEDI GMBH & Co. (Discounter)
- 100.000 Euro von Ralph Dommermuth, Unternehmer (United Internet/1&1)
- 100.000 Euro von von André Kolbinger, Unternehmer (wallstreet:online)
- 51.000 Euro von Fritz Seikowsky, Unternehmer (Rothgordt & Cie.)
- 50.000,01 Euro von der Mähren AG (Immobilien)
CDU:
- 250.000 Euro von Hans-Georg Näder, Unternehmer (Otto-Bock-Gruppe)
- 100.000 Euro von Ralph Dommermuth, Unternehmer (United Internet/1&1)
- 75.000 Euro von Martin Herrenknecht, Unternehmer (Herrenknecht AG)
- 60.000 Euro von der TRUMPF GmbH + Co. KG (Maschinenbau)
Grüne:
- 100.000 Euro von der Deutsche Vermögensberatung AG
SPD:
- 100.000 Euro von der Deutsche Vermögensberatung AG
dieBasis:
- 59.270 Euro von der Bode Immobilien GmbH + Co. KG
Eine Großspende muss unverzüglich auf der Internetseite des Bundestages veröffentlicht werden, wenn sie über 50.000 Euro liegt. Zahlungen unterhalb dieser Schwelle werden erst mit großer Verzögerung in den Rechenschaftsberichten der Parteien öffentlich – Spenden aus dem laufenden Superwahljahr höchst wahrscheinlich also erst 2022.
Vermögende und Wirtschaft füllen Wahlkampfkassen wie nie zuvor

© | Pixabay |
Die bevorstehende Bundestagswahl mobilisiert auch Konzerne und vermögende Privatpersonen: Bereits in den ersten neun Monaten haben sie den Parteien mehr Geld aus Großspenden beschert als in allen bisherigen Jahren – bis zum jeweiligen Jahresende, wohlgemerkt. Das zeigen Recherchen von abgeordnetenwatch.de und SPIEGEL. Im laufenden Wahlkampf führt das zu einer gewaltigen finanziellen Schieflage – doch die größten Profiteure wollen auf den Geldsegen nicht verzichten.
Vermögende und Konzerne füllen Wahlkampfkassen wie nie zuvor
Der SPIEGEL berichtet über die Ergebnisse unserer Auswertung in seinem Onlineportal: Einnahmen im Superwahljahr: Parteien verzeichnen Großspendenrekord
Großspenden an Parteien begrenzen und Lobbyspenden verbieten! Wenn Sie mit uns der Meinung sind, dass Parteien keine Spenden aus der Wirtschaft erhalten dürfen, zeichnen Sie jetzt unsere Petition. Über 130.000 Menschen haben bereits mitgemacht.
In Kürze: abgeordnetenwatch.de im ZDF | Transparenz-Appell von 53 Organisationen | Neuer Pflichtverstoß
- abgeordnetenwatch.de bei ZDF-Aspekte: Unsere Kollegin Clara Helming hat in der ZDF-Sendung Aspekte für strengere Lobbyregeln geworben. "Politiker:innen haben die Pflicht, Vertrauen herzustellen. Misstrauen entsteht, wenn man das Gefühl hat, etwas geschieht im Geheimen, im Hinterzimmer." Union und SPD hatten kürzlich im Bundestag ein unzureichendes Lobbyregister beschlossen, in dem unter anderem keine Lobbykontakte veröffentlicht werden müssen. Zur Aspekte-Sendung mit dem Schwerpunkt "Transparenz" (Interview mit unserer Kollegin ab Minute 27:25)
- Transparenz-Appell von 53 Organisation an die Politik: Zusammen mit weiteren Organisationen hat abgeordnetenwatch.de in dieser Woche einen dringenden Appell an die Politik gerichtet. Es brauche endlich eine Lobby-Fußspur für alle Gesetze, eine Begrenzung von Parteispenden sowie eine Offenlegung von Lobbykontakten. Das Bündnis, in dem unter anderem der Verbraucherzentrale Bundesverband, Wikimedia und Foodwatch mitwirken, war von LobbyControl initiiert worden. Zur Kampagnenseite
- Berichte über neuen Pflichtverstoß durch Abgeordnete: Zahlreiche Medien haben eine Veröffentlichung von abgeordnetenwatch.de zu einem weiteren Pflichtverstoß durch eine Bundestagsabgeordnete aufgegriffen. Vergangenen Montag hatten wir via Twitter publik gemacht, dass Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) jüngst eine Sonderzahlung ihrer Partei über mehrere tausend Euro nachgemeldet hatte. Die frühere Grünen-Chefin hatte das Geld bereits 2013 erhalten. Zum Bericht des Tagesspiegel
Afghanistan-Evakuierung und Epidemische Lage: So stimmten Ihre Abgeordneten

© | Foto: Deutscher Bundestag/Achim Melde |
In einer Sondersitzung hat der Bundestag am vergangenen Mittwoch über zwei wichtige Anträge abgestimmt. Die Abgeordneten billigten rückwirkend die Entsendung von Soldat:innen der Bundeswehr nach Afghanistan, die dort Evakuierungsflüge durchgeführt hatten. Beschlossen wurde außerdem der "Fortbestand der epidemischen Lage von nationaler Tragweite". Dadurch erhält der Bund besondere Befugnisse in der Corona-Pandemie, etwa zum Erlass von Rechtsverordnungen und Anordnungen.
Wie die Abgeordneten abstimmten, erfahren Sie hier:
Neue Podcast-Folge: Der Spagat zwischen Wahlkreis und Berlin

© | abgeordnetenwatch.de |
Seit vier Jahren sitzt Josephine Ortleb (SPD) im Bundestag und führt - wie alle Bundestagsabgeordneten - eine Art Doppelleben: Sitzungswochen mit diversen offiziellen Terminen, dann wieder Feuerwehrfest und Bürger:innen-Sprechstunde im Wahlkreis.
Im Gespräch erzählt sie, warum einige Freund:innen sie nicht mehr zum Geburtstag einladen, sie ihre Arbeit im Wahlkreis aber dennoch als sehr bereichernd empfindet.
Hören Sie hier Folge 6 unseres Podcasts mit Josephine Ortleb
Alle zwei Wochen erklären Bundestagsabgeordnete in unserem Podcast "Unter der Lupe", wie die parlamentarischen Prozesse und das Leben im Bundestag laufen oder wie sie zu Themen wie Nebeneinkünften, Parteispenden und Lobbyismus stehen. Die insgesamt acht Folgen erscheinen jeden zweiten Mittwoch bis zur Bundestagswahl und sind auf allen Podcast-Plattformen verfügbar.
Bisher erschienen:
- Folge 1: Gesetze, und wie sie entstehen – mit Kerstin Griese (Parlamentarische Staatssekretärin im Arbeitsministerium)
- Folge 2: Die Arbeit im Ausschuss – mit Petra Pau (Bundestagsvizepräsidentin)
- Folge 3: Abstimmungen im Parlament – mit Patrick Schnieder (CDU/CSU) und Katharina Dröge (Grüne)
- Folge 4: Lobbyismus und Korruption - mit Britta Haßelmann (Grüne)
- Folge 5: Parteispenden: muss das sein? - mit Konstantin Kuhle (FDP)
Fragen und Antworten des Monats
- Digitalisierungs-Nachhilfe | Um Nachhilfe beim Thema Digitalisierung bittet der ÖDP-Bundestagskandidat Harald Vauks einen Fragesteller. Von dessen Frage zum Thema "Open Source-Software" in der Verwaltung sei er überfordert, gesteht Vauks ein. "Ihrer Frage ist zu entnehmen, dass Sie auf diesem Gebiet ein Fachmann sind, dessen Expertise ich gerne in Anspruch nehme, um meinen Horizont erweitern zu können. Darf Ich Sie kontaktieren, wenn ich Fragen zur Digitalisierung der öffentlichen Hand habe?"
- Honig-Wette | Der Grüne Bundestagsabgeordnete Oliver Krischer bietet einem Fragesteller eine Wette an: "Ich setze 5 Gläser Bundestagsblüte (Honig der Bundestagsbienen/siehe auch oliver-krischer.eu/bienen), dass es zu einem Tempolimit auf Autobahnen von 130 km/h kommt, wenn die Grünen der nächsten Bundesregierung angehören." Der Fragesteller hatte Krischer vorgeworfen, die Grünen würden ihre Wahlversprechen am Ende nicht einlösen.
- Köfte-Konsum | Gefragt danach, wie sich der Kampf gegen den Klimawandel mit "regelmäßigem Genuss von Fleisch aus Massentierhaltung" in einem Berliner Imbiss in Einklang bringen lässt, antwortet der Bundestagskandidat Martin Neise (Linkspartei): "Der Klimawandel hat systemische Ursachen und muss systemisch bekämpft werden." Individueller Konsum sei davon nur ein Aspekt. "Ein leckerer Köfte hier und da muss drin sein."
Haben auch Sie Fragen an die Kandidierenden zur Bundestagswahl oder den Abgeordneten in den Landtagen oder dem EU-Parlament? Hier geht es zur Fragemöglichkeit auf abgeordnetenwatch.de:
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