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Die Sache mit dem leeren Kühlschrank: Ein Lobbyist erzählt im TV, wie er Abgeordnete beeinflusst

Ob ein Abgeordneter hungrig ist, ist für Lobbyisten offenbar nicht ganz unwichtig. In einer TV-Talkshow berichtete kürzlich ein Interessenvertreter, warum er Parlamentarier regelmäßig zum Frühstück ins Bundestagsrestaurant einlädt: Frühmorgens hätten sie Zeit und seien aufnahmefähig.

von Martin Reyher, 16.04.2015

Manche Dinge klingen eher nach einem Scherz als nach ernsthaftem Kalkül, zum Beispiel die Sache mit dem leeren Abgeordneten-Kühlschrank. Kürzlich saß der Interessenvertreter Dr. Dr. h.c. Peter Spary in der Talkrunde von Markus Lanz und plauderte dort munter aus dem Lobbyistenleben.

Lobbyist Peter Spary: "Die Abgeordneten treffen wir (...) bei einem Frühstück, das kann man auch schon um 8 Uhr im Reichstagsrestaurant machen. Das bewährt sich, denn der Abgeordnete reist nach Berlin und da ist der Kühlschrank leer."

Lanz: "... und Sie laden den zum Frühstück ein...?!"

Spary: "Ja, natürlich. (...) Man lädt zum Frühstück. Das hat sich immer mehr bewährt, weil die Abgeordneten da Zeit haben, weil sie munter sind, ausgeschlafen sind, aufnahmefähig sind."

Was Spary da launig vortrug, meinte er offenkundig völlig ernst: Ob ein Politiker für einen Interessenvertreter - im doppelten Wortsinne - zugänglich ist, liegt mitunter an solch profanen Dingen wie einem leeren Kühlschrank in einer Abgeordnetenwohnung.

Wenn jemand weiß wie erfolgreiches Lobbying geht, dann der redegewandte Inhaber der Lobbyagentur SNC Spary Network Communication. Seit Jahrzehnten im Geschäft, versucht Spary Politik im Interesse von derzeit nicht weniger als 28 Verbänden, Organisationen und Staaten zu beeinflussen: von der Daunen & Feder-Assoziation über Usbekistan bis zur deutschen Brandschutzindustrie.

In der ZDF heute-show hatte Spary mal einen unfreiwilligen Auftritt

Dabei macht er kein Geheimnis aus seinem Einflüsterjob hinter den dicken Reichstagsmauern. Vor einiger Zeit hatte Spary schon einmal einen - wenn auch unfreiwilligen - Fernsehauftritt: Einem Außenreporter der ZDF heute-show war er auf dem Weg zum Bundestag vor die Kamera gelaufen, wo er dann bereitwillig aus seinem Alltag berichtete: wie er "die Jungs" im Parlament mit guten Impulsen versorgt, ihre Restaurantrechnungen begleicht oder griffige Argumentationshilfen zu Parlamentsreden beisteuert.

Wäre da nicht der auskunftsfreudige Dr. Spary - die Öffentlichkeit wüsste noch viel weniger über Interessenvertreter und ihre Arbeitsweise. Für den Berliner Politikbetrieb ist das Thema Lobbyismus derart delikat, dass beispielsweise die Fraktionen öffentlich nicht einmal mit den Namen von Lobbyisten in Zusammenhang gebracht werden wollen.

Seit einiger Zeit arbeitet abgeordnetenwatch.de daran, eine Liste derjenigen Lobbyvertreter zu erstellen, die mit Bewilligung der Bundestagsfraktionen einen Hausausweis zum Parlament erhalten haben - und damit ungehinderten Zugang zum Bundestagsrestaurant, den Fraktionstrakten oder den Abgeordnetenbüros. Während Linke und Grüne ihre Lobbykontakte auf abgeordnetenwatch.de-Anfrage freiwillig herausgaben, weigern sich Union und SPD bis heute beharrlich.

Lobbyverband vermittelt Beraterverträge an Politiker

Auch die Bundestagsverwaltung deckt die Lobbyisten. Eine abgeordnetenwatch.de-Anfrage auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes wurde von den Parlamentsbeamten abgelehnt, wogegen wir inzwischen juristisch vorgehen. Mit unserer Klage gegen den Deutschen Bundestag vor dem Berliner Verwaltungsgericht wollen wir erreichen, dass die Lobbykontakte - insbesondere die von CDU/CSU und SPD - endlich an die Öffentlichkeit kommen.

Es steht zu vermuten, dass unter den Hausausweisinhabern Vertreter von allerlei fragwürdigen Organsisationen sind. Da gebe es zum Beispiel einen Verein für Wettbewerbswirtschaft, so verriet einmal ein früherer Abgeordneter, und der vermittele Beraterverträge an Politiker. „Wenn eine Firma ein Problem hat, dann kann sie so einen Berater ansprechen, mich zum Beispiel“, sagte er laut eines Protokolls, das vor einiger Zeit eine Sozialforscherin ausgegraben hatte und aus dem vergangene Woche STERN-Reporter Hans-Martin Tillack ebenfalls zitierte. Wenn er selbst „keine Ahnung habe“ von einem Problem, so der Ex-Parlamentarier weiter, dann wende er sich an den Verband für Wettbewerbswirtschaft, denn dort seien „die ganzen Politiker drin“.

Beim "Verband für Wettbewerbswirtschaft" handelt es sich ganz offenkundig um den Verein zur Förderung der Wettbewerbswirtschaft (VFW). Dessen Geschäfte leitet: Dr. Dr. h.c. Peter Spary, der freundlich auftretende Lobbyist aus dem Fernsehen.

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Der Lobbyist aus der heute-show und sein direkter Draht zu "den Jungs" aus dem Bundestag

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