Wie Unternehmen die Parteien unerkannt mit Millionen sponsern

Gerade einmal vier Großspenden seit Januar: Für die Parteien könnte es das schlechteste Jahr seit langem werden. Doch Unternehmen und Lobbyverbände haben ihre Zuwendungen an die Parteien nicht etwa eingestellt, sondern tarnen sie nur besser. Durch völlig überteuerte Werbeanzeigen in den Mitgliederzeitschriften der Parteien und horrende Standmieten auf Parteitagen wechseln Millionenbeträge die Seite – als Betriebsausgaben lassen die sich sogar von der Steuer absetzen.

von Martin Reyher, 19.09.2014

Für ein Unternehmen ist das Bekanntwerden seiner Großspende an eine politische Partei geradezu geschäftsschädigend – schließlich bringt sie dies schnell in den Ruch der Korruption. Viele haben daraus offenbar Konsequenzen gezogen.

Seit einigen Jahren ist zu beobachten, dass bei den Parteien immer weniger Großspenden von mehr als 50.000 Euro eingehen. Für diese gelten besondere Transparenzregeln: Parteien müssen sowohl den Betrag als auch den Namen des Geldgebers publik machen – und zwar unverzüglich.

2010 gab es noch 25 solcher Zuwendungen, 2011 waren es 20, ein Jahr später nur noch 13. In dieser Zeit hatten Organisationen wie abgeordnetenwatch.de und Lobbycontrol damit begonnen, immer wieder öffentlich auf die Zahlungen aus der Wirtschaft an CDU, CSU, FDP, SPD und Grüne hinzuweisen (die Linke hat bislang noch keine Großspende von Unternehmen erhalten). Dass die Zahl der besonders hohen Spenden 2013 dann plötzlich auf 31 anstieg, war ein in Wahljahren üblicher Sondereffekt.

In diesem Jahr könnte es nun einen neuen Tiefststand bei den einträglichen Zuwendungen geben: Gerade einmal vier Spenden oberhalb der 50.000 Euro-Grenze haben die Parteien in den ersten neun Monaten erhalten. Die Zuwendungen stammen von den Treuesten der Treuen ihrer Wirtschafts-Freunde: BMW, Daimler und dem Metall- und Elektroverband NRW.

Es wäre allerdings naiv anzunehmen, Unternehmen und Interessenverbände hätten aufgehört, Geld in das politische System zu schleusen. Vielmehr haben sich die Zuwendungen an die Parteien in ein Schattenreich verlagert, was aus Sicht der Wirtschaft gleich zwei Vorteile bietet: die Gelder fließen 1. vollkommen im Verborgenen und sind 2. auch noch als Betriebsausgaben steuerlich absetzbar – im Gegensatz zu Parteispenden.

Die Zauberformel lautet: Politsponsoring. Auf diskretem Wege lassen sich so Millionen aus der Wirtschaft auf Parteikonten transferieren, ohne dass es die Öffentlichkeit mitbekommt.

Methode 1: Schnittchen, Sekt und überteuerte Standmieten

Wenn Volkswagen, Porsche und Co. jedes Jahr im September bei der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt ihre neuesten Fahrzeuge präsentieren, kostet sie ein Messestand dort 150 Euro pro Quadratmeter (Angabe von 2012).

Verglichen mit den Standmieten, die CDU, SPD und Grüne auf ihren Parteitagen verlangen, ist das ein allerdings ziemlicher Schnäppchenpreis. 2012 deckte das ARD-Magazin Monitor auf, was Unternehmen und Lobbyverbände den Parteien zahlen müssen, um sich auf deren Parteitagen mit einem Stand zu präsentieren: Bei der CDU waren es seinerzeit etwa 250 Euro pro Quadratmeter, die Grünen verlangten 275 Euro, die SPD gar 320 Euro - mehr als doppelt so viel wie die Publikumsmesse IAA mit ihren fast eine Million Besuchern. Allein Volkswagen dürfte der SPD beim Parteitag 2011 rund 70.000 Euro an Standmiete in die Parteikasse gespült haben, schätzt Monitor. Als Spende müsste die SPD dies sofort veröffentlichen, als Sponsoring dagegen: nie.

[Nachtrag vom 24.9.2014: Die Grünen veröffentlichen Einkünfte aus Standmieten seit 2012 auf freiwilliger Basis. Die aktuellsten Angaben stammen von der Bundesdelegiertenkonferenz im Februar 2014 in Dresden.]

Methode 2: Anzeigenpreise - teurer als beim SPIEGEL
Sie heißen Vorwärts oder Bayernkurier und sind für die Parteien eine sprudelnde Geldquelle. Wie SPIEGEL oder STERN lassen sich auch SPD, CSU & Co. Anzeigen in ihren Mitgliederzeitschriften teuer bezahlen. Nach Monitor-Recherchen kostete 2012 eine Anzeige im SPD-Blatt Vorwärts 39 Euro pro tausend Exemplare. Das allerdings ist noch vergleichsweise moderat im Vergleich zur politischen Konkurenz: Die Grünen verlangten 94 Euro pro tausend Exemplare, die CDU 300 Euro.

Geradezu absurd mutet der Werbepreis im CSU-Mitgliederblatt Bayernkurier an: 346 Euro pro tausend Exemplare müssen Kunden dort für eine ganzseitige Anzeige zahlen, laut Monitor sechsmal so viel (!) wie beim Nachrichtenmagazin SPIEGEL. (Wegen der höheren Gesamtauflage ist eine SPIEGEL-Anzeige insgesamt deutlich teurer). Nach Angaben des ARD-Politimagazins spülen Anzeigen alleine der CSU 1,7 Millionen Euro pro Jahr aufs Parteikonto - gut verborgen vor den Augen der Öffentlichkeit.

Weder Einkünfte aus überteuerten Anzeigen noch aus Standmieten auf Parteitagen tauchen in öffentlichen Statistiken auf, geschweige denn die Namen der großzügigen Sponsoren. In den Rechenschaftsberichten der Parteien werden Sponsoringerträge unter dem Posten "Einnahmen aus Veranstaltungen, Vertrieb von Druckschriften und Veröffentlichungen und sonstiger mit Einnahmen verbundener Tätigkeiten" erfasst. Rund 34,1 Mio. Euro kassierten CDU, CSU, FDP, SPD, Grüne und Linke im Jahr 2012 aus diesem undurchsichtigen Mischposten, das entspricht etwa 8 Prozent ihrer Gesamteinnahmen. Wie viel davon auf die aus Mondpreisen erzielten Sponsoringeinnahmen entfallen, ist nicht nachzuvollziehen.

Für den renomierten Parteienrechtler Martin Morlock von der Universität Düsseldorf ist klar: Bei den überteuerten Anzeigen und Standmieten handelt es sich um "verdeckte Parteispenden", sagte er im Interview mit dem ARD-Politmagazin.

Weil die diskreten Geldflüsse aus der Wirtschaft an die Parteien in absehbarer Zeit nicht versiegen dürften, lässt sich der Rückgang bei den offiziellen Großspenden für CDU, SPD & Co. leichter verschmerzen. Auch bei den nächsten Parteitagen werden Lobbyisten wieder Mondpreise für ihre Stände zahlen. Und dass Parteien künftig auf lukrative Anzeigen in ihren Mitgliederpostillen verzichten, ist nicht bekannt.

Was hält Ihr Wahlkreisabgeordneter von dem intransparenten Parteiensponsoring? Fragen Sie auf abgeordnetenwatch.de nach.


Forderungen für eine saubere Politik 

Parteien erhalten ausreichend Mittel durch ihre Mitglieder, die staatliche Parteienfinanzierung und Spenden von Privatpersonen. Jede Zahlung eines Unternehmens oder eines Verbandes an eine Partei in Form von Spenden oder Sponsoring lässt eine Gegenleistung der Partei an das Unternehmen vermuten, im Fall des Sponsorings ist dies sogar gesetzlich vorgeschrieben. Die Politik wird dadurch korrumpiert, der Wettstreit der besten Argumente zwischen Bürgerinnen und Bürgern verzerrt. Wir fordern deswegen das Verbot von Parteienunterstützung durch Unternehmen und Verbände, also sog. juristische Personen. 

Das muss jetzt geschehen:

Wir sind realistisch und wissen, dass unsere Forderung noch weit davon entfernt ist, im Bundestag und bei den Parteien mehrheitsfähig zu sein. Jetzt muss aber zumindest Transparenz in die undurchsichtige Parteienfinanzierung durch Unternehmen kommen. Deswgen fordern wir, dass diese Sofortmaßnahmen unverzüglich angegangen werden:

  1. Sponsoring transparent machen! Einkünfte aus Standmieten, Anzeigen o.ä. müssen mit dem Namen des Sponsors sowie der Höhe des Betrages öffentlicht gemacht werden. Die Grünen haben das in der vergangenen Wahlperiode versucht, doch der Gesetzentwurf versandete im zuständigen Innenausschuss.
  2. Sponsoringzahlungen begrenzen! Bei einer Standmiete auf einem Parteitag in Höhe von 70.000 Euro steht Geldleistung und Gegenwert in keinem angemessenen Verhältnis. Um mit solchen Phantasiepreisen Schluss zu machen, dürfen Sponsoringzahlungen an Parteien künftig nicht mehr in unbegrenzter Höhe erfolgen.
  3. Parteispenden transparenter machen! Großspenden ab 50.000 Euro müssen unverzüglich auf der Bundestagshomepage veröffentlicht werden - für niedrigere Spendensummen gilt das allerdings nicht, auch wenn sie das Gros der Parteispenden ausmachen. Um das Stückeln von Spenden zu erschweren, müssen Zuwendungen schon ab einer Summe von 10.000 Euro zeitnah im Internet veröffentlicht werden.

Der Monitor-Beitrag als Video:

 

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Deutschland ignoriert erneut Transparenzvorgaben des Europarates bei der Parteienfinanzierung

 

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