Entzieht dem Bundestagspräsidenten die Aufsicht über die Parteispenden! (Kommentar)

Wenn eine Partei eine illegale Spende annimmt, ist das ein Fall für den Bundestagspräsidenten: Er ist der oberste Spendenprüfer und legt das Strafmaß bei Verstößen fest. Doch dass er über seine eigene Partei richten muss wie kürzlich bei der Frankfurter CDU, ist ein schlechter Scherz. Und nun kommt auch noch Wolfgang Schäuble. Ein Kommentar.

von Martin Reyher, 02.11.2017
Foto Wolfgang Schäuble

Der Fall der illegalen Aserbaidschan-Spende an die Frankfurter CDU zeigt wieder einmal, dass die Prüfung der Parteienfinanzierung in den falschen Händen liegt – nämlich in denen des Präsidenten des Deutschen Bundestages. Dass der oberste Spendenkontrolleur unter Umständen den Verstoß seiner eigenen Partei untersuchen und ahnden muss, ist in etwa so, als würde ein Schiedsrichter ein Spiel des FC Bayern München pfeiffen, der zugleich Bayern-Mitglied ist.

Bislang konnte niemand dem bisherigen Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU) nachweisen, bei der Prüfung von fragwürdigen CDU-Spenden zugunsten seiner eigenen Mannschaft entschieden zu haben. Doch allein die Gefahr, dass bei einem überparteilichen Parlamentspräsidenten die Objektivität seines Urteils in Zweifel gezogen werden kann, sollte Anlass zum Handeln sein. Am lautesten forderte dies übrigens Norbert Lammert selbst – doch insbesondere bei seiner eigenen Fraktion ist er damit immer auf taube Ohren gestoßen. (Die lässt sich übrigens auch nicht vom Europarat beeindrucken, der seit langem von Deutschland mehr Unabhängigkeit bei der Überwachung der Parteienfinanzierung verlangt.)

Ausgerechnet Schäuble!

Foto Wolfgang Schäuble
Bankentag 2017 | Foto: Gregor Fischer | CC BY 2.0

Nun ist Wolfgang Schäuble, Lammerts Nachfolger*, für die Kontrolle der Parteifinanzen zuständig. Wann immer er in Zukunft eine fragwürdige Parteispende zu prüfen hat, wird es heißen: Ausgerechnet Schäuble! Der Mann, der einst im Hinterzimmer von einem Waffenlobbyisten eine 100.000 DM-Barspende entgegennahm, die später spurlos verschwand.

Dass künftig ein Beteiligter an einem der größten und bis heute nicht annähernd aufgeklärten Parteispendenskandal die Aufsicht über die Parteienfinanzierung haben wird, ist ein schlechtes Signal. Bereits jetzt ist die Bundestagsverwaltung ein Hort der Intransparenz. Eine Liste mit den Lobbykontakten der Fraktionen gab sie beispielsweise erst nach einer von abgeordnetenwatch.de angestrengten Transparenzklage heraus. Derzeit läuft ein weiteres Gerichtsverfahren, mit dem wir die Offenlegung von internen Prüfberichten zu Parteispenden erreichen wollen. Das Berliner Verwaltungsgericht hat uns Anfang des Jahres in allen Punkten Recht gegeben, gegen das Urteil ist der Bundestag jedoch in Berufung gegangen.

Die Prüfung der Parteifinanzen darf nicht länger in den Händen eines Parteipolitikers liegen. Deswegen sollten die neu gewählten Abgeordneten eine neutrale und überparteiliche Person dafür einsetzen: einen Transparenz- und Lobbybeauftragten.

Update 11. November 2017:

Die Stuttgarter Zeitung zitiert heute aus diesem Kommentar. Anlass: Eine Parteispenden-Sammelaktion der baden-württembergischen CDU – ausgerechnet zum Geburtstag von Wolfgang Schäuble.

Stuttgarter Zeitung: Wolfgang Schäuble als Spendenkontrolleur - Der lange Schatten der hundert hässlichen Männer


* Norbert Lammert hat inzwischen eine Anschlussverwendung gefunden. Der frühere Bundestagspräsident wurde zum neuen Kurator in der RAG-Stiftung ernannt. Für seine Arbeit dort erhält er nach Medienberichten mehr als 30.000 Euro pro Jahr. Schon während seiner Zeit im Bundestag erhielt Lammert Geld von der RAG. Sein Aufsichtsratsposten bei der RAG-Aktiengesellschaft, die der RAG-Stiftung gehört, wurde in den vergangen vier Jahren mit 120.000 bis 200.000 Euro vergütet.

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