Neue Hausausweisliste

Diese 218 Lobbyorganisationen haben ungehinderten Zugang zum Bundestag

Vertreter:innen von 218 Lobbyorganisationen können Dank eines Hausausweises im Bundestag ungehindert ein- und aus gehen. Dies geht aus einer aktuellen Liste hervor, die die Parlamentsverwaltung auf Antrag von abgeordnetenwatch.de herausgegeben hat. Die begehrten Zugangskarten beantragten unter anderem mehrere Lobbyverbände der Rüstungs-, Pharma- und Immobilienwirtschaft.

von Martin Reyher, 16.04.2021
Bundestagsgebäude

Eine Liste mit allen Lobbyorganisationen finden Sie am Ende des Artikels


Als 2016 die Zugangsregeln für Lobbyist:innen zum Bundestag verschärft wurden, kam das bei einigen gar nicht gut an. Ein Interessenvertreter klagte über einen "Vertrauensentzug" vonseiten der Politik, ein PR-Berater empörte sich: "Wer glaubt, dadurch den Krieg gegen den ach so bösen, bösen Lobbyismus gewonnen zu haben, irrt gewaltig."

Die Aufregung war deshalb so groß, weil der Bundestag – als Folge einer Klage von abgeordnetenwatch.de – hunderten Interessenvertreter:innen den Hausausweis entzogen hatte. Unternehmen, Lobbyagenturen und Rechtsanwaltskanzleien können seitdem keine der begehrten Zugangskarten mehr beantragen. Dies ist nur noch Verbänden, Vereinen und anderen Organisationen wie Gewerkschaften oder Stiftungen möglich.

Den Verlust ihres Hausausweises dürften Konzerne verschmerzen – aus mindestens zwei Gründen

Inzwischen hat sich nicht nur die Empörung gelegt, auch die Zahl der ausgestellten Ausweise ist seit Jahren rückläufig. Verfügten bis zur Zugangsverschärfung 2016 noch 1.103 Interessenvertreter:innen über einen ungehinderten Zugang zum Parlament, waren es 2020 nur noch 764. In diesem Jahr ist Zahl der ausgestellten Ausweise – vermutlich pandemiebedingt – auf gerade einmal 296 gesunken. Dies ergibt sich aus einer aktuellen Hausausweislistemit 218 Organisationen, die die Bundestagsverwaltung auf Antrag von abgeordnetenwatch.de nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) herausgeben musste.

Dass Unternehmen inzwischen keine Lobbyist:innen mehr mit einem Jahresausweis in den Bundestag schicken können, dürften diese aus mindestens zwei Gründen verschmerzen. Zum einen gibt es auch außerhalb des Parlaments unzählige Örtlichkeiten, die sich für den ungestörten Austausch mit Abgeordneten anbieten. Zum anderen werden die Anliegen der Konzerne auch weiterhin innerhalb des Bundestages vertreten. Denn hinter zahlreichen Interessenverbänden, die über eine Zugangskarte verfügen, stehen namhafte Unternehmen. Einige Beispiele:

  • Der Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie vertritt unter anderem die Interessen der Rüstungskonzerne Rheinmetall, Krauss-Maffei Wegmann oder Diehl.
  • Der Bundesverband Investment und Asset Management macht sich bei den Abgeordneten im Bundestag für BlackRock, JP Morgan und mehrere Immobiliengesellschaften wie Patrizia oder Quantum stark.
  • Hinter dem Verband Forschender Arzneimittelhersteller stehen unter anderem die Pharmaunternehmen Biontech, Pfizer, AstraZeneca, Sanofi und Roche.
  • Der Zentrale Immobilien Ausschuss betreibt bei den Parlamentarier:innen Lobbyarbeit für Immobilienkonzerne wie Accentro, Deutsche Wohnen und Vonovia.

Das Problem ist nicht, dass Organisationen Lobbyarbeit betreiben, sondern dass es intransparent geschieht

Über einen Hausausweis verfügen außerdem zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen, darunter die Arbeiterwohlfahrt, der Naturschutzbund NABU oder der Deutsche Musikrat. Auch die Gewerkschaften verdi und Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) stehen auf der Hausausweisliste, ebenso kirchliche Vertreter wie das katholische Hilfswerk Misereor.

Interessenvertretung ist ein wichtiger Bestandteil einer Demokratie – auf diese Weise können Anliegen aus der Zivilgesellschaft, aber auch von Unternehmen, in die Politik getragen werden. Das Problem mit der Lobbyarbeit ist deswegen nicht, dass Organisationen ihre Anliegen bei den Abgeordneten vortragen, sondern dass dies vollkommen intransparent geschieht. Ob Abgeordnete sich ausschließlich die Argumente von Akteuren aus einer Richtung anhören und sich auf dieser Grundlage eine Meinung bilden, wird mit den derzeitigen Transparenzregeln nicht sichtbar. Kürzlich beschlossen Union und SPD zwar ein Lobbyregister, bei dem aber ein wichtiges Element fehlte: Die Pflicht zur Veröffentlichung von Kontakten zwischen Lobbyakteuren und politischen Entscheidungsträger:innen. So viel Transparenz wollten die GroKo-Fraktionen dann doch nicht.

Bei einem Immobilienverband sitzt der Lobbyist im Parlament – als Abgeordneter

In einigen Fällen spielt es am Ende auch keine Rolle mehr, ob eine Organisation über einen Hausausweis verfügt. Der Lobbyverband Haus & Grund etwa, der sich für die Interessen von Haus- und Grundeigentümer:innen einsetzt, besitzt zwar eine Zugangskarte, doch die wäre gar nicht erforderlich. Denn die Organisation hat im Bundestag seit Jahren einen eigenen Lobbyisten als Abgeordneten sitzen. Dem CDU-Politiker Michael Hennrich zahlt Haus & Grund jeden Monat bis zu 3.500 Euro – als Cheflobbyist des Landesverbandes Baden-Württemberg.

Welche Lobbyorganisationen verfügen über einen Hausausweis? Nachfolgend finden Sie die komplette Liste mit allen 218 Verbänden, Vereinen und Organisationen, die zum 10. März 2021 bis zu zwei Hausausweise für den Bundestag hatten (ausgestellt wurden Ausweise an insgesamt 296 Interessenvertreter:innen). Um einen Ausweis beantragen zu können, muss sich eine Organisation zunächst in einer öffentlichen Verbändeliste des Bundestages registrieren.

(Unter Umständen müssen Sie die nachfolgende Tabelle "Interessenorganisationen mit Hausausweisen für den Deutschen Bundestag" zunächst aktivieren)

Mitarbeit: Josephine Andreoli

Vorkommende Politiker:innen

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