Eine Liste mit allen Lobbyorganisationen finden Sie am Ende des Artikels
Als 2016 die Zugangsregeln für Lobbyist:innen zum Bundestag verschärft wurden, kam das bei einigen gar nicht gut an. Ein Interessenvertreter klagte über einen "Vertrauensentzug" vonseiten der Politik, ein PR-Berater empörte sich: "Wer glaubt, dadurch den Krieg gegen den ach so bösen, bösen Lobbyismus gewonnen zu haben, irrt gewaltig."
Die Aufregung war deshalb so groß, weil der Bundestag – als Folge einer Klage von abgeordnetenwatch.de – hunderten Interessenvertreter:innen den Hausausweis entzogen hatte. Unternehmen, Lobbyagenturen und Rechtsanwaltskanzleien können seitdem keine der begehrten Zugangskarten mehr beantragen. Dies ist nur noch Verbänden, Vereinen und anderen Organisationen wie Gewerkschaften oder Stiftungen möglich.
Den Verlust ihres Hausausweises dürften Konzerne verschmerzen – aus mindestens zwei Gründen
Inzwischen hat sich nicht nur die Empörung gelegt, auch die Zahl der ausgestellten Ausweise ist seit Jahren rückläufig. Verfügten bis zur Zugangsverschärfung 2016 noch 1.103 Interessenvertreter:innen über einen ungehinderten Zugang zum Parlament, waren es 2020 nur noch 764. In diesem Jahr ist Zahl der ausgestellten Ausweise – vermutlich pandemiebedingt – auf gerade einmal 296 gesunken. Dies ergibt sich aus einer aktuellen Hausausweislistemit 218 Organisationen, die die Bundestagsverwaltung auf Antrag von abgeordnetenwatch.de nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) herausgeben musste.
Dass Unternehmen inzwischen keine Lobbyist:innen mehr mit einem Jahresausweis in den Bundestag schicken können, dürften diese aus mindestens zwei Gründen verschmerzen. Zum einen gibt es auch außerhalb des Parlaments unzählige Örtlichkeiten, die sich für den ungestörten Austausch mit Abgeordneten anbieten. Zum anderen werden die Anliegen der Konzerne auch weiterhin innerhalb des Bundestages vertreten. Denn hinter zahlreichen Interessenverbänden, die über eine Zugangskarte verfügen, stehen namhafte Unternehmen. Einige Beispiele:
- Der Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie vertritt unter anderem die Interessen der Rüstungskonzerne Rheinmetall, Krauss-Maffei Wegmann oder Diehl.
- Der Bundesverband Investment und Asset Management macht sich bei den Abgeordneten im Bundestag für BlackRock, JP Morgan und mehrere Immobiliengesellschaften wie Patrizia oder Quantum stark.
- Hinter dem Verband Forschender Arzneimittelhersteller stehen unter anderem die Pharmaunternehmen Biontech, Pfizer, AstraZeneca, Sanofi und Roche.
- Der Zentrale Immobilien Ausschuss betreibt bei den Parlamentarier:innen Lobbyarbeit für Immobilienkonzerne wie Accentro, Deutsche Wohnen und Vonovia.
Das Problem ist nicht, dass Organisationen Lobbyarbeit betreiben, sondern dass es intransparent geschieht
Über einen Hausausweis verfügen außerdem zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen, darunter die Arbeiterwohlfahrt, der Naturschutzbund NABU oder der Deutsche Musikrat. Auch die Gewerkschaften verdi und Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) stehen auf der Hausausweisliste, ebenso kirchliche Vertreter wie das katholische Hilfswerk Misereor.
Interessenvertretung ist ein wichtiger Bestandteil einer Demokratie – auf diese Weise können Anliegen aus der Zivilgesellschaft, aber auch von Unternehmen, in die Politik getragen werden. Das Problem mit der Lobbyarbeit ist deswegen nicht, dass Organisationen ihre Anliegen bei den Abgeordneten vortragen, sondern dass dies vollkommen intransparent geschieht. Ob Abgeordnete sich ausschließlich die Argumente von Akteuren aus einer Richtung anhören und sich auf dieser Grundlage eine Meinung bilden, wird mit den derzeitigen Transparenzregeln nicht sichtbar. Kürzlich beschlossen Union und SPD zwar ein Lobbyregister, bei dem aber ein wichtiges Element fehlte: Die Pflicht zur Veröffentlichung von Kontakten zwischen Lobbyakteuren und politischen Entscheidungsträger:innen. So viel Transparenz wollten die GroKo-Fraktionen dann doch nicht.
Bei einem Immobilienverband sitzt der Lobbyist im Parlament – als Abgeordneter
In einigen Fällen spielt es am Ende auch keine Rolle mehr, ob eine Organisation über einen Hausausweis verfügt. Der Lobbyverband Haus & Grund etwa, der sich für die Interessen von Haus- und Grundeigentümer:innen einsetzt, besitzt zwar eine Zugangskarte, doch die wäre gar nicht erforderlich. Denn die Organisation hat im Bundestag seit Jahren einen eigenen Lobbyisten als Abgeordneten sitzen. Dem CDU-Politiker Michael Hennrich zahlt Haus & Grund jeden Monat bis zu 3.500 Euro – als Cheflobbyist des Landesverbandes Baden-Württemberg.
Welche Lobbyorganisationen verfügen über einen Hausausweis? Nachfolgend finden Sie die komplette Liste mit allen 218 Verbänden, Vereinen und Organisationen, die zum 10. März 2021 bis zu zwei Hausausweise für den Bundestag hatten (ausgestellt wurden Ausweise an insgesamt 296 Interessenvertreter:innen). Um einen Ausweis beantragen zu können, muss sich eine Organisation zunächst in einer öffentlichen Verbändeliste des Bundestages registrieren.
(Unter Umständen müssen Sie die nachfolgende Tabelle "Interessenorganisationen mit Hausausweisen für den Deutschen Bundestag" zunächst aktivieren)
Kommentare
In eigener Sache: Warum Abgeordnetenwatch die Kommentar-Funktion abgeschaltet hat
Hella Santarossa am 16.04.2021 um 19:20 Uhr
PermalinkEntfernt. Nutzen Sie den Kommentarbereich bitte um sich sachlich über den Artikelinhalt auszutauschen. Danke, die Redaktion/db
Lui am 18.04.2021 um 11:36 Uhr
PermalinkDer Job einen Politiker ist für das Volk zu arbeiten. Leider arbeiten die meistens unseren Politiker für die Lobbies. Das Volk wird derweil völlig vernachlässigt.
Zusätzliche Einnahmen aus Lobbyismus versaut unsere ganze Gesellschaft vom Kopf aus. Es sollte verboten werden für Politiker zusätzliche Einnahmen haben als Ihre Diäten (die sind vor allem hoch genug).
ERST DANN wird unser Politiker eine ehrliche und aufrichtige Person der sich für den Volk die entsprechenden Sorge macht und die richtige Entscheidungen treffen wird. Ansonsten wird seine "Seele" immer verfälscht sein.
Bernd Schlösser am 18.04.2021 um 13:40 Uhr
PermalinkMan kann gar nicht soviel essen, wie man bei Lektüre des Artikels ko... möchte.
Horst G. Ansorge am 18.04.2021 um 19:26 Uhr
PermalinkEntfernt. Nutzen Sie den Kommentarbereich bitte um sich sachlich über den Artikelinhalt auszutauschen. Danke, die Redaktion/db
Gerhard Seedorff am 24.04.2021 um 13:32 Uhr
PermalinkFalls Abgeordnetenwatch noch keine Hausausweise erhalten hat, sollten sie sich umgehend darum bemühen.
Es wäre sicher gut, wenn möglichst viele Bürger für Abgeordnetenwatch unsere Abgeordneten - nach den inzwischen bekannt gewordenen Skandalen - vorort überwachen.
Marlon Heiß am 29.04.2021 um 08:20 Uhr
PermalinkIch Stelle es mir gerade vor wie Interessenvertreter so im Bundestag durch die Gänge gehen und ihre "Unterstützung" anbieten damit am Ende ein Gesetz oder eine Verordnung so verfasst wird wie es der Lobbyist wünscht dann sind wir auf der gleichen Stufe wie die "Korrupten Staaten" denen wir
Marlon Heiß am 29.04.2021 um 08:26 Uhr
Permalink... allzu gerne anraten das politische System zu reformieren.
M. E. hat keine Person, außer Gewählt oder Angestellt, das Recht auf einen Ausweis der es ermöglicht sich frei in den Fluren des Bundestag und den Ministerien sich zu bewegen!
Robert Merz am 02.05.2021 um 13:14 Uhr
PermalinkJeder Abgeordnete ist Lobbyist - für seinen Wahlkreis und sein Land, für sein Geschlecht, aber auch für seine Interessen, als meist Hausbesitzer, Auto- Rad- oder Bahnfahrer, sein erlernter Beruf, Kirchenmitglied oder Atheist, ... alles, was man sich denken kann. Das Problem ist die ungerechte Verteilung, z.B. sind Mieter, Kinder, Arbeitslose, Kranke, weniger Gebildete, ... unterrepräsentiert. Und damit werden ihre Interessen weniger berücksichtigt.
Alex S. am 09.07.2021 um 17:24 Uhr
PermalinkFür Öffentlich Bedienstete und Volksvertreter sollten man eine Obergrenze für Nebeneinkommen festlegen. Ab dieser Obergrenze werden die Diäten/Bezüge gekürzt, so wie es jeder arme Menschen, der von öffentlichen Hilfen lebt, erfahren muss.
Absurd dass diese Menschen geschmiert werden, das sind doch Volksvertreter, die Schaden vom deutschen Volk abwenden sollen.
Stattdessen veräppeln uns diese Menschen, indem sie:
- die Automobilindustrie mit unseren Steuergeldern weiter dreckige Verbrenner produzieren lassen,
- von Staatsgeldern Krankenhäuser bauen während die Leistungen für die Börse (die Gierigen Vorstände und Aktionäre) optimiert werden,
- dadurch die Krankenkassenbeiträge steigen (für Vorstandsboni und Aktionäre,
- Steuergelder für dreckige Verbrenner rausschmeißen, obwohl jeder weiß dass Diesel und Benziner zu mehr als 25% für die Luftverschmutzung sorgen,
- die Landwirtschaftsindustrie mit deutschen Steuergeldern versorgen, damit sie ordentlich Fleisch für den Export erzeugen
- die Atom- und Kohleindustrie mit deutschen Steuergeldern fördern, obwohl auch hier die Probleme für unsere Nachfahren nicht zufriedenstellend geregelt werden können
- die Luftfahrt weiter mit unseren Steuergeldern unterstützen, damit die Wünsche nach einem Billigflug (69€) nach Malle befriedigt werden
- alles tun um uns, unseren Nachkommen, Flora und Fauna schaden und somit das Leben auf diesem Planeten bald unmöglich machen,
- die Energiewende verhindern (Wirtschaftsrat der CDU, ja und hier spielt in einem Bundesland sogar der NABU eine Rolle
- die Mobilitätswende verhindern, indem immer mehr Beton statt Schiene verbaut werden
- keine nachvollziehbare Bremse bei Geschwindigkeitsbeschränkungen auf unseren Straßen durchsetzen wollen
Dieses Land braucht einen großen Schritt in eine andere Richtung.
Immer noch werden:
- Verbrenner zu Spottpreisen verkauft, speziell die dreckigsten Diesel Plug-in-Hybride
- billiges Fleisch produziert,damit die Großindustriellen aus CDU,CSU und SPD Geld der deutschen Steuerzahler einkassieren
- unser Gewässer durch die Industriefleischherstellung durch Nitrat belastet und die Gewässer damit getötet,
- deutsche Großkonzerne nur 4ct/Kw/h Strom bezahlen, während die deutschen Steuerzahler, die diese Subventionen bezahlen, 30 cent pro Kw/h bezahlen.
- Gelder der deutschen Steuerzahler in den Bau von Autobahnen gesteckt, obwohl längst klar ist dass wir mehr ÖPNV brauchen, sowie die Weitverkehrsanbindungen für die Bahn,
- fehlende Quellenangaben in Büchern höher bewertet als die Veruntreuung deutscher Steuergelder,
- mehr Geld für die Straße als für Rad- und Fußwege ausgegeben, Radfahrer und Fußgänger im Straßenverkehr benachteiligt werden.
Die CDU,CSU und SPD haben es geschafft fast allen deutschen Bürgern das Geld für die Wirtschaft aus der Tasche zu ziehen und
denen zu geben, die heute die Reichsten in der BRD sind und sich kaputt lachen über die deutsche Dummheit, die das nicht merkt.
Traurig, aber hier fehlt es vielen an Selbstbewusstsein und Selbstbestimmung (auch funktionierendes Gehirn genannt) glaube ich.
Die Wirtschaft sagt ca. 90% der Menschen was sie brauchen.
Schade, dass es nicht mehr so viel Intelligenz gibt.
Ich weiß was ich nicht wählen werde: CDU, CSU, SPD, FDP
Ich hoffe es gibt noch mehr Menschen die sich über den Ausgang der Wahl Gedanken machen und nicht sagen:
Weiter so (nehmt mein Geld und sagt mir was ich machen soll).
Schlimm.
Richard Geist am 31.07.2022 um 14:44 Uhr
PermalinkDas Problem der Lobbyist-innen im Bundestag ist schon auch, dass diese mit ihrem permanenten priviligierten Zugang zu den Parlamentarien eine Informationsblase bilden (durchaus ähnlich gewisser Foren im Internet für z.B. Querdenker-innen). Einer solchen Informationsblase kann man sich bei gleichbleibender Berieselung auf Dauer schon unbewusst kaum entziehen und so solchen Blasen dann auch "verfallen". Auf diesem Weg kann man nachvollziehbar auch in relevantem Umfang die Fähigkeit einbüßen, "über den Tellerrand hinaus zu blicken".
Leonie am 19.08.2022 um 12:54 Uhr
PermalinkWas ich mich gerade im Fall von Bundestagsabgeordneten immer frage: Wieso informieren sich die wählenden Bürger:innen nicht über die Kandidat:innen in ihrem Wahlkreis? Dann könnte man ja von Anfang an verhindern, dass diese Person in den Bundestag einzieht, indem man ihr einfach nicht die Stimme gibt.