Lobbyismus

Wirtschaftsministerium will Tausende Euro für Lobby-Unterlagen zu Katherina Reiche

Was steht in Unterlagen zu Lobbytreffen von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche? Auf eine Anfrage von abgeordnetenwatch droht ihr Ministerium mit Bearbeitungsgebühren von bis zu 4.000 Euro – obwohl ein Gericht eine solche Praxis für rechtswidrig erklärt hat.

von Martin Reyher, 21.08.2025
Katherina Reiche

Am 1. Juli 2025 nahm sich Katherina Reiche (CDU) Zeit für alte Bekannte. Die Ministerin hatte einen Termin mit Spitzenfunktionären des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU), dessen Hauptgeschäftsführerin sie selbst bis 2019 war.

Einen Tag zuvor hatten der VKU und sechs weitere Lobbyorganisationen einen Brief an Reiches Ministerium geschickt. Ihr Anliegen: Die im Koalitionsvertrag angekündigte Senkung der Stromsteuer dürfe nicht auf einzelne Branchen beschränkt bleiben. Auch Handel, Dienstleistungen, Handwerk und private Haushalte müssten entlastet werden. Die Bundesregierung müsse „nun Taten folgen lassen“, so die Forderung.

Zu Gesprächsinhalten will das Ministerium nichts sagen

Ging es beim Treffen mit Reiche um die Stromsteuer – oder um andere Wünsche des Verbandes? Das bleibt unklar. Auf Anfrage von abgeordnetenwatch zum Inhalt des Gesprächs machte das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) keine konkreten Angaben. Eine Sprecherin teilte mit, dieses und andere Gespräche hätten "in vertraulichem Rahmen" stattgefunden. 

Es war nicht der einzige Lobbytermin, den Reiche in jenen Wochen wahrnahm. In einer Antwort auf eine Grünen-Anfrage listet das BMWE neben dem VKU-Treffen noch sieben weitere Kontakte mit Verbänden, Institutionen und Unternehmen der Energiebranche zwischen Mitte Juni und Mitte Juli auf, darunter Microsoft-Gründer Bill Gates sowie die Vorstandschefs von Siemens Energy und Uniper. Auch gegenüber der Oppositionsfraktion machte das Ministerium keine konkreten Angaben zu den Gesprächsthemen.

Im Extremfall drohen zehntausende Euro Gebühren 

Welche Inhalte diskutiert wurden, lässt sich möglicherweise aus den Akten des Ministeriums rekonstruieren – etwa aus Gesprächsvorbereitungen oder E-Mail-Korrespondenzen. abgeordnetenwatch hat deswegen am 11. August auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) Einsicht in die Unterlagen zu den acht Terminen beantragt.

Solche IFG-Anträge sind gebührenfrei, sofern der Bearbeitungsaufwand gering ist. Bei größerem Aufwand – etwa durch Sichtung, Prüfung und Schwärzung umfangreicher Unterlagen – können laut IFG bis zu 500 Euro erhoben werden.

Doch das Wirtschaftsministerium macht eine ganz andere Rechnung auf. Weil es sich um acht Termine handele, sei nicht ein IFG-Antrag gestellt worden, sondern acht. Entsprechend würden auch achtmal Gebühren fällig. „Nach erster Einschätzung dürfte Ihr untenstehender Informationsantrag Gebühren in Höhe von bis zu EUR 4.000,00 verursachen“, schreibt das Rechtsreferat im BMWE.

Gericht: "Abschreckend wirkende Gebühren" sind rechtswidrig

Folgt man dieser Logik, würden bei einem Antrag zu hundert Lobbytreffen bis zu 50.000 Euro an Gebühren anfallen. Der Zweck des Informationsfreiheitsgesetzes – staatliches Handeln für Bürger:innen nachvollziehbar und kontrollierbar zu machen – würde damit ausgehebelt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat eine solche Praxis deswegen bereits 2016 für rechtswidrig erklärt. In dem Urteil heißt es:

Die Aufspaltung eines einheitlichen Informationsbegehrens in eine Vielzahl von Einzelanträgen ist mit dem [im Informationsfreiheitsgesetz] angelegten Verbot einer abschreckend wirkenden Gebührenerhebung unvereinbar.

(BVerwG, Urteil vom 20.10.2016 – 7 C 6.15)

Dass Ministerien versuchen, mit hohen Gebühren den Zugang zu Unterlagen zu erschweren, kommt immer wieder vor. Bei einem früheren Antrag von abgeordnetenwatch verlangte das Bildungsministerium 1.710 Euro – angeblich sei ein Verwaltungsaufwand von 36 Stunden entstanden. Als wir eine detaillierte Aufstellung verlangten, zog das Ministerium die Forderung zurück. Am Ende fielen gar keine Gebühren an.

Im Fall von Reiches Wirtschaftsministerium hat abgeordnetenwatch inzwischen den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit eingeschaltet.

Lobby-Unterlagen zu Habeck sind günstiger zu haben

Bemerkenswert ist, dass das BMWE ausgerechnet bei Unterlagen zu Reiches Lobbytreffen mit horrenden Gebühren droht. Ganz anders reagierte das Ministerium in einem anderen Fall.

Im Mai verlangte abgeordnetenwatch vom BMWE Unterlagen zu fünf verschiedenen Lobbyakteuren der Energiewirtschaft – über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren. Eine Aufteilung in mehrere Einzelanträge hielt Reiches Ministerium nicht für nötig und verlangte nur einmal Gebühr (500 Euro).

Die Dokumente betrafen die Amtszeit von Reiches Vorgänger Robert Habeck (Grüne).

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