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Wulf Gallert
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Frage von Gerhard R. •

Frage an Wulf Gallert von Gerhard R. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Gallert,

Kirchensteuerzahlungen für Jahre nach einem Kirchenaustritt!

Einzelheiten zu diesem Kirchensteuerskandal erfahren Sie unter www.kirchensteuern.de, Stichwort: Rasterfahndung.

Im Hinblick auf die Mitverantwortung der Länder - Zusammenarbeit mit den Kirchen - frage ich Sie:

Werden Sie Fälle dieser Art in Sachsen-Anhalt verhindern?
Sollen Eltern sicherheitshalber ihre Kinder nicht taufen lassen?

Freundliche Grüße

Gerhard Reth

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Sehr geehrter Herr Reth,

die Linkspartei.PDS tritt prinzipiell dafür ein, dass die Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit ohne jegliche Schranken gewährt wird und institutionelle Garantien den Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften eine unantastbare Stellung sichern; Staat und Kirche müssen getrennt sein. Das schließt gerade nicht ein, dass überkommene Privilegierungen - insbesondere für die beiden großen christlichen Kirchen - fortgeführt werden. Dies wiederum betrifft insbesondere das ausgedehnte Kirchensteuersystem, das die Großkirchen gegenüber anderen Religions- und Bekenntnisgemeinschaften bevorteilt.
Wir lehnen sowohl das Recht der Kirchen zur Erhebung von Kirchensteuern als auch den Einzug dieser Steuer über die staatlichen Behörden ab. Hier sind jedoch grundgesetzliche Regelungen berührt; wir hatten daher schon vor einigen Jahren in einem eigenen Verfassungsentwurf für die Bundesrepublik Deutschland entsprechende Regelungen vorgeschlagen, konnten uns damit aber nicht durchsetzen.
Zum zweiten gibt es auf Länderebene Kirchensteuergesetze, die im wesentlichen den staatlichen Einzug regeln. Auch hier braucht es erst andere Mehrheitsverhältnisse - und auch dann wären die grundgesetzlichen Bestimmungen noch nicht aus der Welt.
Drittens können natürlich die Bürgerinnen und Bürger handeln, denn die Kirchensteuerpflichtigkeit beginnt zwar grundsätzlich mit der Taufe - sie endet aber definitiv mit der Kirchenaustrittserklärung. Dieser Schritt muss allerdings förmlich - in Sachsen-Anhalt beim Standesamt - erfolgen.
Ein großer Teil der Rechtsstreitigkeiten um den Einzug von Kirchensteuern bei Nicht-Kirchenmitgliedern wird überhaupt erst dadurch möglich, dass Bürgerinnen und Bürger diesen Nachweis nicht oder nur schwer erbringen können - u. a. infolge der anderen Rechtspraxis in der DDR oder mangelhafter Unterlagen in privater und öffentlicher Hand nach der Wende. Dazu kommt eine - allerdings allmählich an Boden verlierende - Praxis, die vom getauften Bürger als "Normalfall" ausgeht. Dies alles mag auch bei dem auf der von Ihnen genannten Website diskutierten Fall eine Rolle spielen - auf jeden Fall ist es m. E. der richtige Weg, sich hier juristisch zur Wehr zu setzen, wie es dort auch vorgeschlagen wird.
Die Entscheidung, ob ein Kind getauft wird oder nicht, unterliegt, so meine ich, komplexeren, sehr persönlichen Abwägungen und bedarf nicht des Rates eines Politikers.

Mit freundlichen Grüßen -
Ihr Wulf Gallert

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