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Frage von Harald M. •

Frage an Wolfgang Schäuble von Harald M. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Bundesminister Schäuble,

in einem Interview mit der NZZ sagten Sie Anfang Februar dieses Jahres.

"Der Zweck heiligt nicht grundsätzlich alle Mittel. Vor einigen Jahren hatten wir eine Debatte um die Entführung eines Kindes. Hier ging es um die Frage, ob man Folter androhen darf, um Informationen zu erhalten. Ich habe dort klar gemacht, dass hier nie der Zweck die Mittel heiligen kann. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Aber es gibt andere Fälle, in denen der Zweck die Mittel heiligen kann, wie im Fall der Steuerhinterziehung. Der Zweck ist die gleichmässige Besteuerung aller Bürger."

Ich fasse Ihre Aussage zusammen.
Die Rettung eines Menschenlebens heiligt niemals rechtswidrige Mittel. Die Erlangung von Steuergeldern heiligt aber sehr wohl rechtswidriges Verhalten.

Herr Bundesminister, vielleicht liege ich ja falsch und habe Ihre Einlassungen falsch verstanden. In diesem Fall bitte ich höflich um Klarstellung. Aber für mich bleibt bei Ihrer Aussage eigentlich nur eine mögliche Schlußfolgerung:

Für Sie zählen Menschenleben weniger als Steuergelder.

Ist das tatsächliche Ihre Ansicht? Oder haben Sie sich nur unbewußt mißverständlich geäußert?

Mit freundlichen Grüßen,

Harald Matschuk

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Matschuk,

sie deuten die Möglichkeit eines Missverständnisses Ihrerseits bereits an, und tatsächlich interpretieren Sie meine Aussage logisch nicht korrekt.

Staatlicherseits ausgeübte Folter als Mittel wird durch keinen, noch so hehren, Zweck geheiligt. Hier stößt der Rechtsstaat gemäß dem ihm innewohnenden Anspruch an ethische Verantwortung an die Grenzen seiner Handlungsfähigkeit. Dies heißt aber nicht logisch zwangsläufig, dass die Rettung eines Menschenlebens niemals rechtswidrige Mittel heilige, wie Sie schreiben - aber niemals heiligt sie Folter durch den Staat.

Ein ganz anderer Zweck ist die gerechte, gleichmäßige Besteuerung der Bürger eines Staates, die durch ihre Steuern staatliches Handeln als Grundlage unserer Gesellschaft überhaupt erst ermöglichen. Wer Steuern hinterzieht, vergeht sich an unserem Gemeinwesen. Um den Anreiz zur Offenbarung eines Steuervergehens zu setzen, kann der Staat allerdings auf Strafandrohung verzichten. Dieses Mittel dient dem Zweck der gerechten Besteuerung.

Bitte beachten Sie, dass - anders als Sie schreiben - der Staat hierbei nicht selber rechtswidrig handelt, sondern auf die strafrechtliche Verfolgung des Vergehens eines Bürgers verzichtet. Das ist ein erheblicher Unterschied in der Logik der Argumentation. Im übrigen bedeutet Straffreiheit nicht, dass der "Steuersünder" ungeschoren davonkommt: Selbst wenn er strafrechtlich nicht belangt wird, weil er sich rechtzeitig selber angezeigt hat, muss er nach dem Steuerrecht erhebliche Säumniszuschläge zahlen.

Um es auf den Punkt zu bringen: Folter ist eine Verletzung der Menschenwürde, die dem Rechtsstaat niemals gestattet ist. Das Unterlassen einer strafrechtlichen Verfolgung jedoch verletzt nicht die Menschenwürde und kann vielmehr unter gewissen Umständen im fiskalischen Interesse des Staates und seiner Bürger sein.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Schäuble