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Wolfgang Hellmich
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Frage von Frank Z. •

Frage an Wolfgang Hellmich von Frank Z. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrter Herr Hellmich,

ich war sehr erbost, als die US Regierung, bzw. ihr neuer Präsident, behauptete die Bundesrepublik würde Ihre Zahlunsverpflichtungen im Rahmen der NATO-Mitgliedschaft nur zum Teil erfüllen. Umso schockierter war ich als ich erfahren musste, dass die Aussage tatsächlich stimmt.

Können Sie mir hierfür eine Erklärung geben? Wie entstehen solch fragwürdige, m.E. idiotische Entscheidungen die den Bund angreifbar machen. Sie als Geschaeftsführer müssen doch wissen: Vertraege sind einzuhalten !

Vielen Dank für Ihre Bemühungen !

Frank Zimmermann

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Zimmermann,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Ich möchte zunächst betonen, dass ein Erreichen der Zwei-Prozent-Marke im Rahmen des NATO-Gipfels in Wales auf der Strecke bis 2024 vereinbart wurde. Bislang kann also von Vertragsverletzungen keine Rede sein. Das US-amerikanische Verhalten in dieser Angelegenheit muss demnach vorrangig politisch beurteilt werden, zumal der US-Haushalt in erheblichen Problemen steckt. Ebenso bleibt festzuhalten, dass Europa seine Verteidigungspolitik frei und nach eigenem Ermessen festlegt, wozu auch die Finanzierungs- und Beschaffungspolitik zählt. Die Stärkung des europäischen Pfeilers in der NATO ist ohnehin gemeinsamer Konsens.

Wie Sie sehr treffend angemerkt haben, gilt gleichwohl: Pacta sunt servanda. Doch was wird der Zwei-Prozent-Marke zugerechnet? Ich halte eine Verengung des Fokus auf militärisches Kampfgerät für wenig zielführend. Stabile Staatlichkeit und faire Entwicklungschancen lassen sich nicht durch Waffengewalt erzwingen – wenn die vergangene Dekade etwas eindrucksvoll bewiesen hat, dann wohl genau diese Tatsache. Aufbauhilfe, Korruptionsbekämpfung, Flüchtlingshilfe sowie die Bekämpfung von Fluchtursachen haben vor dem Hintergrund einer gemeinsamen Sicherheitspolitik heute einen ebenso hohen Stellenwert. Gerade die Bewältigung jener Migrationsbewegungen, für die Krieg und Gräuel ursächlich sind, ist für Europa eine besondere Herausforderung, der sich die USA in dieser Form nicht stellen müssen. Auch dies sollte meines Erachtens nach Beachtung finden, wenn man über die gerechte Verteilung von Lasten und Verantwortung nachdenkt.

Ferner muss man sich vor Augen halten, dass wir im Falle der USA von einem einheitlichen, verteidigungspolitischen Raum sprechen. Eine vergleichbare Bedeutung können die Staaten Europas ohnehin nur im Verbund erreichen, also mit der Schaffung einer ähnlich kohärenten verteidigungspolitischen Gemeinschaft. Bevor wir also anfangen, uns dafür zu rühmen, wer die größten Mittel aufwendet, sollten wir uns auf europäischer Ebene darüber einig werden, wo wir in zehn Jahren mit der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) stehen wollen. Da hat es wenig Sinn, bestimmte Fähigkeitsspektren in drei- oder vierfacher Ausführung zu haben.

Schon vor einem Jahr formulierte der Seeheimer Kreis innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion ein Papier, mit der Zielmarke von drei voll ausgerüsteten Divisionen bestehend aus rund 200.000 Soldatinnen und Soldaten. Allein diese quantitative Ausweitung bei gleichzeitiger Steigerung der Qualität würde nach jetzigem Stand eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben von acht Prozent unumgänglich machen. Dabei sei gesagt: Geld auszugeben allein, ist wahrlich keine Kunst. Ungleich anspruchsvoller ist es, finanzielle Mittel so zum Tragen zu bringen, dass sie sich auch langfristig noch auszahlen. In diesem Zusammenhang halte ich die Forderung, 20 Prozent der Verteidigungsausgaben für Investitionen aufzuwenden, für die wahre Priorität. Des Weiteren halte ich es für geboten, im Rahmen einer Fähigkeitsanalyse mit EU und NATO festzulegen, welche konkreten Fähigkeiten wir auf- und ausbauen wollen. Zudem müssen wir in Europa die Effizienz bei Betriebskosten und Beschaffung erhöhen und dazu gehört zwangsläufig auch eine Reduktion der Vielfalt eingesetzter Waffen- und Führungssysteme in europäischen Staaten. Gemäß Vorüberlegungen seitens der „Stiftung Wissenschaft und Politik“ ließe sich durch Effizienzsteigerung im Rahmen der Spezialisierung ein Potenzial von 25 Milliarden Euro realisieren, das seinerseits für den weiteren Fähigkeitsausbau nutzbar gemacht werden könnte.

Ich halte ein Hochfahren der Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) zum jetzigen Zeitpunkt weder für realistisch noch für sinnvoll, denn momentan fehlt es schlicht an einer ausformulierten Langzeitperspektive, die derartige Aufwendungsvolumina legitim erscheinen lassen könnte. Eines ist klar: die zwei Prozent würden durch Einsparungen in anderen Bereichen gegenfinanziert werden müssen. Wer das möchte, sollte zunächst einen schlüssigen Finanzierungsplan vorlegen – alles andere ist Wahlkampfgetöse. Ich halte es für vollkommen unangebracht, wenn ein CDU-Staatssekretär in diesem Zusammenhang leichtfüßig die Alternative Rüstung oder Sozialleistung insinuiert.

Ich hoffe, Ihnen meine Haltung etwas näher gebracht zu haben.

Mit besten Grüßen

Wolfgang Hellmich, MdB

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