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Frage von Mark E. •

Frage an Wolfgang Bosbach von Mark E. bezüglich Recht

Hallo Herr Bosbach,

ich habe da einige Fragen zum Thema "Bürgerrechte":

- warum tritt die Union nicht für eine Absenkung des Mindestwahlalters auf 16 Jahre ein, wie es andere Parteien tun?

- inwieweit engagiert sich die Union für mehr direkte Demokratie, also für eine Stärkung der Beteiligungsmöglichkeiten des Bürgers in Kommunen, Ländern, Bund und Europa sowie für die Einführung von Volksentscheiden?
Entgegen anderslautenden Argumentationen denke ich schon, dass eine stückweise Einführung von mehr Volksbeteiligung langfristig von Vorteil für das Volk ist. Warum sollte etwas, das in der Schweiz funktioniert, hierzulande nicht möglich sein? Dort hat man offenbar einen Weg gefunden, sowohl den möglichen Missbrauch des Plebiszits durch „engagierte Interessengruppen“ zu unterbinden, als auch dem Volk die Möglichkeit zu geben, „hochkomplizierte Sachverhalte“ zu begreifen und darüber zu urteilen – ein Vorbild für alle Regierungen, die die Politikverdrossenheit ihrer Bürger beklagen. Dazu kommt, dass es die Möglichkeit des Volksentscheides in Deutschland durchaus auch auf Landesebene gibt – und ich denke doch, wer fähig ist, informiert auf Landesebene abzustimmen, kann dies auch auf Bundesebene, oder nicht?

- inwieweit setzt sich die Union im Strafrecht für den Ausbau des Täter-Opfer-Ausgleichs ein? Soll bei jugendlichen Straftätern mehr auf den Erziehungsaspekt oder mehr auf Strafe gesetzt werden?

- was will die Union für den Schutz der Bürger vor der ungewollten Bloßstellung durch Medien wie z.b. der „BILD“-Zeitung tun?

- unter der rot-grünen Regierung wurden viele wichtige Entscheidungen von der öffentlichen Debatte im Bundestag ausgeschlossen und in Kommissionen und Arbeitsgruppen verlagert, in denen Lobbyisten gewichtige Mitspracherechte haben und in deren Arbeit die Öffentlichkeit keinen Einblick hat – insbesondere letzteres für mich völlig unverständlich. Wird die Union diesen Kurs als Regierungspartei beibehalten, oder soll die parlamentarische Arbeit wieder transparenter für den Bürger werden? Wenn ja, welche Entscheidungsprozesse werden dann wieder öffentlich nachvollziehbar sein, und welche finden weiterhin hinter verschlossenen Türen in Kommissionen statt (und warum)?

Ich bedanke mich für Ihre Antworten.
MfG
Mark Eisner

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Eisner,
herzlichen Dank für Ihre E-Mail vom 12. August 2005. Angesichts einer wirklich großen Arbeitsbelastung und einer Vielzahl von Zuschriften und wegen der vielen Fragen die Sie mir gestellt haben, bitte ich Sie um Verständnis dafür, dass ich diese nur kurz beantworten kann:

Zu 1): Dass sich alle Parteien außer CDU und CSU für eine Absenkung des Mindestwahlalters auch bei Bundestagswahlen und Landtagswahlen von 18 auf 16 Jahren aussprechen, ist mir nicht bekannt, ich persönlich halte die Altersgrenze von 18 Jahren auch für richtig, weil sie der Volljährigkeitsgrenze des BGB entspricht. Erst mit 18 Jahren sind die Bürgerinnen und Bürger nach Auffassung des Gesetzgebers voll geschäftsfähig und deshalb in der Lage, z. B. wichtige Rechtsgeschäfte allein abzuschließen. Wäre es nicht ziemlich paradox, wenn es der Gesetzgeber bei der Volljährigkeitsgrenze von 18 Jahren beließe, aber die Wahlaltersgrenze auf 16 Jahre senken würde? Dies würde doch im Klartext bedeuten, dass der Gesetzgeber einen 17-jährigen zwar nicht für befähigt ansieht, z. B. ein Fahrrad zu kaufen, aber sehr wohl als befähigt ansieht, über die politische Zukunft des Landes durch persönliche Stimmabgabe mit zu entscheiden. Wäre das nicht ein Widerspruch?

Zu 2): Die Union ist nicht der Auffassung, dass wir auch in Deutschland auf Bundesebene Volksbegehren und Volksentscheid einführen sollten, da sich unsere repräsentative Demokratie – bei all ihren Mängeln – in den letzten 56 Jahren durchaus bewährt hat. Der Hinweis auf die Schweiz ist sehr populär, allerdings „hinkt er“, da die Verfassung der Eidgenossen eine völlig andere ist als das Grundgesetz. Die vielen Volksabstimmungen die in der Schweiz vorgenommen werden, sind in aller Regel nicht etwa Ergebnisse von Volksbegehren, sondern von Regierungsvorlagen. Des Weiteren besteht ein Problem in der plebiszitären Demokratie darin, dass das Votum bei einem Volksentscheid – der Natur der Sache zwangsläufig – auf eine Ja-Nein-Alternative reduziert wird. Zwar können auch wir als Gesetzgeber im Deutschen Bundestag nur mit Ja, Nein oder Enthaltung abstimmen – diese Abstimmung geschieht aber immer am Ende eines langen Gesetzgebungsprozesses in dessen Verlauf eine sehr umfangreiche Willensbildung und Entscheidungsfindung mit Abwägung aller Argumente stattgefunden hat. Ein derartiger Entscheidungsfindungsprozess ist in der direkten Demokratie der Natur der Sache nach nicht möglich. Richtig ist, dass sich die plebiszitären Elemente auf kommunaler- und Landesebene durchaus bewehrt haben, allerdings scheitert ein Vergleich mit der Bundesebene schon daran, dass auf Bundesebene der Bundesrat an allen (!) Gesetzgebungsprozesses zwingend zu beteiligen ist. Die Rolle des Bundesrates als Mit-Gesetzgeber würde bei der Einführung plebiszitärer Elemente des Grundgesetzes zwangsläufig unter die Räder kommen.

Zu 3) und zu 4): Der Täter-Opfer-Ausgleich ist schon heute ein fester Bestandteil des Straf- bzw. Sanktionsrechtes und bei jugendlichen Straftätern muss in jedem Einzelfall geprüft werden, ob mehr der Erziehungsaspekt oder mehr der Sanktionsaspekt Berücksichtigung finden muss. Auch hier gilt – wie im Strafrecht allgemein – dass die staatliche Sanktion immer schuld- und tatangemessen sein muss, je jünger die Täter sind, desto eher spielt der Erziehungsaspekt eine Rolle.

Zu 5): Das geltende Recht bietet schon heute genügend Möglichkeiten um gegen rechtswidrige Berichterstattung, – in welchen Medien auch immer – vorzugehen. Ich persönlich sehe eine diesbezügliche Rechtslücke nicht, sollten Sie hier eine andere Auffassung vertreten, so wäre ich Ihnen für eine entsprechende Begründung dankbar.

Zu 6): Sicherlich wird sich auch eine unionsgeführte Bundesregierung hier und da externen Sachverstandes bzw. externer Politikberatung bedienen, allerdings werden wir nicht den Fehler der rot-grünen Koalition wiederholen, dass wesentliche Entscheidungsprozesse, die eigentlich dem Parlament vorbehalten bleiben sollten, in externe Gremien verlagert werden.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr

Wolfgang Bosbach