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Frage von Heinz H. •

Frage an Willi Brase von Heinz H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Brase,

Sie haben für die Vorratsdatenspeicherung gestimmt. Das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof hatten alte Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung wiederholt gekippt. Was hat Sie davon überzeugt, dass dieses Gesetz nicht ebenfalls wegen Grundrechteverletzung gekippt wird?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Hiekmann,
herzlichen Dank für Ihre Frage vom 27. Oktober 2015, auf welche ich Ihnen antworten möchte.

Wie von Ihnen angemerkt, hat das Bundesverfassungsgericht im März 2010 das damalige deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung für nichtig erklärt, die Vorratsdatenspeicherung als solche unter bestimmten Voraussetzungen aber weiter für zulässig erachtet. Erforderlich seien hinreichend anspruchsvolle und normenklare Regelungen hinsichtlich der Datensicherheit, der Datenverwendung, der Transparenz und des Rechtsschutzes, Richtervorbehalt und Schutz der Berufsgeheimnisträger. Der Abruf und die unmittelbare Nutzung der Daten seien nur verhältnismäßig, wenn sie überragend wichtigen Aufgaben des Rechtsgüterschutzes dienen.

Ebenfalls hat im April 2014 der Europäische Gerichtshof (EuGH) die bis dahin geltende EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung wegen Verstoßes gegen die EU-Grundrechtscharta für nichtig erklärt. Festgestellt wurden Verstöße gegen die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten. Auch der EuGH hat die Vorratsdatenspeicherung nicht generell für unzulässig erachtet, sondern rechtsstaatliche Vorgaben gefordert, die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hinreichend Rechnung tragen. So darf die elektronische Kommunikation nicht umfassend einer anlasslosen Speicherpflicht unterworfen werden. Wie dieses Ziel erreicht wird, bleibt dem Gesetzgeber überlassen.
Auch der EuGH legt Wert auf den Schutz von Berufsgeheimnisträgern. Die Daten dürfen nur zur Verhütung, Feststellung und Verfolgung schwerer Straftaten gespeichert werden und müssen vor unberechtigter Nutzung geschützt werden. Speicherung und Abruf der Daten sind klar und präzise zu regeln.

Mit dem nun verabschiedeten Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten treten Richtlinien in Kraft, die deutlich restriktiver sind als alles, was früher als Vorratsdatenspeicherung bezeichnet wurde. Verfassungs- und europarechtliche Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs sind dabei eingehalten worden.

Zukünftig wird sehr viel kürzer gespeichert; die alte EU-Richtlinie sah eine Speicherung bis zu zwei Jahren vor, das verfassungswidrige deutsche Gesetz eine Speicherung von sechs Monaten. Ebenso werden weniger Daten gespeichert als zuvor; so sind etwa E-Mail-Daten jetzt komplett ausgenommen. Darüber hinaus sind die Voraussetzungen für den Abruf auf die Daten strenger; der Kreis der Taten, für deren Aufklärung die Daten genutzt werden dürfen, ist enger. Ebenfalls wurde der Abruf von Standortdaten generell verschärft. Zu geschäftlichen Zwecken gespeicherte Standortdaten dürfen nicht mehr abgerufen werden. Abgerufen werden dürfen nur noch die verpflichtend gespeicherten Standortdaten unter den oben genannten strengen Voraussetzungen. Das Gesetz sieht zugleich vor, den neuen Straftatbestand der „Datenhehlerei“ zu schaffen. Damit wird sichergestellt, dass Daten nicht nur vor Ausspähung geschützt sind, sondern auch der Handel mit ausgespähten Daten unter Strafe steht.

Aus diesen Gründen ist das nun verabschiedete Gesetz nicht ansatzweise mit der ursprünglichen anlasslosen und alles umfassenden Speicherung ohne eine angemessene Sicherung der Persönlichkeitsrechte und des Datenschutzes, zu vergleichen.

Freiheit bedeutet die Möglichkeit, selbstbestimmt zu leben, sich nach seinen Fähigkeiten zu entfalten und gleichberechtigt an Gesellschaft und Politik teilzuhaben. Jeder Mensch muss deshalb frei sein von entwürdigenden Abhängigkeiten und er muss frei sein von Not und Furcht. Freiheit verlangt daher auch immer schwierige Abwägungsentscheidungen – gerade dann, wenn es darum geht, die Rechte von Opfern schwerer Straftaten zu schützen und die Abwehr von Gefahren für Leib, Leben, Freiheit und sexuelle Selbstbestimmung in Einklang zu bringen mit den Persönlichkeitsrechten und dem Datenschutz. Für mich gelingt dies mit dem verabschiedeten Gesetzentwurf. Daher habe ich diesem zugestimmt.

Mit freundlichen Grüßen
Willi Brase