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Frage von Franz H. •

Frage an Werner Kruck von Franz H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Dr. Kruck,

die CDU will mal wieder mit einer Anti-Türkei-Kampagne punkten. Bei fast 10% Ausländern in Deutschland, scheint das immer zu funktionieren (siehe Herr Koch). Was meinen Sie? Gehört die Türkei zu Europa oder stimmen Sie der CDU in diesem Punkt zu?

Mit freundlichen Grüßen
Franz Haberle

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Sehr geehrter Herr Haberle,

rein geografisch gehört die Türkei nicht zu Europa, sondern liegt mit 93% der Landfläche in Asien. Rein geografisch liegt uns die Türkei aber näher als etwa die USA, mit denen wir ebenfalls enge Bindungen unterhalten.

Ich war im letzten Jahr das erste Mal in meinem Leben (mit zwei Schulklassen) in der Türkei. Bis dahin war mein Bild geprägt von den allgemein bekannten Verhältnissen in Großstädten wie Berlin und Frankfurt. Ich muss gestehen, dass ich mit unsicheren Gefühlen in die Türkei geflogen bin, obgleich mir die Welt durchaus geläufig ist. Dort angekommen hat sich mir die Türkei allerdings vollkommen anders dargestellt als man von Deutschland aus ahnt. Gewiss, das Land hat eine deutlich andere Tradition. Aber das haben andere Länder in noch viel stärkerem Maße, ohne dass daraus für uns irgendwelche Probleme erwachsen.

Nach diesem Erlebnis kam natürlich die Frage auf, warum es den erlebten Unterschied gibt zwischen Türken in Deutschland und Türken in der Türkei. Da ich auch sehr kluge und aufgeschlossene Türken in meinen Klassen habe, kann man über solche Dinge offen reden. Und da zeigt sich schnell, dass selbst gebildete Türken, die manchmal besser Deutsch sprechen als Deutsche und mehr wissen über Goethe und Schiller als wir, sich doch immer als Menschen dritter Klasse fühlen. Es ist der alltägliche Rassismus in Deutschland, die fehlende Neugierde gegenüber dem Fremden und die Zuordnung des Türken zu einer Unterschicht, der sich jeder noch so unterbelichteter "Deutscher" überlegen fühlt.

Wir können in Deutschland von einer beidseitig misslungenen Integration sprechen. Die in ihrem Stolz verletzten Türken ziehen sich zurück in ihre Subkultur, die dann oft trotziger und intensiver zelebriert wird als es die Türken in der Türkei je machen würden. Der türkische Fundamentalismus in Deutschland ist ein Versuch, in feindseliger Umgebung Halt zu finden. Aus dieser Erfahrung Rückschlüsse auf die tatsächliche Türkei zu ziehen, wäre ein absoluter Fehler. Die Türkei ist sehr viel moderner als wir mit Blick auf Berlin-Kreuzberg ahnen können. Und ich verstehe, dass türkische Politiker beleidigt sind, wenn ihr Land durch die Kreuzberg-Brille betrachtet beurteilt wird. Das wird der Türkei nicht gerecht.

Vor einem halben Jahr habe ich beim Praktiker einen großen, schönen, billigen Fernseher gekauft. Man erwartet von solchen Geräten ja stets, dass diese aus Asien kommen. Doch, oh Schreck, dieser kam aus der Türkei. Wird er wohl funktionieren? Blöde Frage. Gut 15 Mio. Familien in der Türkei haben einen funktionierenden Fernseher. Warum sollen Elektronik-Unternehmen in der Türkei diese Technik nicht beherrschen? Und in der Tat, das Gerät ist einwandfrei.

Warum diese Geschichte? Weil es uns gleichgültig sein kann ob billige Fernseher aus China kommen oder aus der Türkei. Wenn die Türkei aber durch eine weitere Annäherung an die EU ihre Industrien ausbauen kann, warum sollen dann noch mehr Menschen nach Deutschland kommen, wo das Klima bei uns in jeder Hinsicht so viel kälter ist als in der Heimat?

Gerade wenn man erkennt, dass die Integration beidseitig nicht gelingt, sollte man die weitere wirtschaftliche Entwicklung der Türkei mit Nachdruck unterstützen. Dabei ist die Türkei kein Bittsteller, der Almosen braucht. Die Wachstumsraten der türkischen Wirtschaft sind hoch genug, so dass die Türkei auch ohne Europa ganz gut klar kommt. Dennoch hätte die Aufnahme der Türkei in der EU für die Türkei einen hohen symbolischen Wert. Denn die Türken bekennen sich zu Europa und wollen europäisch leben.

Ich kann im Einzelnen nicht sagen, wie sich eine Integration der Türkei vollziehen sollte. Mit viel Fingerspitzengefühl müsste es schon geschehen, denn die Ängste und Verletzungen bei allen Betroffenen sind groß.

Dass man, pünktlich zum Wahlkampf und auf Bestellung von Herrn Koch, einmal wieder die Türkei-Karte spielt und mit Ressentiments punkten will, finde ich beschämend.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Werner Kruck