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Walter Altvater
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Frage von Thomas K. •

Frage an Walter Altvater von Thomas K. bezüglich Recht

Guten Tag Herr Altvater!

Ich habe Ihre Diskussion mit Herrn Maus mit Interesse verfolgt und kann Ihre Argumentation nicht nachvollziehen.

Beispielsweise entgegneten Sie seinem Argument, daß Männer erst mit 45 Hautkrebsvorsorge-Untersuchungen von den Krankenkassen bezahlt bekommen, Frauen jedoch schon mit 30, daß Männer eben nicht gern als wehleidig erscheinen wollen und deshalb nicht gern zum Arzt gehen würden. Und daß Sie da keine gesetzliche Benachteiligung von Männern sehen könnten. Es ist aber eben eine gesetzliche Benachteiligung, wenn einer bestimmten Bevölkerungsgruppe kostenlose medizinische Untersuchungen ohne medizinische Begründung per Gesetz vorenthalten werden!

Auch die Männer-Wehrpflicht ist eine Benachteiligung von Männern per Gesetz. Zwar haben sich Politiker der Grünen wiederholt für die Abschaffung der Wehrpflicht ausgesprochen, aber mit der Benachteiligung von Männern wurde das nie begründet. Außerdem blieb es auch immer bei Sprüchen, denn die Grünen regieren ja nun schon seit Jahren mit, ohne daß ein ernsthafter Versuch ihrerseits unternommen worden wäre, an der Männer-Wehrpflicht zu rütteln.

Und wenn nun auch die Arbeitslosigkeit unter Männern stark ansteigt, dann ist es ebenfalls eine Benachteiligung von Männern per Gesetz, wenn Gesetze oder Verordnungen besagen, daß trotzdem nur Frauen beruflich gefördert werden sollen. Daß in manchen der in früheren Zeiten typischen Männerberufe heute weniger Personal benötigt wird, ist nur noch ein Grund mehr, daran endlich etwas zu ändern!

Dies ist umso nötiger, als Männern nach wie vor die Hauptverantwortung für die Ernährung der Familien zugeschoben wird, und zwar nicht zuletzt auch von den Frauen. Das dürfte auch ein wesentlicher Grund für die überproportional hohe Selbstmordrate unter Männern sein. Sie finden sich zunehmend in der Situation wieder, daß zwar einerseits ganz selbstverständlich dieselben Anforderungen an sie gestellt werden wie vor 100 Jahren, daß sie andererseits aber immer schlechtere Chancen haben, diesen Anforderungen weiterhin gerecht zu werden.

Wie soll ich einen Abgeordneten oder eine Partei wählen, der bzw. die diese eigentlich simplen Zusammenhänge einfach nicht sehen will?

Freundliche Grüße,
Thomas Kreft

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Hallo Herr Kreft,

über die Frage wer wann welche Vorsorgeuntersuchung erhält, entscheidet nicht der Deutsche Bundestag, sondern Krankenkassen oder Berufsgenossenschaften. Die Führungsorgane der Krankenkassen werden im Rahmen der Sozialwahlen durch die Versicherten (also auch von Ihnen) über Versichertenparlamente bestimmt, die der Berufsgenossenschaften durch die Sozialpartner (Arbeitgeber und Gewerkschaften). Für ihre Entscheidungen, wer wann welche Vorsorgeuntersuchungen bekommt, sind diese Institutionen selbst verantwortlich. Allerdings dürfen die Kassen nicht ohne sachlichen Grund, - das verbietet schon unsere Verfassung, - Unterschiede nach Herkunft und Geschlecht machen. Wenn Sie also eine Kasse haben, die Ihnen die Vorsorge verweigert und sie Frauen in gleicher Situation bezahlt, dann klagen Sie bitte gegen diese Kasse. In einer Diskussion über angebliche Männerdiskriminierung durch die angeblich böse Politik im Zusammenhang mit Bundestagswahlen hat dieses Argument aber wenig bis gar nichts verloren.

Was die unterschiedliche Lebenserwartung bei Männern und Frauen angeht, so gibt es bei den Wissenschaftlern unterschiedliche Auffassungen über die Ursachen. Es gibt biologische Unterschiede, die u.a. damit zusammen hängen könnten, dass Frauen generell ein höheres Sterberisiko wegen dem Kinderkriegen hatten. Durch den starken Rückgang der Müttersterblichkeit in den letzten 100 Jahren gibt es bei uns einen Frauenüberhang im Alter, allerdings ist dies in der 3.Welt genau umgekehrt. Ausserdem gibt es Untersuchungen, z.B. aus Schweden, die besagen, dass Frauen häufiger kurz erkranken und deswegen länger gesund bleiben. Allein darauf habe ich mich bezogen. Es hat aber überhaupt nichts mit "Männerunterdrückung" zu tun, wenn Männer auf Grund ihres Rollenverständnisses ("starke Männer dürfen keine Schwäche zeigen") zu selten und zu spät zum Arzt gehen. Keiner von uns, lieber Herr Kreft, ist durch sein Geschlecht oder gar durch ein Gesetz daran gehindert, dann im Bett zu bleiben, wenn ihm nicht wohl ist.

Dass wir Grüne für die Abschaffung der Wehrpflicht sind, habe ich schon Herrn Maus erklärt. Die Behauptung "ausserdem bleibt es bei Sprüchen" ist selbst ein dummer Spruch, denn Sie wissen so gut wie ich, dass sowohl die SPD als auch die CDU mehrheitlich an der Wehrpflicht festhalten wollen. Da in einer Demokratie immer Mehrheiten entscheiden, heisst das nur, dass uns für die Abschaffung der Wehrpflicht heute die politischen Mehrheiten fehlen.

Um stärker zu werden, machen wir u.a. jetzt Wahlkampf.

Die Arbeitslosigkeit betrifft z.B. Akademiker wie Herrn Dr.Maus, fast überhaupt nicht (dort liegt die Quote bei ca.3%), sie betrifft dafür Unqualifizierte um so härter (dort liegt die Quote bei über 20%).

Aus diesem Grund brauchen wir in der Tat Ideen, wie wir diesen Menschen besser helfen. Eine "Männerquote" würde da gar nichts bringen. Fakt ist, es gibt für Unqualifizierte keine Arbeit mehr in der Industrie. Dagegen gibt es z.B. einen wachsenden Bedarf an Hilfspersonal, dass z.B. alten Leuten beim Waschen hilft oder sie aufs Klo führt. Allerdings können die alten Leute selbst oder ihre Angehörigen das selten anständig bezahlen. Aus diesem Grund setzen wir uns dafür ein, dass die Lohnnebenkosten speziell für Bereiche geringer Qualifikation und geringerer Einkommen gesenkt werden.

Das Bild vom Mann als "Ernährer" und der Frau als "züchtig waltender Hausfrau" ist selbst ein Produkt und ein Relikt patriarchalischer Verhältnisse und wir setzen uns gerade dafür ein, dass junge Frauen und Männer von der Gesellschaft und dem Staat, z.B. durch bessere Betreuungseinrichtungen und/oder Elterngeld besser in die Lage versetzt werden Kinder zu bekommen und gross zu ziehen. Genauso wie beide durch bessere Bildung in die Lage versetzt werden müssen, überhaupt in dieser Gesellschaft zu bestehen. Insofern plädieren wir gerade nicht dafür, dass die Anforderungen von vor 100 Jahren weiter an Sie gestellt werden und aus diesem Grund können Sie uns auch wählen (Ganz davon abgesehen, dass dieses Rollenverteilung auch vor 100 Jahren in Bauern- oder Arbeiterhaushalten keineswegs so war, wie Sie sie als gegeben sehen).

Gruss
Walter Altvater