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Ulrike Bahr
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Frage von Manfred B. •

Prüfung AfD-Verbot; unterstützen Sie die Petition "Afd-Verbot"?; was unternehmen Sie in Ihrer politischen Arbeit, um die rechtsradikalen Positionen u den Sprachgebrauch dieser Partei zurückzudrängen?

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Sehr geehrter Herr B.,

vielen Dank für Ihre Nachricht.

Die AfD ist eine Partei, die anstelle von Inhalten menschenverachtendes Gedankengut verbreitet und die in Teilen erwiesenermaßen rechtsextrem ist – das erlebe ich als Bundestagsabgeordnete beinahe jeden Tag. Und trotzdem habe ich die Berichte über ein Geheimtreffen mit Rechtsextremen, bei dem Pläne zur Vertreibung von Millionen Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland gemacht worden sein sollen, mit Entsetzen zur Kenntnis genommen. Um es ganz klar zu sagen: Das ist völlig inakzeptabel, widerlich und unwürdig.

Ein Parteiverbot muss aus meiner Sicht aber sehr wohlüberlegt beantragt werden. Der SPD-Bundesvorstand hat am Montag eine Arbeitsgruppe eingerichtet, um die Chancen eines AfD-Verbotsverfahrens auszuloten. Denn es gibt auch gewichtige Argumente, die gegen ein Verbot sprechen und die nun sorgsam abgewogen werden müssen:

Unsere Verfassung setzt die Hürden für ein Parteienverbot sehr hoch an, damit sich der Staat nicht einfach unliebsamer Gegner „entledigen“ kann. Eine Partei darf deshalb nur verboten werden, wenn sie aktiv und planvoll auf "die Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung" hinwirkt, und zwar durch eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung. Dies vor Gericht nachzuweisen, gilt aber als außerordentlich schwierig. Und selbst dieser Nachweis reicht nicht immer aus – es geht auch darum, wie bedeutend eine Partei ist, ob sie ihr Programm verwirklichen und dem Staat so gefährlich werden kann. Im Fall der NPD zum Beispiel wurde das seinerzeit verneint.

In jedem Fall würde ein Verbotsverfahren sehr lange dauern – viel Zeit für die AfD, um sich noch mehr in die Opferrolle zu begeben und so womöglich noch mehr Zulauf zu generieren.

Und selbst wenn ein Verbot in Deutschland erfolgreich wäre, könnte sich die AfD an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg wenden. Fachleute sind skeptisch, ob ein Verbot hier Bestand haben würde. Ein erfolgloses Verbotsverfahren wäre aber aus meiner Sicht eine Katastrophe: Denn dann hätte die AfD praktisch die offizielle Bestätigung, nicht verfassungsfeindlich zu sein.

Das menschenverachtende Gedankengut, für das die AfD steht, würde auch ein Parteiverbot nicht „löschen“. Es würde weiter existieren unter den ehemaligen Mitgliedern, Anhänger:innen, überzeugten Wähler:innen und Sympathisanten – mit dem Unterschied, dass diese sich durch ein Verbot noch weiter radikalisieren könnten. Und dann wären wir in der gefährlichen Situation, dass diese rechten Hetzer noch extremer werden könnten, ihnen womöglich weitere Sympathien zuwachsen, während sie zugleich aus dem gesellschaftlichen Blickfeld geraten. Das darf nicht passieren.

Durch ein Verbotsverfahren könnte außerdem der Eindruck entstehen, dass wir Demokrat:innen den bequemeren Weg wählen, weil wir es anders nicht hinbekommen. Meiner Meinung nach wäre das ein Bärendienst an der Demokratie.

Ich bin der Meinung, dass man die AfD zuallererst mit politischen Mitteln besiegen muss. Denn wenn wir der Auffassung sind, dass wir die besseren Argumente haben – und das sind wir! – dann sollten wir auf diese Weise dagegenhalten und die Aussagen der AfD entlarven als das, was sie sind: wissenschaftsfeindlich, gehaltlos und voller Falschbehauptungen.

Mir ist klar, dass das der schwierigere Weg ist, weil er bedeutet, dass wir uns dauerhaft, intensiv und wachsam mit der AfD auseinandersetzen müssen. Auch mich strengen die immer gleichen, immer aggressiv geführten Debatten an, die die AfD ständig anstiftet. Ich bin aber der Meinung, dass es unsere Aufgabe als Demokrat:innen ist, hier dagegenzuhalten. Schon alleine, damit sich die AfD nicht wieder in die Opferrolle begeben kann.

Ein Parteiverbot ist das schärfste Schwert der Demokratie, das nur im Notfall zum Einsatz kommen sollte. Bevor wir dieses ziehen, sollten wir uns im Kampf gegen Verfassungsfeinde der Mittel bedienen, die uns bereits jetzt zur Verfügung stehen: Wir haben zum Beispiel das Gesetz zur Finanzierung der parteinahen Stiftungen auf den Weg gebracht. Damit braucht es nun aktive Verfassungstreue, um finanziert werden zu können. Das Bundesverfassungsgericht hat darauf hingewiesen, dass man einer Partei unter Umständen staatliche Gelder entziehen kann, auch wenn sie nicht verboten ist. Daraufhin haben wir das Grundgesetz geändert. Derzeit läuft ein entsprechendes Verfahren gegen die NPD beim Bundesverfassungsgericht, ein Urteil wird in Kürze erwartet. Es könnte eine Blaupause für den Umgang mit der AfD werden.

Auch wäre zu überlegen, ob nicht gewissen Schlüsselpersonen aus dem rechtsextremen Spektrum der AfD eine Art Betätigungsverbot auferlegt werden könnte: Wer die Freiheit der Meinungsäußerung zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht, verwirkt danach die damit verbundenen Grundrechte – etwa die Pressefreiheit, die Versammlungsfreiheit und auch die Lehrfreiheit.

Die AfD macht unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung verächtlich, wo immer sie kann, sie hetzt gegen Minderheiten, den Rechtsstaat, gegen Fortschritt und Freiheit. Dagegen müssen und werden wir uns weiter wehren. Ich kann Ihnen versichern: wenn wir dazu von der Ultima Ratio des Parteiverbots Gebrauch machen müssen, dann werden wir es auf den Weg bringen.

Mit freundlichen Grüßen

 

Ulrike Bahr, MdB

 

 

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