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Frage von Thomas S. •

Frage an Ulrich Wilken von Thomas S. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Sehr geehrter Herr Dr. Wilken,

In der Dreieichzeitung vom 07.09.2016 suchte das Seniorenbüro Winkelsmühle in Dreieich Menschen, die sich unbezahlt für die Förderung und Betreuung von Schüler/innen an der Gerhart-Hauptmann-Schule in Dreieich verwenden:

"Aufgabe der ehrenamtlichen Helfer ist neben der Unterstützung bei Problemen mit der deutschen Sprache grundsätzlich auch der Abbau von Barrieren. Es geht um praktische Hilfen in einer Welt, die von Schülern mit ausländischer Herkunft "mitunter erschreckend fremd empfunden" werde."

http://www.dreieich-zeitung.de/dreieich/einzelansicht/article/seniorenbuero-vermittelt-ehrenamtliche-helfer-spielend-lernen-generationen-im-dialog.html

Frage 1:

Wie gehen Sie als MdL mit der Behauptung um, dass die Umwelt von Schülern ausländischer Herkunft an dieser Schule "mitunter erschreckend fremd empfunden" wird?

Frage 2:

Wie gehen Sie mit dem Umstand um, dass das Seniorenbüro Winkelsmühle(wiederholt) Menschen sucht, die unbezahlt eine pädagogische Funktion übernehmen sollen?

Frage 3:

Warum werden keine bezahlten Anstellungen angeboten?

Frage 4:

Was wäre/ist, wenn sich nicht genügend unbezahlte Mitarbeiter/innen für die oben benannten Aufgaben finden lassen?

Ich habe an dieser Schule als studentischer Vertretungslehrer gearbeitet und dort eine aus meiner Sicht generelle personelle und materielle Unterversorgung festgestellt. Ich hatte den Eindruck, dass ich als billiger Student einen Ausgleich von fehlendem Lehrpersonal bilden sollte. Richtig schlimme Erfahrungen habe ich im Frühsommer 2012 an der Ludwig-Erhard-Schule in Frankfurt-Unterliederbach gemacht, wo ich ohne mein Wissen illegal in Form unterbezahlter Leiharbeit in einer satt durchgeknallten Sonderschulklasse 2 Wochen vor der Abschlussprüfung dem pädagogischen Notstand abhelfen sollte.

Frage 5:

Werden Sie die oben benannten Probleme mit beiden benannten Schulen besprechen?

Mit freundlichen Grüßen, Thomas Schüller

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Antwort von
DIE LINKE

Frage 1:
Wie gehen Sie als MdL mit der Behauptung um, dass die Umwelt von Schülern ausländischer Herkunft an dieser Schule "mitunter erschreckend fremd empfunden" wird?

Andere Kulturen und (somit auch Bildungssysteme) kennenzulernen ist immer spannend, allerdings können äußere Umstände auch dazu führen, dass das Tempo des Kennenlernens nicht selbst bestimmt wird. Bei Menschen, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, die beispielsweise aus ihrer Heimat und ihrem vertrauten Umfeld fliehen mussten, sind die neuen Lebensumstände in einem anderen Land mit einem anderen Schulsystem und einer fremden Sprache sicherlich nicht nur spannennd, sondern manchmal auch noch fremd und unverständlich. Ich finde die Formulierung nicht glücklich gewählt, kann aber verstehen, was damit gemeint ist.

Frage 2:

Wie gehen Sie mit dem Umstand um, dass das Seniorenbüro Winkelsmühle(wiederholt) Menschen sucht, die unbezahlt eine pädagogische Funktion übernehmen sollen?

Zunächst einmal habe ich großen Respekt vor der ehrenamtlichen Arbeit so vieler Bürgerinnen und Bürger. Und ich freue mich, dass dieses Engagement den oft fremdenfeindlichen Angriffen bestimmter Gruppierungen in hoher Zahl gegenübersteht.

Dennoch bin ich der Meinung, dass der bildungspolitische und pädagogische Auftrag der schulischen Integration von Fachkräften erledigt werden muss. Es liegt in der Verantwortung des Landes Hessen, seine Schulen so auszustatten, dass sie auch personell über genügend gut ausgebildeter Ressourcen verfügen. Und damit meine ich nicht nur Lehrkräfte, sondern auch Schulpsychologinnen und Schulpsychologen sowie Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter.

Frage 3:

Warum werden keine bezahlten Anstellungen angeboten?

Das ist eine sehr gute Frage, und ich möchte auf die Antwort zu Frage 2 verweisen mit dem Vermerk, dass das Land sich nicht aus seiner Verantwortung stehlen darf.

Frage 4:

Was wäre/ist, wenn sich nicht genügend unbezahlte Mitarbeiter/innen für die oben benannten Aufgaben finden lassen?
Ich habe an dieser Schule als studentischer Vertretungslehrer gearbeitet und dort eine aus meiner Sicht generelle personelle und materielle Unterversorgung festgestellt. Ich hatte den Eindruck, dass ich als billiger Student einen Ausgleich von fehlendem Lehrpersonal bilden sollte. Richtig schlimme Erfahrungen habe ich im Frühsommer 2012 an der Ludwig-Erhard-Schule in Frankfurt-Unterliederbach gemacht, wo ich ohne mein Wissen illegal in Form unterbezahlter Leiharbeit in einer satt durchgeknallten Sonderschulklasse 2 Wochen vor der Abschlussprüfung dem pädagogischen Notstand abhelfen sollte.

Ja, es gibt in der Tat in bestimmten Schulformen wie der Grundschule und den Förderschulen Lehrermangel. Den gibt es nicht erst seit letzten Jahr oder seit fünf Jahren – er ist ein bekanntes Problem. Nun, was hätte sich da langfristig machen lassen? Zunächst einmal muss die Attraktivität dieser Lehrämter durch wesentlich bessere Arbeitsbedingungen gestärkt werden. Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer müssen das gleiche verdienen, wie die Kolleginnen und Kollegen an anderen Schulformen. Hinzu kommt, dass die Pflichtstunden in keinem anderen Bundesland so hoch sind wie in Hessen. Auch weigert sich das Land, Doppelbesetzungen in den Klassen einzuführen, obwohl deren pädagogischer Nutzen in der Wissenschaft unumstritten ist.

Ein ganz wichtiger Schritt ist zudem der massive Ausbau von Stellen für Schulpsychologinnen und Schulpsychologen sowie Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter. Multiprofessionelle Teams wurden nicht zuletzt in der Expertenanhörung der Enquetekommission Bildung „Kein Kind zurücklassen - Rahmenbedingungen, Chancen und Zukunft schulischer Bildung in Hessen“ gefordert.

Ob sich genügend gut qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter finden lassen oder nicht, ist eine spekulative Frage. Sobald das Land Hessen die genannten Stellen ausschreiben würde, ließe sich diese Frage beantworten. Und es wäre eine ideale Möglichkeit für die schwarzgrüne Landesregierung, ein entsprechendes bildungspolitisches Zeichen zu setzen.

Frage 5:

Werden Sie die oben benannten Probleme mit beiden benannten Schulen
besprechen?

Wir haben in den letzten Monaten viele Überlastungsanzeigen von Schulleitungen und Lehrkräften erhalten. Natürlich setzen wir uns mit allen in Verbindung. Wir werden auch die von Ihnen genannten schulen kontaktieren.

Mit freundlichen Grüßen

Ulrich Wilken