Dr. Till Backhaus
Till Backhaus
SPD
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Frage von Jens M. •

Frage an Till Backhaus von Jens M. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Sehr geehrter Herr Minister Dr. Backhaus,

mir liegen Unterlagen des Gen-Ethischen-Netzwerks e. V. vor, danach werden am Versuchsstandort 19205 Schönfeld alleine bereits viele Hunderte ha Land mit genmanipuliertem Raps bestellt.

Hierzu meine vier Fragen:

1) Sind Großbetriebe mit genmanipuliertem Saatgut die Zukunft in Mecklenburg/VP ?
2) Landet das genmanipulierte Rapsöl nicht letztlich in der Nahrungskette auch auf Ihrem / meinem Teller; z.B. als no-name Margarine ?
3) Befürworten Sie persönlich solche Großbetriebe, die genmanipulierte Saat großflächig ausbringen ?
4) Werden diese Gen-Großbetriebe von der EU und/oder vom Land/Bund etwa auch noch gesondert bezuschußt und gefördert ?

Vielen Dank im voraus für Ihre Antworten !

Hochachtungsvoll
gez.
Jens Maier

Dr. Till Backhaus
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Maier,

gerne möchte ich Ihnen auf Ihre Fragen antworten, wenn auch etwas umfangreich, was die Komplexität des Themas erfordert.

Zur 1. Frage: Sind Großbetriebe mit genmanipuliertem Saatgut die Zukunft in Mecklenburg-Vorpommern?

So stellt sich die Frage nicht. Landwirte entscheiden sich für oder wider eine Produktionsrichtung oder ein Produktionsverfahren nicht wegen der Größe ihres Betriebes, sondern unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen für die Produktion und den Absatz von Produkten. Die Größe eines Betriebes hat Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit des Betriebes. So sind eine bessere Auslastung von Technik sowie Lagerungs- und Aufbereitungsanlagen oder die Möglichkeit der Produktion von großen, einheitlichen Partien eher gegeben. Große Betriebe werden zweifellos besser in der Lage sein, bestimmte, allerdings noch festzulegende Koexistenzregeln beim Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen einzuhalten. Eine entscheidende Maßnahme beim Nebeneinander von Betrieben, die konventionell oder ökologisch ohne Anwendung von gentechnisch veränderten Pflanzen wirtschaften, und Betrieben, die mit Hilfe von gentechnisch veränderten Pflanzen wirtschaften, sind die Abstände von Nachbarpflanzen der gleichen Kulturart. Sollte der Abstand von gv-Mais zu Nicht-gv-Mais z. B. 150 Meter betragen, wäre der 500 ha große Betrieb in der Lage, diese Abstände sogar innerhalb der eigenen Fläche zu realisieren. Der 5-ha-Betrieb kann dies nicht.

Die Frage, ob gentechnisch veränderte Pflanzen in einem Betrieb angebaut werden oder nicht, hängt vielmehr von den Vermarktungsmöglichkeiten ab. Wenn die Bevölkerung mehrheitlich gentechnisch veränderte Lebensmittel ablehnt, sind diese nicht vermarktungsfähig. Also wird es auch niemanden geben, der sie anbaut.

Der Einsatz der Grünen Gentechnik ist in der Bevölkerung umstritten. Es wird diskutiert, in welchem Umfang Gentechnik bei unseren Lebensmitteln heute schon eine Rolle spielt. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher sind verunsichert und stellen sich und mir besorgte Fragen. Das hat auch seinen Grund: Zwar werden gentechnisch veränderte Pflanzen weltweit in großem Stil angebaut, aber beim Einkauf im Supermarkt ist davon praktisch nichts zu erkennen. Es gibt große Produktgruppen, bei denen Gentechnik keine Rolle spielt. Bei anderen hingegen sind gentechnische Anwendungen möglich oder gar wahrscheinlich. Auf europäischer Ebene wurde daher die Kennzeichnung von Lebens- und Futtermitteln geregelt, die aus gentechnisch veränderten Organismen hergestellt werden. Anders verhält es sich dagegen mit Lebens- und Futtermittel, die mit Hilfe gentechnisch veränderter Organismen hergestellt werden. So ist Fleisch, das von Tieren stammt, die mit gentechnisch veränderten Futtermitteln gefüttert wurden, nicht entsprechend kennzeichnungspflichtig. Dies war ausdrücklich so gewollt: Es sollte auch demonstrieren, dass gentechnisch veränderte Organismen keine speziellen Risiken für die Gesundheit von Mensch und Tier in sich bergen. Diese Ausnahme hat jedoch eher Misstrauen beim Verbraucher geweckt, und genau das Gegenteil des Gewollten ist eingetreten. Ich unterstütze daher eine Forderung des Landtages Mecklenburg-Vorpommern nach einer Verfahrenskennzeichnung ohne Ausnahmen.

Das Beispiel der Gentechnik zeigt, dass neue Technologien zu Beginn des 21. Jahrhunderts keine Selbstläufer mehr sind. Oft schlägt sich tiefgründige Skepsis am technischen Fortschritt nieder. Ich nehme die Ängste und Besorgnisse in der Bevölkerung ernst. Die Sicherheit für die menschliche Gesundheit zu gewährleisten und Gefahren für die Umwelt abzuwenden, hat stets höchste Priorität. Auf der anderen Seite sollen jene Potenziale, die in der Grünen Gentechnik zweifellos liegen können, nicht ungenutzt bleiben. Wahlfreiheit der Verbraucher und Landwirte als auch die Koexistenz der verschiedenen Bewirtschaftungsformen müssen gewahrt werden. Ich stehe für den vorurteilsfreien und verantwortungsbewussten Umgang mit diesem Bereich der Biotechnologie. Chancen und mögliche Risken müssen abgewogen werden.

Zur 2. Frage: Landet das genmanipulierte Rapsöl nicht letztlich in der Nahrungskette auch auf Ihrem/ meinem Teller; z.B. als No-Name-Margarine?

Rapsöl, das von gentechnisch verändertem Raps stammt, landet dann auf unserem Teller, wenn gekennzeichnete Ware käuflich zu erwerben wäre. Derzeit ist kein gentechnisch verändertes Rapsöl am Markt verfügbar.

Sie schreiben allerdings, dass am "Versuchsstandort 19205 Schönfeld alleine bereits viele Hunderte ha Land mit genmanipuliertem Raps bestellt" wären. Mir ist Derartiges unbekannt. Gleichwohl sollten Sie diese Mitteilung dem in Mecklenburg-Vorpommern zuständigen Sozialministerium machen, damit dort Ihre Angabe geprüft werden kann und ggf. strafrechtliche Schritte eingeleitet werden können.

Zur 3. Frage: Befürworten Sie persönlich solche Großbetriebe, die genmanipulierte Saat großflächig ausbringen?

Bestehen Lebens- und Futtermittel aus gentechnisch veränderten Organismen oder sind sie hieraus hergestellt, dann dürfen sie nur auf den Markt, wenn sie entsprechend geprüft und zugelassen sind. Hierfür gibt es aus gutem Grunde ein europaweit einheitliches Verfahren. So gilt die am Ende getroffene Entscheidung in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft gleichermaßen.

Freisetzungen und Anbau von gentechnisch veränderten Organismen erfolgen auf der Grundlage internationalen, europäischen und nationalen Gentechnikrechts. Basis ist zunächst die Genehmigung der Europäischen Zulassungsbehörden, worauf Entscheidungen verschiedener nationaler Behörden aufsatteln. In Deutschland sind hierfür das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit oder das Bundessortenamt zuständig. Die souveräne Entscheidung des Landwirtes über den Anbau von zugelassenen gentechnisch veränderten Pflanzen ist ebenso zu akzeptieren, wie der Verzicht des Verbrauchers auf gentechnisch veränderte Lebensmittel. Das hat nichts mit groß oder klein zu tun.

Erfolgt Handeln nach Recht und Gesetz darf man solches Handeln nicht stigmatisieren.

Zur 4. Frage: Werden diese Gen-Großbetriebe von der EU und/ oder vom Land/ Bund etwa auch noch gesondert bezuschusst und gefördert?

Im EU-Recht gilt das Gleichbehandlungs-Prinzip. Diese wird auch in Mecklenburg-Vorpommern praktiziert. Betriebe bekommen unabhängig von ihrer Struktur flächenbezogene Ausgleichszahlungen für Ackerland und für Grünland und je nach Produktionsrichtung Zahlungen für Agrarumweltmaßnahmen, Öko-Prämien, Ausgleichszahlungen für benachteiligte Gebiete. Sie müssen ihrerseits neben dem landwirtschaftlichen Fachrecht die so genannten Cross Compliance einhalten. Das sind 19 unterschiedliche Richtlinien der EU zum Umweltschutz, zum Tierschutz, zur Verbrauchersicherheit, zum Arbeitsschutz, zum Gewässerschutz usw. Die Einhaltung unterliegt strengen Kontrollen des Landes und der EU. Bei Verstößen gibt es finanzielle Strafzahlungen für das Land und Rückforderung an den entsprechenden Landwirt. Sie sehen, die Dinge sind viel komplizierter, als sie auf den ersten Blick scheinen und man sollte sich vor vorschnellen Schlüssen hüten.

Mit freundlichen Grüßen,

Till Backhaus

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