Portrait von Thomas Händel
Thomas Händel
DIE LINKE
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Thomas Händel zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Sebastian B. •

Frage an Thomas Händel von Sebastian B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Händel,

wie Ihnen sicherlich bekannt ist, hat das Bundesverfassungsgericht in Deutschland kürzlich die sogenannte Vorratsdatenspeicherung für Verfassungswidrig erklärt. Die deutsche Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG über die Vorratsspeicherung von Daten ist somit gekippt. Eine neue Regelung ist nur unter sehr bestimmten Auflagen Verfassungskonform.
Auch in Rumänien wurde die Vorratsdatenspeicherung vom Verfassungsgericht in der jetzigen Form erst mal gestoppt.

Meine Frage an Sie:
Besteht eine Möglichkeit, dass die EU die Richtlinie 2006/24/EG nun noch einmal vollständig überprüft und gegebenenfalls wieder abschafft? Wie bewerten Sie persönlich hier die Güterabwägung zwischen Freiheit und Sicherheit?

Sollte es noch Fragen Ihrerseits geben, so stehe ich Ihnen jeder Zeit und gerne zur Verfügung; zur weiteren Information empfehle ich Ihnen die Webseite des Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (vorratsdatenspeicherung.de).

Vielen Danke für Ihre Arbeit und freundliche Grüße, Sebastian Bartsch

Portrait von Thomas Händel
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Bartsch,

DIE LINKE hat eine klare Positionierung zur Vorratsdatenspeicherung:

„ Wir glauben nicht, dass dadurch, dass die Telefondaten aller Bürger für sechs Monate gespeichert werden, ein sinnvoller Beitrag gegen irgendwelche Verbrechen geleistet wird. Ganz im Gegenteil: Schaden entsteht für alle Bürgerinnen und Bürger dadruch, dass ihre Daten gespeichert, sie alle einem Generalverdacht ausgesetzt werden und - wenn es denn jemand will - über Bürgerinnen und Bürger Kommunikationsprofile erstellt werden können.

Die Vorratsdatenspeicherung beschädigt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, wonach jede/r das Recht haben muss, über seine Daten selbst entscheiden zu können und damit Herr über seine sozialen, politischen und wissenschaftlichen Kontakte und Verbindungen ist.

Die Vorratsdatenspeicherung kann und wird konkrete Folgen haben. Das Gesetz ist eine Gefahr für die Pressefreiheit und für das Berufsgeheimnis von Ärzten, Seelsorgern oder Rechtsanwälten. Weil keine Kommunikation mehr privat ist (sondern für viele Monate gespeichert wird), können Journalisten ihren Quellen keinen seriösen Schutz mehr garantieren.

Mit der Vorratsdatenspeicherung wird der Staat unvorstellbar viele Informationen über »seine« Bürgerinnen und Bürger sammeln können. Es werden zwar »nur« die Verbindungsdaten registriert; aber die lassen Rückschlüsse auf den Inhalt der Kommunikation zu. Wer lange Telefonate mit einem teuren Strafverteidiger führt oder wer ständig bei der AIDS-Beratung anruft, kann dies künftig ebenso wenig verheimlichen wie Telefonate mit der Ärztin oder dem Pfarrer.

Die Fraktion DIE LINKE lehnt die Vorratsdatenspeicherung ab. Sie ist ein nicht zu rechtfertigender unverhältnismäßiger Eingriff in die Bürgerrechte. Wir finden es nicht akzeptierbar, alle Bürgerinnen und Bürger auf Vorrat zu überwachen.

Am 02.03.2010 hat das Bundesverfassungsgericht über die größte Verfassungsbeschwerde entschieden, die es jemals in der Bundesrepublik gab. Das Bundesverfassungsgericht hat das Gesetz verworfen, die bisher gespeicherten Daten müssen vernichtet werden. Der Gesetzgeber wird zukünftig zu strikten Regelungen zu Speicherung, Verwendung, Löschfristen aufgefordert.“

Dem kann ich mich nur anschließen, womit, so hoffe ich, auch die Frage nach meiner persönlichen Bewertung der Abwägung zwischen Sicherheit und Freiheitsrechten beantwortet ist.

Ob damit auch eine Revision der RL 2006/24/EG in greifbare Nähe gerückt ist wage ich zu bezweifeln. Dem Europäischen Parlament fehlt für eine entsprechende Initiative die Kompetenz, Rat und Kommission haben bisher wenig Interesse bekundet, diese Richtlinie einer Revision zu unterziehen.

Somit bleibt, durch gesellschaftliches Engagement und weitere höchstrichterliche Entscheidungen in den Mitgliedstaaten den Druck auf Rat und Kommission zu erhöhen und so eine Revision zu erzwingen. Ich würde mich über eine solche Entwicklung sehr freuen und sie nach Kräften unterstützen.

Solidarische Grüße

Ihr Thomas Händel