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Thea Dückert
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Frage von Andreas B. •

Frage an Thea Dückert von Andreas B. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Wie kann es sein, daß jemand wie Sie, die ja mit Sicherheit auch in der Friendensbewegung mitgewirkt hat, solchen Einsätzen zustimmt. Die Grünen, die ja mit aus der Friedensbewegung entstanden sind, werden immer mehr zum Wegbereiter von Auslandseinsätzen der BW. Man weiß ja schon garnicht mehr wo die BW überall mitmischt. Seit dem 1. Auslandseinsatz im Kosowo, der ja unter der Federführung der GRÜNEN durchfgeführt wurde, wird ja geradezu infaltionär einem Auslandseinatz nach dem anderen Zugestimmt. Ich dachte die GRÜNEN und insbesondere Sie hätten aus der deutschen Geschichte gelernt. Aber scheinbar habe ich mich da getäuscht.
Sie sind damit aber nicht mehr wählbar!
Wie alle Parteien, die einmal das süße Gift der Macht und der entsprechenden Gelder genossen hat, verraten die Grünen immer mehr ihre Grundsatzpositionen und ihre Wurzeln! Schade!

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Billewicz,

ich habe dem Kongo-Einsatz zugestimmt, obwohl ich einige Bedenken hatte. Zu der Abstimmung habe ich gemeinsam mit einigen anderen Grünen Abgeordneten, die ebenfalls zugestimmt haben, eine persönliche Erklärung verfasst, die die Gründe für meine Zustimmung darlegen. Ich hänge die Erklärung hier an, darin können Sie die Gründe im einzelnen nachlesen.

Ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht. Und sie hat auch ganz sicher nichts mit Macht zu tun. Es ist richtig, dass wir Grünen in unserer Regierungszeit einen großen Wandel vollzogen haben. Und den haben wir als diskussionsfreudige Partei gut bewältigt. Wir mussten erkennen, dass mit Pazifismus allein der Weltfrieden nicht zu erhalten ist. Das hat nicht jedem gefallen, und sicher kann man unterschiedliche Meinungen dazu haben. Ich jedoch meine, dass es ein richtiger Weg ist, hier auch einmal von alten Dogmen zu lassen, um das richtige zu tun. Gerade das Votum der grünen Bundestagsfraktion zur Verlängerung von Enduring Freedom im Bundestag im November hat gezeigt, dass wir nicht stur irgendwelchen Dogmen anhängen, sondern von Fall zu Fall abwägen und immer wieder neu diskutieren. Das war, ist und bleibt ein wichtiges Merkmal Grüner Politik.

Auf dem jüngsten Parteitag in Köln wurde ein Beschluss zur Afghanistan-Politik gefasst, der sich zwar für Gewaltfreiheit ausspricht, aber auch ausdrücklich anerkennt, „dass sich die Anwendung von rechtsstaatlich und völkerrechtlich legitimierter Gewalt nicht immer ausschließen lässt.“ Auch die Notwendigkeit von Militäreinsätzen, um Gewalt einzudämmen, wird anerkannt. Daran zeigt sich, dass es sich nicht um „die Machtinhaber“ handelt, die dieser Meinung anhängen, sondern dass die Diskussion breit in der Partei geführt wurde und dass die Partei mehrheitlich glaubt, den neuen Herausforderungen mit neuen Wegen begegnen zu müssen – ohne dass dabei grundsätzliche Werte auf’s Spiel gesetzt werden.

Mit freundlichen Grüßen

Thea Dückert

Erklärung nach § 31 GO

der Abgeordneten Dr. Thea Dückert, Priska Hinz (Herborn), Bärbel Höhn, Birgitt Bender, Kerstin Andreae, Katrin Göring-Eckardt, Peter Hettlich, Jerzy Montag, Silke Stokar von Neuforn, Britta Haßelmann, Elisabeth Scharfenberg, Cornelia Behm, Rainder Steenblock, Margareta Wolf (Frankfurt), Kai Boris Gehring, Wolfgang Wieland, Ulrike Höfken, Anna Lührmann und Anja Hajduk (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur namentlichen Abstimmung über die Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Operation EUFOR RD CONGO zur zeitlich befristeten Unterstützung der Friedensmission MONUC der Vereinten Nationen während des Wahlprozesses in der Demokratischen Republik Kongo auf Grundlage der Resolution 1671 (2006) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 25. April 2006 (Tagesordnungspunkt 3)

Trotz einiger Bedenken stimmen wir der Beteiligung der Bundeswehr an der EU-Truppe zur Unterstützung der UNO-Blauhelmtruppe MONUC zur Absicherung des Wahlprozesses in der Demokratischen Republik Kongo zu.

Der Zickzackkurs der Bundesregierung und insbesondere des Verteidigungsministers im Vorfeld der EU-Mission war nicht vertrauensbildend und macht eine Zustimmung nicht leicht. Auch gab es Fragezeichen, ob die EU-Mission ihrem Anspruch, zu einem friedlichen Wahlverlauf beizutragen, einlösen kann.

In unseren Augen überwiegen aber eindeutig die Argumente für die EU-Mission. Selbstverständlich geht es bei der Entscheidung über die deutsche Beteiligung an der EU-Mission EUFOR nicht darum, einen langwierigen, komplizierten und blutigen Konflikt militärisch zu lösen. Konfliktlösung kann es nur politisch geben. Dieser politische Friedensprozess, der eine Demobilisierung und Reform von Polizei und Streitkräften einschließt, läuft seit Jahren und wird maßgeblich von der EU unterstützt.

Nachdem die Staatengemeinschaft und Weltöffentlichkeit jahrelang den Krieg im Kongo – mit fast 4 Mil­lionen Toten der opferreichste seit dem Zweiten Weltkrieg – kaum beachtete, besteht jetzt die Chance für eine breite Aufmerksamkeit und Unterstützung für den Friedensprozess in der Demokratischen Republik Kongo, DRK. Dabei darf die Debatte nicht, wie es überwiegend geschieht, auf die Frage des Militäreinsatzes verkürzt werden. Vielmehr muss die gesamte Stabilisierungs- und Aufbaupolitik in den Blick genommen werden.

Die Demokratische Republik Kongo steht in den nächsten Monaten an einem Scheideweg. Die im Übergangsprozess vereinbarten und von der Bevölkerung ganz überwiegend gewünschten Wahlen und ihr friedlicher und möglichst fairer Verlauf sind eine entscheidende Voraussetzung für eine weitere Befriedung des Landes und den Wiederaufbau staatlicher Strukturen. Andernfalls droht ein Rückfall in breite Gewalt, ja den Bürgerkrieg. Da kongolesische Polizei und Streitkräfte bisher nur zum kleinen Teil einsatzfähig und verlässlich sind, ist die Internationale Gemeinschaft gefordert, für ein Mindestmaß an Sicherheit zu sorgen.

Darum bemüht sich MONUC vor allem in den Hauptkonfliktregionen im Osten, wo die größte UNO-Truppe stationiert ist. In der Hauptstadt ist sie hingegen zu schwach, vor allem im Hinblick auf mögliche Putschisten. Verstärkungsforderungen im Sicherheitsrat wurden von USA und China blockiert. In dieser Situation wurde die EU, die sich ausdrücklich als UNO-freundlich begreift, zum einzigen Ausweg.

Die Behauptung, die EU-Truppe sei überflüssig, ist falsch. Sie ignoriert die dringende Bitte der UNO und auch die Forderung von MONUC und UNO-Unterorganisationen in der DRK, die Forderung gerade der kongolesischen Zivilgesellschaft und der allermeisten humanitären und Entwicklungsorganisationen, die sich in der DRK engagieren. Eine Unterstellung ist der Vorwurf, ausschlaggebend für die EU-Mission sei ein neokoloniales Interesse an den reichen Bodenschätzen der DRK. Die Mission soll im Gegenteil ein Beitrag auf dem langen Weg zu Rechtsstaatlichkeit und „guter Regierungsführung“ sein, der Voraussetzung dafür, dass die Reichtümer der DRK endlich der eigenen Bevölkerung zu gute kommen.
Nach Beschluss des UNO-Sicherheitsrates, der Zustimmung der Regierungsmitglieder der DRK, der Zivil­gesellschaft und der Nachbarstaaten steht die Legitimität der EU-Mission außer Zweifel.

Frühere Angaben der Bundesregierung ließen zunächst erhebliche Zweifel aufkommen, ob die EU-Mis­sion ihren Auftrag der MONUC-Unterstützung einschließlich Nothilfe in und gegebenenfalls außerhalb Kinshasas, der Flughafenabsicherung und Notfallevaku­ierung erfüllen könnte. Eine EU-Truppe, die nur zur Evakuierung von Europäern oder als bewaffnete Wahl­helfer für den bisherigen Präsidenten Kabila gedacht ge­wesen wäre, hätte dem Stabilisierungsprozess nur geschadet und hätte abgelehnt werden müssen. Angesichts der inzwischen aufgestockten multinationalen Kapazitäten auch in Kinshasa und des begrenzten und klareren Auftrages sind diese Bedenken erheblich reduziert bzw. ausgeräumt. Die EU-Mission scheint ihren Auftrag der unterstützenden Wahlabsicherung in einer kritischen Phase in einer kritischen Region leisten zu können. Ein Mangel des Kabinettsbeschluss ist, dass in ihm die Sol­daten nicht explizit zur Nothilfe ermächtigt sind. Dies wäre zur besseren Klarheit des Mandats wichtig gewesen.

Angesichts der Risiken, denen vor allem MONUC-Soldaten aus der Dritten Welt in den Ostprovinzen, aber auch viele zivile Helfer und Experten sowie Tausende Wahlbeobachter im ganzen Land ausgesetzt sind, scheinen die Risiken für die deutschen Soldaten verantwortbar.

Über die EU-Mission hinaus müssen Bundesregie­rung und EU alles Mögliche dafür tun, damit der Wahlprozess auch möglichst frei und fair verläuft: Der innerkongolesische Dialogprozess ist zu fördern, um die politischen Spannungen zu reduzieren. Der Unabhängigen Wahlkommission soll eine ausreichende Zahl an internationalen Wahlbeobachtern angeboten werden. Die Vorbereitung, Organisation und Beobachtung der Wahlen ist nach Kräften zu unterstützen.
Die Wahlen sind eine entscheidende Schwelle, hinter der mit dem Abzug der EUFOR-Soldaten das europäische Engagement aber nicht geringer werden darf. Wir bekräftigen die Forderungen im Entschließungsantrag der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen an die Bundesregierung, dass sie und die EU ihr bisheriges Engagement vor allem in folgenden vier Bereichen ausbauen und verstetigen müssen: a) Prozess der Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung ehemaliger Kämpfer und Kindersoldaten in die Gesellschaft und Sicherheitssektorreform (Polizei, Armee, Aufbau von Zoll- und Grenzpolizei), b) Wiederaufbau von Verkehrsinfrastruktur und administrativen Kapazitäten des Staates, c) gute Regierungsführung, Aufbau einer unabhängigen Justiz und Korruptionsbekämpfung sowie d) Rückgewinnung der staatlichen Kontrolle über die Bodenschätze zugunsten der Bevölkerung.

Die EU-Mission ist keine hinreichende, aber eine notwendige Voraussetzung für den Fortgang des Friedensprozesses in der geschundenen DRK – und damit eine wichtige Voraussetzung für eine dauerhafte Beilegung gewaltsamer Konflikte in der gesamten zentralafrikanischen Region der Großen Seen und somit von zentraler afrikapolitischer Bedeutung.

Diese Chance würden wir mit einer Ablehnung der EU-Mission aufs Spiel setzen. Das wollen und können wir nicht verantworten.