Das Foto zeigt eine Portraitaufnahme von Tabea Rößner vom Juni 2021.
Tabea Rößner
Bündnis 90/Die Grünen
93 %
39 / 42 Fragen beantwortet
Frage von Nico S. •

Frage an Tabea Rößner von Nico S. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Wir haben derzeit in Sozialkunde das Thema Abgeordneten und wir sollen ein Referat zu diesem Thema erstellen. Und es wäre toll wenn Sie uns diese beantworten könnten
(Die Antworten werden in unserem Referat vorkommen).

1. Warum haben Sie den Beruf gewählt?
2. Wer darf alles diesen Beruf ausüben?
3. Was sind Diäten und wieso erhält man die?
4. Was sind ihre Aufgaben?
5. Wie oft im Monat müssen sie an Sitzungen teilnehmen?
6. Ist der Beruf anstrengend?
7. Muss ein/e Abgeordnete/r Steuern zahlen?
8. Haben Abgeordnete Urlaub?
9. Reisen Abgeordnete Kostenlos?
10. Was ist das Zeugnisverweigerungsrecht?
11. Gibt es einen Dresscode?
12. Welchen Menschen würden sie diesen Beruf empfehlen (welche Eigenschaften sollte man haben)?

Ich würde mich sehr über eine Antwort freuen!
Vielen Dank im Voraus

Das Foto zeigt eine Portraitaufnahme von Tabea Rößner vom Juni 2021.
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Lieber N. S.,

ich hatte viele Termine und war auch noch auf einer Dienstreise, so dass ich es leider nicht schneller geschafft habe, Ihnen zu antworten.
Ich hoffe, ich konnte alle Fragen verständlich beantworten.

Herzliche Grüße
Tabea Rößner

1. Warum haben Sie den Beruf gewählt?
Ich habe den Beruf nicht „gewählt“, sondern mein jahrelanges ehrenamtliches Engagement hat irgendwann zu der Frage geführt, ob ich Politik hauptberuflich machen möchte.
Bereits seit meiner frühestens Jugend habe ich mich engagiert, zunächst in der Friedensbewegung, gegen Atomkraft, für einen gerechten Welthandel und gegen die Apartheid in Südafrika, ich war in Amnesty International-Gruppen aktiv und habe im Dritte Welt-Laden verkauft. In meiner Studienzeit habe ich mehr durch Zufall Kontakt mit den Frankfurter Grünen bekommen und eine Unigruppe gegründet wie auch einen Jugendstammtisch, aus dem später die Grüne Jugend hervorging.
Studiert habe ich Musikwissenschaft, Kunstgeschichte und Filmwissenschaft mit dem Magisterabschluss. Danach habe ich noch ein Journalistik-Aufbaustudium absolviert, während ich bereits bei verschiedenen Medien arbeitete. Bevor ich in den Bundestag gewählt wurde, habe ich fast zwanzig Jahre als Autorin und Redakteurin gearbeitet (zuletzt bei der Kindernachrichtensendung logo!), und ich bin froh, dass ich in verschiedenen Bereichen Berufserfahrung sammeln konnte.
Zu Beginn meiner beruflichen Tätigkeit habe ich mein politisches Engagement eingestellt, musste allerdings sehr schnell feststellen, dass es nicht genügend Kinderbetreuungsplätze gab und zu wenig Politiker*innen, die meine Interessen als berufstätige - und später alleinerziehende - Mutter vertraten. Deshalb habe ich erneut begonnen, mich in meiner Freizeit zu engagieren.
Als ich 2006 gefragt wurde, ob ich für den rheinland-pfälzischen Landtag kandidieren wolle, habe ich sehr mit mir gerungen, denn mein Beruf hat mir immer sehr viel Freude bereitet. Da der Spagat zwischen Beruf und Familie schon groß genug ist, und dazu noch das ehrenamtliche politische Engagement kam, habe ich mich für die Kandidatur entschieden - ein großer Fehler. Denn die Grünen flogen damals aus dem Landtag raus, und meine Redaktion hatte für mich (ich war freiberuflich tätig) bereits eine Nachfolgerin verpflichtet. So stand ich da: ohne Job und ohne zu wissen, wovon ich meine Kinder ernähren sollte. Ich wollte damals mit der Politik aufhören und mich ganz meiner beruflichen Laufbahn und meinen Kindern widmen. Dann sollte in Mainz aber ein Kohlekraftwerk gebaut werden, und ich habe gegen diesen Irrsinn gekämpft - erfolgreich. Als 2009 die Kandidatur für den Bundestag an mich herangetragen wurde, war ich sehr zurückhaltend und habe auch nicht gedacht, dass es klappen würde.

2. Wer darf alles diesen Beruf ausüben?
Jede und Jeder kann Abgeordnete*r werden. Voraussetzungen sind die Vollendung des 18. Lebensjahres am Wahltag, die deutsche Staatsbürgerschaft, kein Ausschluss vom Wahlrecht sowie die Unterstützung einer Partei, die eine Landesliste für die Bundestagswahl aufstellt. Theoretisch können auch parteilose Kandidatinnen und Kandidaten in den Wahlkreisen antreten, wenn mindestens 200 Wahlberechtigte deren Kandidatur unterstützen. Dies ist aber in der Regel nicht erfolgreich.

3. Was sind Diäten und wieso erhält man die?
Diäten sind Aufwandsentschädigungen, die Abgeordnete für ihre Arbeit im Bundestag erhalten. Bevor vor über hundert Jahren Diäten eingeführt wurden, war die Mitgliedschaft im Parlament ehrenamtlich. Das hatte zur Folge, dass sich nur reiche Menschen ein Mandat leisten konnten - und damit die Interessenvertretung der Bevölkerung sehr einseitig war. Als Abgeordnete des Bundestags ist es aufgrund der vielen Termine kaum möglich, dem ursprünglichen Beruf nachzugehen. Zudem kann es auch zu Interessenkonflikten kommen.
Dass Abgeordnete Diäten erhalten, ist also vor allem aus einem Grund wichtig: Sie sollen ihr Mandat frei und unabhängig ausüben können, nur nach ihrem Gewissen entscheiden und sich nicht bestechen lassen durch Zahlungen von anderen. Und das soll eben auch Personen aus weniger begünstigten Familien ermöglicht werden.

4. Was sind ihre Aufgaben?
Als Abgeordnete in Berlin muss ich Gesetzesentwürfe beraten und beschließen sowie politisches Handeln kommunizieren. Im Gegensatz zum allgemeinen Verständnis, Abgeordnete würden wenn überhaupt nur im Plenarsaal sitzen und hätten sonst nicht zu tun, sind die Plenardebatten nur ein kleiner Teil der Arbeit. Die eigentliche Arbeit findet in Ausschüssen und Anhörungen statt. Darüber hinaus muss ich an vielen weiteren Sitzungen teilnehmen: Berichterstattergespräche, Fraktionssitzung, Arbeitsgruppen, Arbeitskreise oder Besprechungen mit anderen Abgeordneten, mit denen ich mich über gemeinsame Positionen abstimme. Zudem finden Treffen mit Vertreter*innen verschiedener Branchen und Expert*innen statt, um die unterschiedlichen Interessen abwägen zu können oder mir fundiertes Hintergrundwissen zu den Themen anzueignen, über die später im Bundestag abgestimmt wird. Oft wird auch meine Teilnahme an Kongressen und Podiumsdiskussionen angefragt.
Öffentlichkeitsarbeit wie Interviews, die Beantwortung von Bürgerbriefen oder Anfragen wie diesen hier, viele Telefonate und Veranstaltungen in meinem Wahlkreis Mainz oder in meinem Bundesland Rheinland-Pfalz gehören ebenfalls zu den Aufgaben. Und letztlich kommen Parteitage oder Landesarbeitsgemeinschaften - meist an Wochenenden - hinzu. Da kommen schon mal 70 bis 80 Arbeitsstunden in der Woche zusammen.

5. Wie oft im Monat müssen sie an Sitzungen teilnehmen?
Das kommt darauf an: In der Regel gibt es pro Jahr 23 Sitzungswochen, die voll mit Sitzungen sind - manchmal sind die stündlich angesetzt. Auch wenn in den normalen Sitzungswochen Dienstag bis Freitag als Sitzungstage festgelegt sind, habe ich am Montag bereits Sitzungen der Enquetekommission „Künstliche Intelligenz“. An den Tagen mit Anwesenheitspflicht müssen sich die Abgeordneten persönlich in Anwesenheitslisten eintragen. Tun sie das nicht, wird ihnen Geld abgezogen. Die Zahl der Sitzungen sind schwer zu beziffern.

6. Ist der Beruf anstrengend?
Als Abgeordnete bin ich viel unterwegs. Jeden Tag mehrere Sitzungen und Termine, die sich teilweise überschneiden, so dass ich oft von einem zum nächsten eile und wenig Zeit für Verschnaufpausen, oder gar zum Mittagessen, bleibt. Außerdem wohnen die meisten Abgeordneten mit ihren Familien nicht in Berlin, weswegen viele zwischen Berlin und Zuhause hin- und herpendeln. Ich komme zum Beispiel aus Mainz, was über fünf Stunden mit dem Zug von Berlin entfernt ist. Wenn ich am Wochenende nach Hause will, muss ich also immer eine große Strecke zurücklegen. Hinzu kommt, dass dann auch häufig Veranstaltungen in meinem Wahlkreis oder in Rheinland-Pfalz sind, die wichtig sind, um mit den Leuten vor Ort ins Gespräch zu kommen. Der Terminplan ist also an sieben Tagen die Woche ziemlich voll. Das ist schon auch anstrengend, aber vor allem eine sehr schöne und erfüllende Aufgabe.

7. Muss ein/e Abgeordnete/r Steuern zahlen?
Ja, Abgeordnete müssen genauso Steuern zahlen wie alle anderen auch.

8. Haben Abgeordnete Urlaub?
Laut dem Abgeordnetengesetz haben Abgeordnete keinen Anspruch auf Urlaub. Sie können selbst darüber entscheiden, ob und wie lange sie Urlaub machen. Allerdings haben sie oft so viele Verpflichtungen, dass für Urlaub nur wenig Zeit bleibt.

9. Reisen Abgeordnete kostenlos?
Der Deutsche Bundestag bezahlt den Abgeordneten ihre Reisekosten, damit sie ihr Mandat ausüben können. Abgeordnete, die einen weiten Weg nach Berlin haben, dürfen keine Nachteile gegenüber den Abgeordneten haben, die im Umkreis von Berlin leben. Alle Abgeordneten erhalten eine BahnCard, aber es werden auch Flugtickets bezahlt, wenn sie dienstlich reisen. Private Reisen müssen die Abgeordneten selbst bezahlen.

10. Was ist das Zeugnisverweigerungsrecht?
Das Zeugnisverweigerungsrecht bedeutet, dass Abgeordnete keine Auskunft über Personen geben müssen, die ihnen vertrauliche Mitteilungen gemacht haben. Das soll das Vertrauen zwischen Abgeordneten und Bürger*innen wie auch Informant*innen stärken.

11. Gibt es einen Dresscode?
Nein, zum Glück nicht. Jeder und jede Abgeordnete entscheidet also selbst, wie er oder sie dem Parlament gegenüber Respekt zeigt. Inzwischen ist es in Ordnung, in Jeans an Plenardebatten teilzunehmen. Als Schriftführerin, die neben dem Präsidenten im Präsidium sitzt, ist ganz besonders auf ein respektvolles Auftreten zu achten. Männliche Schriftführer sollen aber Krawatte oder Fliege tragen.

12. Welchen Menschen würden sie diesen Beruf empfehlen (welche Eigenschaften sollte man haben)?
Menschen, die kommunikativ und belastbar sind, die Freude an Diskussionen haben und leidenschaftlich für ihre Anliegen eintreten. Wie oben beschrieben ist der Beruf anstrengend, man braucht auf jeden Fall viel Energie, Ausdauer und sollte zeitlich flexibel sein, denn geregelte Arbeitszeiten gibt es nicht. Die wichtigste Eigenschaft, die man mitbringen sollte, ist die Motivation, etwas bewirken zu wollen. Und den Mut, sich aktiv für eine Sache einzusetzen und dabei hartnäckig zu bleiben, auch wenn es manchmal schwierig ist und man auf Widerstand stößt. Dann kann man wirklich etwas bewegen.

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