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Sylvia Kotting-Uhl
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Frage von Peter D. •

Frage an Sylvia Kotting-Uhl von Peter D. bezüglich Umwelt

Sehr geehrte Frau Kotting-Uhl,

ich schreibe Ihnen im Namen einer Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern Ihres Bundestags-Wahlkreises. Wir sind die Karlsruher Lokalgruppe des Vereins „Micha Deutschland“ (www.micha-deutschland.de), in dem sich Christinnen und Christen aus ganz Deutschland und darüber hinaus in einem internationalen Netzwerk für globale Gerechtigkeit, Armutsbekämpfung und Nachhaltigkeit einsetzen. Unser Ziel ist, als zivilgesellschaftliche Gruppierung zur Umsetzung der Agenda 2030 bzw. zum Erreichen der Nachhaltigkeitsziele (SDGs = sustainable development goals) der Vereinten Nationen beizutragen, indem wir Vorträge, faire Stadtradtouren, Workshops etc. veranstalten und mit Politikern ins Gespräch kommen.

Um auf Dauer auf diesem Planeten zu bestehen ist uns vor allem die ökologische Nachhaltigkeit und Klimagerechtigkeit sehr wichtig. Der Earth Overshoot Day, der in diesem Jahr 13 Tage früher erreicht wurde als im letzten Jahr, zeigt dies sehr deutlich: Am 02.08.2017 hat die Weltbevölkerung bereits alle Ressourcen verbraucht, die die Erde in diesem Jahr auf natürliche Weise zur Verfügung stellen kann. D.h., ab letzter Woche leben wir bis zum Ende des Jahres auf Kredit unserer Kinder und anderer Nationen. Deshalb sind wir insbesondere daran interessiert wie ressourcenschonendes Wirtschaften auf lokaler, nationaler und globaler Ebene realisiert werden kann.

Unsere Fragen an Sie sind:
Was muss aus ihrer Sicht getan werden, damit sich im Industriestandort Deutschland nachhaltige Geschäftsmodelle flächendeckend durchsetzen?
Welche Konzepte haben Sie, um den CO2-Ausstoß und Ressourcenverbrauch auf nationaler Ebene drastisch zu reduzieren?

Wir sind gespannt auf Ihre Antwort und wünschen Ihnen alles Gute und Gottes Segen für Ihre Arbeit,

Mit freundlichen Grüßen,
Ihre „Micha-Lokalgruppe“

www.facebook.com/Micha.Lokalgruppe.Karlsruhe
www.nehemia-initiative.de/de/Die-Nehemia-Initiativen/Micha-Initiative

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Diez, sehr geehrte Mitglieder der "Micha-Lokalgruppe",

danke für Ihre Zuschrift. Ich gebe Ihnen völlig Recht: die entscheidenden Anforderungen der Gegenwart sind ökologische Nachhaltigkeit und Klimagerechtigkeit. Leider hat die amtierende Bundesregierung hier inzwischen den Rückwärtsgang eingelegt. Anstatt zu sinken, steigen die CO₂-Emissionen wieder. Wie man auch am Umgang mit dem Skandal der Automobilwirtschaft sehen kann, ist der kurzfristige Blick auf die Arbeitsplätze der Gegenwart stärker als der Blick in die Zukunft und der Gedanke an unsere Kinder, deren Gesundheit und Lebenschancen. Wir versündigen uns am Recht nachfolgender Generationen auf intakte natürliche Lebensgrundlagen.

In meiner Bundestagsfraktion sind deshalb Konzepte entstanden, Wirtschaft und Ökologie zusammenzubringen. Im Dezember 2016 haben wir das grüne Notfallprogramm für Klimaschutz entworfen:

Damit die deutsche Industrie wettbewerbsstark und offen für Innovationen so bleibt, muss die zukünftige Regierung mit einer Effizienzoffensive die Klimaschutzanstrengungen weiter flankieren. Wir werden im Rahmen dessen die Anreize für die Industrie erhöhen, in Klimaschutz und Effizienzsteigerung zu investieren. Die Subventionen die zu Lasten kleiner Unternehmen, des Handwerks, des Mittelstands und der Haushalte gehen, müssen unbedingt und schnell wieder auf die wenigen Wirtschaftsbereiche zurückgeführt werden, die durch die deutsche Regelung reale Nachteile im internationalen Wettbewerb haben.

Die Schaffung finanzieller Anreize führt zur Ausweitung von Energiemanagement-Systemen und zur Optimierung des Anlagenbetriebs und zum Einsatz bester verfügbarer Technologien sowie Anpassung von Normen und Standards, verbunden mit entsprechenden Beratungs- und Förderprogrammen.

Das nützt dem Klima und den Unternehmen sehr viel besser, um effizienter und damit wettbewerbsfähiger zu werden. Alles das wollen wir im Rahmen einer „Effizienzoffensive Industrie“ noch deutlich vor 2020 angehen, um bereits erste positive Effekte mit Blick auf das 40-Prozent Klimaziel zu erreichen.

CO₂-Ausstoß und Ressourcenverbrauch wollen wir auf diese Weise reduzieren:

Kohleausstieg einleiten:
Im Dialog mit allen Beteiligten wird ein Ausstiegskonzept erarbeitet. Durch Jahresemissionsbudgets werden alte und ineffiziente Kohlekraftwerke vom Markt gedrängt und klare CO2-Reduktionsfahrpläne erstellt. (Diese Emissionsreduktionen überschneiden sich mit denen der folgenden Maßnahmen.)

CO2-Mindestpreis einführen:
Durch einen nationalen CO₂-Mindestpreis von 20 Euro/t CO₂ erhöhen sich die Erzeugungskosten für Kohlestrom.

Quecksilber-Emissionen senken:
Die Umsetzung der Minamata-Konvention über Quecksilber mittels Grenzwerten führt zu einer Nachrüstung oder Drosselung der schmutzigsten Kraftwerke.

Erneuerbare Energien stärker ausbauen:
Der Anteil Ökostrom wird auf mindestens 40 Prozent bis 2020 gesteigert. Mehr PV-Zubau, zum Beispiel durch Rücknahme der „Sonnensteuer“, Ausschöpfung der De-minimis-Regelung und höheren Ausschreibungsmengen. Mehr Erneuerbare bedeuten weniger Bedarf an CO₂-trächtigen fossilen Kraftwerken.

Lkw-Maut:
Lkw-Maut für Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen und bis 2020 eine Ausdehnung auf das gesamte Straßennetz.

Dienstwagenprivileg abschaffen und die Kfz-Steuer reformieren:
Abschaffung der steuerlichen Vorteile für schwere verbrauchstarke Dienstwagen, die steuerliche Angleichung von Benzin und Diesel und die vollständige Umstellung der Kfz-Steuer für Pkw, leichte Nutzfahrzeuge und Lkw auf die Bemessungsgrundlage Verbrauch (CO₂) nach einem Bonus-Malus-System.

Verkehrswende einleiten:
ÖPNV stärken und einen Mobilitätspass einführen, E-Mobilität zum Durchbruch verhelfen.

Wärmepaket „Faire Wärme“:
Das grüne Wärmepaket zeigt Wege, wie Energieverbrauch und Heizkosten gesenkt und zugleich Wohnkomfort und Lebensqualität gerade für Geringverdienende gesteigert werden können. Dafür wollen wir insgesamt rund sieben Milliarden Euro jährlich zur Verfügung stellen und damit Energiesparen und erneuerbare Wärme fördern.

Förderprogramm kommunale Liegenschaften:
100 Millionen Euro für die energetische Sanierung kommunaler Gebäude.

Steuerliche Förderung:
Steuerliche Förderung der energetischen Modernisierung durch selbstnutzende Eigentümerinnen und Eigentümer von Wohngebäuden als zusätzlicher Anreiz.

EE-Wärme:
Ausweitung des EE-Wärmegesetzes auf Bestandsbauten und Marktanreizprogramm aufstocken.

Heizungsmodernisierung:
Alte ineffiziente Nachtspeicherheizungen werden bis 2020 sukzessive von modernen Heizungen ersetzt. (Für Nachtspeicherheizungen gilt die gleiche Gesetzeslage wie für andere Heizungen auch). Die entsprechende Vorgabe (2012 von der FDP aus der EnEV gestrichen) wird wieder eingeführt und mit einer Förderung aus dem Energiesparfonds gekoppelt.

Energiespargesetz:
Wir wollen ein umfassendes Energiespargesetz, das verbindliche Ziele für die einzelnen Sektoren formuliert. Maßnahmen wirken vor allem mittel- bis langfristig.

Energieeffizienz zum Geschäftsmodell machen:
Zur Umsetzung von Artikel 7 der EU-Effizienz-Richtlinie wollen wir das Instrument der Wettbewerblichen Ausschreibungen attraktiver machen.

Ökologische Landwirtschaft, Wälder, Moore und Grünland:
Wir wollen die ökologische Forst- und Landwirtschaft ausweiten und über Maßnahmenpakete das Dauergrünland erhalten und wo möglich neu anlegen, die Torfverwendung beenden und die Moore wo nötig und möglich renaturieren. Stallbauvorhaben werden nur noch dann gefördert, wenn sie tiergerechter sind und weniger Tiere pro Fläche bedeuten.

Düngeverordnung:
Wir wollen die Düngeverordnung so verbessern, dass sie den Einsatz von Düngemitteln und die bestehende Überdüngung auf ein klima-, natur- und wasserverträgliches Maß reduziert.

Grünes Wertstoffgesetz, Abfall- & Kreislaufwirtschaft, Kläranlagen:
Eine bessere Wertstofferfassung trägt zu einer Reduktion der Treibhausgase bei. Konsequente Durchsetzung der getrennten Abfallerfassung, unterstützt durch eine hochwertige Sortierung und Aufbereitung der verschiedenen Abfallfraktionen auch des Restabfalls und starke Einschränkung der Müllverbrennung auch bei Gewerbemüll, Förderungen der Mehrfachnutzung und Langlebigkeit von Produkten (Ressourcenabgabe), Verminderung der Methan-Emissionen von Deponien.

Mit diesen Maßnahmen können wir eine Gesamtreduktion von 120 Mio. t CO2-Äq. bis 2020 erreichen.

Mit freundlichen Grüßen
und der Hoffnung, dass wir nach der Wahl am 24.9. eine Bundesregierung bekommen, die sich den tatsächlichen Gefahren für unsere Gesellschaft und die Welt kümmert

Sylvia Kotting-Uhl