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Sylvia Kotting-Uhl
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Frage von Ulrich D. •

Frage an Sylvia Kotting-Uhl von Ulrich D. bezüglich Umwelt

Sehr geehrte Frau Kotting-Uhl!

Ich habe an Sie als Vorsitzende des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit eine Frage. Bei der derzeitigen Corona-Krise meiden viele Personen den ÖPNV. Um vor einer Ansteckung durch das Virus geschützt zu sein, benützen jetzt vermehrt die Menschen den eigenen PKW (eventuell das Fahrrad) um in die Innenstädte zu fahren, so dass diese verstopft werden und die Luftqualität sinkt. Wäre es da von Seiten der Politik nicht sinnvoll, verstärkt ein Augenmerk auf Kleinkrafträder mit Elektroantrieb zu legen und den Kauf dieser Fahrzeuge zu fördern? Es gibt eine ganze Reihe von Kleinkrafträdern, die zum Fahren bis 25 kmh nur eine Mofa-Prüfbescheinigung benötigen oder bis 45 kmh einen Führerschein Klasse AM, anstatt mit einem Verbrennungsmotor mit einem Elektromotor ausgestattet sind und den üblichen Preis für Kleinkrafträder kosten. Oftmals lässt sich die Batterie auch entnehmen und ohne Ladestation in der Wohnung aufladen.
Mein Plädoyer für Kleinkrafträder beruht darauf, dass man eventuell längere Zeit mit einem Ansteckungsrisiko durch das Corona-Virus rechnen muss und man verhindern sollte, dass verstärkt der eigene PKW benutzt wird. Viele Leute werden auch nie wieder auf das Fahrrad (auch mit E-Motor) umsteigen, weil sie die körperliche Fitness dazu nicht besitzen!!

Mit freundlichen Grüßen
C.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr D. C. v. C.

es ist verständlich, dass nun viele, die bis vor einigen Wochen noch in Bussen und Bahnen unterwegs waren, wegen der Corona-Pandemie wieder auf den Individualverkehr umgestiegen sind. Aber die Notwendigkeit einer Mobilitätswende darf auch in Zeiten von Corona nicht vergessen werden. Deshalb muss weiterhin die Verkehrsverlagerung vom Autoverkehr zu Bahn-, Rad- und Fußverkehr gefördert werden, damit der Klimaschutz eine Chance hat. Meine Bundestagsfraktion und ich sehen gerade jetzt - wie auch Sie - die Chance, dass wir weg kommen vom Verbrennungsmotor. Es könnte einen Förderbedarf für Roller und Co. geben, weil z. B. E-Roller oft noch teurer sind als Roller mit Benzinantrieb. Andererseits amortisieren sich E-Roller schnell. Aber das Ziel muss sein, den ÖPNV zum Hauptverkehrsträger zu machen, der dann ergänzt werden kann durch Fahrrad, die eigenen Füße und - wo es mehr Unterstützung braucht - gerne auch ein Kleinkraftrad mit Elektroantrieb.

Um den ÖPNV, der Ländersache ist, voranzubringen, könnten folgende Maßnahmen Sinn machen:

* Es braucht mehr (Bundes)mittel, für Innovationen im ÖPNV (z. B. digitale Echtzeitdaten mit denen die Verkehrsflüsse im ÖPNV und andere Mobilitätsmöglichkeiten, wie Sharingangebote, gesteuert werden können.

* Es braucht mittel- und langfristig höhere (Bundes-)mittel, um das ÖPNV-Angebot auszuweiten, also mehr Busse und Bahnen im Einsatz zu haben, um so Abstandsregeln besser einhalten zu können. Weshalb es nicht reicht, dass die Bundesregierung mit einer Erhöhung der Regionalisierungsmittel um 2,5 Milliarden Euro den ÖPNV unterstützt. Dies ist nur für die Kompensation der bereits entgangenen Fahrgeldeinnahmen (und da auch nur die Hälfte der Einnahmeausfälle). Das heißt, während die Autoindustrie dank MwSt.-Senkung und E-Auto-Bonus sowie Mittel zur Forschungsförderung eine satte Anschubfinanzierung für die Zukunft erhält, bekommt der ÖPNV Geld nur für einen Teil seiner entstandenen Einnahmeausfälle.

* Entzerrung der Schul-, Unianfangszeiten bei Kindern und Jugendlichen, die bereits ohne Begleitung zur Schule gehen sowie Individualisierung der Arbeitszeiten, um die Rushhour in Bus und Bahn zu entzerren (was z. B. New York City schon Anfang letzten Jahrhunderts anlässlich der Spanischen Grippe erfolgreich gemacht hat).

* Auflegung eines Anreizprogramms, um insbesondere Gelegenheitsnutzer*innen zurück in den ÖPNV zu bekommen (z. B. Vergünstigung bei Mehrfahrtenkarten, wie es Berlin mit der 4-Fahrten-Karte macht).
Wir Grüne im Bundestag fordern, dass jeder Verkehrsverbund in Deutschland das Ein-Euro-Ticket pro Tag einführen soll. Damit kostet der öffentliche Nahverkehr jeder Nutzer*in nur noch 365 Euro im Jahr, wie es Wien für seine Kernzone schon seit Jahren anbietet.

Eckpunkte für ein grünes Konjunktur- und Investitionsprogramm haben wir in unserem Zukunftspakt formuliert, den Sie gerne hier nachlesen können:
https://www.gruene-bundestag.de/fileadmin/media/gruenebundestag_de/themen_az/corona/pdf/Der_gruene_Zukunftspakt-lang-web-200527-ihv.pdf

Mit freundlichen Grüßen
Sylvia Kotting-Uhl