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Sönke Rix
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Frage von Dirk G. •

Frage an Sönke Rix von Dirk G. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Rix,

am morgigen Freitag, den 06.11.2020, soll über den Entwurf eines "Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung ....." im Bundestag beraten werden.
Mit diesem Gesetz werden weitreichende Grundrechtseinschränkungen unter dem Deckmantel eines "Gesundheitsdiktats" beschlossen.
Sie als Bundestagsabgeordneter aus Schleswig-Holstein haben jetzt die Gelegenheit, sich zu unseren unveräusserlichen Grundrechten zu bekennen und dieses Gesetz zu stimmen! Lassen Sie diesen Gesetzes-Albtraum nicht wahr werden! Ich bitte Sie inständig!
Wie wollen Sie Ihre Zustimmung zu diesen Gesetz vor sich und dem Land rechtfertigen?

Mit freundlichen Grüßen

D. G.

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Sehr geehrter Herr Gerschau,

die derzeitige Lage ist in jeglicher Hinsicht außergewöhnlich: Zur Bekämpfung der Corona-Pandemie ist eine weitreichende Reduzierung von Kontakten erforderlich, da sich das Virus oftmals symptomfrei und daher zunächst unerkannt weiterverbreitet. Bei wem sich ein schwerer Verlauf entwickelt, lässt sich im Vorwege nicht sagen. Insbesondere ältere Menschen und Menschen mit chronischen Erkrankungen sind darum auf ein solidarisches Handeln der gesamten Gesellschaft angewiesen. Aber auch jüngere Menschen haben teilweise mit massiven Spätfolgen einer COVID-19-Erkrankung zu kämpfen, die es zu verhindern gilt. Den Staat trifft diesbezüglich eine Pflicht aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG zum Schutz von Gesundheit und Leben.
Sie sehen durch das 3. Bevölkerungsschutzgesetz Grundrechtseinschränkungen unter dem Deckmantel eines "Gesundheitsdiktats“ aufkommen – was auch immer das heißen soll.

Richtig ist, dass durch dieses Gesetz Schutzmaßnahmen nicht automatisch verhängt werden. Es obliegt – wie vorher auch - den Bundesländern und zuständigen Behörden, die Schutzmaßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie zu erlassen. Und das bis dahin gültige Infektionsschutzgesetz erlaubte es den Ländern auch schon, zum Schutz der Gesundheit und zur Eindämmung der Pandemie in Grundrechte einzugreifen. Dies geschah aufgrund einer sogenannten Generalklausel, die es den Behörden ermöglichte, die „notwendigen Maßnahmen“ zu ergreifen. Diese Klausel erschien Vielen – wie ich finde zu Recht – als gesetzliche Grundlage für zum Teil weitreichende Einschränkungen nicht ausreichend. Deshalb haben wir jetzt das neue Infektionsschutzgesetz beschlossen.

Da absehbar ist, dass die pandemische Lage noch andauern wird, sollen damit die Voraussetzungen und Grenzen von grundrechtseinschränkenden Maßnahmen gesetzlich präzisiert werden. Im Infektionsschutzgesetz haben wir dazu einen neuen Paragrafen 28a eingeführt, mit dem mögliche Schutzmaßnahmen der Länder für die Dauer der vom Bundestag festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite beispielhaft konkretisiert werden. Diese Maßnahmen sind zeitlich befristet und auf die Bekämpfung der Corona-Pandemie beschränkt. Zudem sollen die Schutzmaßnahmen das jeweilige regionale Infektionsgeschehen berücksichtigten. Mit dem Gesetz werden die Handlungsmöglichkeiten der Länder nach dem Infektionsschutzgesetz also nicht ausgeweitet, sondern präziser gefasst und damit insgesamt nachvollziehbarer.

Grundrechtseinschränkungen verhängt bei uns niemand aus Jux und Dollerei, sondern um – wie im Fall der Corona-Pandemie – z. B. das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, auch ein Grundrecht – zu gewährleisten. Dabei muss abgewogen werden, ob die Einschränkungen, die der Staat erlässt, um die Ausbreitung des Corona-Virus zu stoppen und Menschenleben zu schützen, verhältnismäßig sind. Die konkret getroffene Maßnahme muss für ein legitimes Ziel geeignet sein – aktuell eben für die Verhinderung der Ausbreitung des Virus. Außerdem muss man prüfen, ob die Maßnahme erforderlich ist. Dazu muss sie das mildeste unter den gleichgeeigneten Mitteln darstellen. Schließlich muss die Maßnahme auch bei Abwägung der betroffenen Grundrechte angemessen sein.

Über all das, ob die Maßnahmen legitim, erforderlich, geeignet und angemessen sind, muss man in einer Demokratie selbstverständlich streiten. Und wenn man ganz und gar mit Maßnahmen nicht einverstanden ist, kann man sich gerichtlich dagegen wehren. Das ist ein wesentlicher Unterschied zwischen einem Rechtsstaat und einer Diktatur. Von solchen gerichtlichen Überprüfungen hatten wir viele in den letzten Monaten. Und zwar derart, dass während des ersten Lockdowns im Frühjahr die getroffenen Maßnahmen in einer Vielzahl von obergerichtlichen Urteilen überwiegend als erforderlich, geeignet und angemessen beurteilt wurden. Wir hatten vor ein paar Wochen eine ganze Reihe Urteile, die z. B. sogenannte Beherbergungsverbote gekippt haben, und regelmäßig befinden Gerichte darüber, ob und in welcher Form Demonstrationen stattfinden können. Ich bin nicht mit jedem Urteil einverstanden, bin aber sehr zufrieden damit, dass der Rechtsstaat offenbar hervorragend funktioniert und sich auch in dieser Krise bewährt.

Ich finde auch, dass uns hier in der Kürze der Zeit ein Gesetz gelungen ist, mit dem die Politik das Heft des Handelns wieder in die Hand genommen hat. Ich hätte gerne länger darüber beraten und noch mehr externen Sachverstand eingebunden, aber ich bin der Überzeugung, dass wir diese Zeit aktuell nicht haben, wenn uns das Infektionsgeschehen nicht überrollen soll.

Mit freundlichen Grüßen
Sönke Rix, MdB

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