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Sönke Rix
SPD
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Frage von Frank W. •

Frage an Sönke Rix von Frank W. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Rix,

vielen Dank für die Beantwortung meiner letzten Frage.

Heute erfuhr ich von einem Abkommen zwischen Deutschland und mehreren Ländern bezüglich der Mitversicherung von Familienangehörigen im Ausland.

"Durch Anfragen der CDU-Abgeordneten Martin Hohmann (Januar 2003) und Erika Steinbach (April 2003) im Deutschen Bundestag kam es hochoffiziell ans Licht: Familienmitglieder von in Deutschland krankenversicherten Türken und Bürgern aus dem ehemaligen Jugoslawien erhalten Leistungen der deutschen Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), selbst wenn diese Angehörigen in ihren Heimatländern leben."

Das erstaunt mich sehr.

Gibt es Bestrebungen seitens der SPD dieses Abkommen zu ändern/kündigen? Welche Vorteile sieht die Politik der SPD in der Aufrechterhaltung solcher Abkommen? Wieso dürfte ich meine Eltern nicht mitversichert wissen? Eltern ausländischer Mitbürger sind es. Also werden meine Eltern ja diskriminiert. Und abschließend: Wie hoch sind die Kosten für die hier zahlenden Mitglieder einer GKV durch das genannte Abkommen?

Das sind vier Fragen.

Ich freue mich auf Ihre Antworten.

Mit freundlichem Gruß aus Rendsburg,

Frank Weisner

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Weisner,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Bei der von Ihnen angesprochenen Problematik handelt es sich um keine neue Diskussion. In der Vergangenheit wurde die Problematik mehrfach in den Medien thematisiert - leider oft in einer Art und Weise, die der Sache nicht gerecht wird und Sozialneid provoziert.

Zunächst ein paar Worte zur bestehenden Rechtslage:

In der Türkei oder im ehemaligen Jugoslawien lebende Familienangehörige eines in Deutschland krankenversicherten Arbeitnehmers erhalten im Krankheitsfall Leistungen der Krankenversicherung ihres Wohnsitzstaates. Die der dortigen Krankenversicherung hierdurch entstehenden Kosten sind von der deutschen Krankenversicherung zu erstatten. Rechtsgrundlage dieser Regelung ist bezogen auf die Türkei das deutsch-türkische Abkommen vom 30. April 1964 über Soziale Sicherheit. Bei diesen Regelungen handelt es sich jedoch nicht um eine Besonderheit in den von Deutschland mit anderen Staaten geschlossenen Sozialversicherungsabkommen. Sie entsprechen vielmehr internationalem Standard, wie er bereits seit vielen Jahrzehnten üblich ist und finden Anwendung in der allgemeinen Praxis sowohl des zwischenstaatlichen Sozialversicherungsrechts (bilaterale Sozialversicherungsabkommen) als auch des überstaatlichen Sozialversicherungsrechts (EU-Regelungen über Soziale Sicherung - VO (EWG) Nr. 1408/71 -).

Um nicht in jedem einzelnen Behandlungsfall eine verwaltungsaufwändige Abrechnung mit der Krankenversicherung des Wohnsitzstaates der Familienangehörigen durchführen zu müssen, erfolgt die Abrechnung der Kosten in Bezug auf die Türkei durch kalenderjährlich zu vereinbarende Monatspauschalbeträge je Familie. Diese Beträge basieren auf den Durchschnittskosten der in den Wohnsitzstaaten geschützten Personen nach dortigem Recht und berücksichtigen die durchschnittliche Zahl der in diesen Staaten wohnenden Familienangehörigen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass das pauschalierte Abrechnungsverfahren den Verwaltungsaufwand wesentlich verringert und daher auch im Interesse der deutschen Krankenkassen liegt.

Nun zu den Kosten:
Für das Jahr 2002 belief sich beispielsweise der vereinbarte vorläufige Monatspauschalbetrag für die Betreuung einer Familie in der Türkei auf umgerechnet rd. 28 Euro. Der türkischen Krankenversicherung wurden für dieses Abrechnungsjahr insgesamt umgerechnet rd. 12,46 Mio. Euro (Stand 11/2005) von der deutschen Krankenversicherung erstattet. Die gegenüber den übrigen genannten Staaten vorgenommenen Erstattungszahlungen (jeweils ebenfalls noch nicht vollständig abgerechnete Zeiträume zum Stand 11/2005) betrugen für das Jahr 2002 für Bosnien und Herzegowina rd. 0,96 Mio. Euro sowie für Serbien und Montenegro rd. 0,62 Mio. Euro. Die Gesamtausgaben der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung beliefen sich im Jahr 2002 auf rd. 143,09 Mrd. Euro.

Im Ergebnis ist festzustellen, dass der Anteil der gegenüber den vorgenannten Abkommensstaaten zu leistenden Erstattungsbeträge zusammengefasst noch nicht einmal 0,01 % der Gesamtausgaben der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung ausmacht.

Die Familienversicherung der in den genannten Ländern lebenden Familienmitglieder ist eine sinnvolle Einrichtung, weil sie dazu beitrug, dass sich ein Teil der aus diesen Ländern angeworbenen Arbeitnehmer dafür entschieden hatte, ihre Familienangehörigen nicht mit nach Deutschland zu nehmen. Auch heute noch ist diese Regelung für einen Teil der über 500.000 aus der Türkei und ca. 280.000 aus den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien sozialversicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmer in Deutschland von Bedeutung, deren Familienangehörige nicht nach Deutschland nachgezogen, sondern aufgrund der Familienversicherung im jeweiligen Heimatland geblieben sind. Der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung entstehen durch diese Regelungen keine Mehrbelastungen, sondern sogar erhebliche Einsparungen. Die Ausgaben der Krankenkassen wären deutlich höher, würden die Familienangehörigen nicht in ihren Heimatstaaten leben, sondern von ihrem Recht nach Deutschland nachzuziehen bzw. hier zu wohnen Gebrauch machen.

Zum anspruchsberechtigten Personenkreis gehören die Ehefrau, sofern sie nicht selbst versichert ist, und die minderjährigen Kinder eines Versicherten. Eltern eines Versicherten mit Wohnsitz in der Türkei sind nur dann ausnahmsweise anspruchsberechtigt, wenn sie nicht ohnehin leistungsberechtigt nach den Rechtsvorschriften des Wohnsitzstaates aufgrund einer eigenen Versicherung (z.B. wegen sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung) oder der Versicherung einer anderen Person sind, sie dabei nicht über eigene Einkünfte bzw. Eigentum verfügen und der unterhaltsverpflichtete Versicherte ihnen gegenüber tatsächlich Unterhaltsleistungen erbringt.

Es kann also Folgendes festgehalten werden:

Aufgrund der genannten Sozialversicherungsabkommen kommt es nicht zu einer ungerechtfertigten Besserstellung ausländischer Versicherter in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung. Die Sozialversicherungsabkommen stehen im Einklang mit internationalen und supranationalen Standards wie sie innerhalb der EU bestehen und werden strikt eingehalten.

Durch die Anwendung des deutsch-türkischen und deutsch-jugoslawischen Sozialversicherungsabkommens entstehen der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung keine Mehrbelastungen, sondern sogar Einsparungen, da die Familienangehörigen in ihren Herkunftsländern verbleiben und somit nicht zu den deutlich höheren deutschen Sätzen medizinisch versorgt werden müssen.

Mit freundlichen Grüßen
Sönke Rix

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