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Silke Stokar von Neuforn
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Gesa Simone C. •

Frage an Silke Stokar von Neuforn von Gesa Simone C. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Sehr geehrte Frau Stokar von Neuforn,

ich habe mich auf der Website der Grünen informiert und habe festgestelt, dass dort steht, dass Kostenfreiheit auf allen Bildungsebenen erreicht werden soll. Desweitern soll das Erststudium kostenfrei werden.
Ich persönlich würde mich über einen solchen Fortschritt sehr freuen, allerdings habe ich Zweifel was die Umsetzungsmöglichkeiten, besonders zu Zeiten der Finanzkrise, angeht.
Ich würde mich über eine Stellungnahme von Ihnen sehr freuen, insbesondere da die Kosten für ein Studium der Grund sind, es sich gut zu überlegen ob man überhaupt studieren soll/kann.

Mit freundlichen Grüßen

Gesa S. Clement

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Clement,

ein Studium ist für jeden Menschen ein Bereicherung, Bildung entscheidet über Teilhabe oder Ausschluss am sozialen und kulturellen Leben. Wir Grünen setzen uns für Bildungsgerechtigkeit ein. Wir wollen individuelle Förderung und Durchlässigkeit statt Auslese und Abgrenzung. Die soziale Herkunft der Eltern und das Einkommen dürfen nicht länger über die Bildungschancen des Kinder entscheiden und deswegen fordern wir ein grundlegend anderes Bildungssystem.

Insbesondere Kinder aus bildungsfernen und einkommensarmen Haushalten bekommen weniger Chancen, sich zu entfalten, Kreativität zu entwickeln und die eigenen Potenziale zu entdecken. Menschen mit Migrationshintergrund, Ältere, Behinderte, Menschen mit veralteten oder geringen Qualifikationen sowie Mütter mit kleinen Kindern oder auch hochqualifizierte Frauen mit Karrierepotenzial scheitern an strukturellen Hemmnissen. Auf jeder Bildungsstufe müssen Hürden abgeräumt werden, die dem Bildungserfolg schaden. Das beginnt mit einem bedarfsdeckenden und qualitativ hochwertigen Angebot an Kindertagesbetreuung. Elternbeiträge müssen sozial gerecht gestaltet sein und schrittweise abgebaut werden.

Das mehrgliedrige Schulsystem mit seiner frühen Selektion der Kinder, die fehlende Durchlässigkeit zwischen den verschiedenen Schulformen und das geringe Angebot von Ganztagsschulen sind die Hauptursachen dafür, dass in Deutschland viel zu wenig Kinder einen qualifizierten Schulabschluss erreichen. Es muss Schluss sein mit dem Aussortieren nach der 4. Klasse. Schülerinnen und Schüler müssen länger mit- und voneinander lernen und das Prinzip der individuellen Förderung muss durchgesetzt werden, damit mehr Kinder die Hochschulreife erlangen.

Im Bezug auf die Hochschulen ist es unser wichtigstes politisches Anliegen, die Bildungsbeteiligung von Jugendlichen aus einkommensschwächeren Familien zu steigern. Sie müssen stärker als bisher ermutigt werden, ein Studium aufzunehmen. Diesem Ziel stehen die Studiengebühren in vielen Bundesländern entgegen. Sie wirken insbesondere abschreckend auf einkommensschwächere Familien.

Ein Bildungsaufbruch im oben skizzierten Sinne wird sich an den Finanzen entscheiden. Mehr Geld macht aber nur Sinn, wenn es in effektive Strukturen investiert wird. Deswegen sind gleichzeitig mit der deutlichen Prioritätenverschiebung zugunsten der Bildung strukturelle Reformen notwendig. Wir müssen uns insgesamt an Ländern orientieren, deren Bildungssystem im internationalen Vergleich bei Chancengerechtigkeit, Qualität und Effizienz erfolgreicher sind.

Bildungsreformen sind nicht billig, aber nicht alle Reformschritte kosten viel zusätzliches Geld. Manche Maßnahmen lassen sich finanzieren, weil sie an anderer Stelle Kosten einsparen. Andere führen mittelfristig zu höheren Einnahmen. Bildung zahlt sich aus, für die Einzelnen wie für die Allgemeinheit. Jeder zusätzliche Hochschulabschluss, der zu besser bezahlten Jobs führt, lässt auch die Steuereinnahmen und die Zahlungen an die Sozialversicherungen wachsen. Wenn endlich auch die schwächeren Schülerinnen und Schüler nach dem Ende ihrer Schulzeit ausbildungsfähig sind, reduzieren sich die Kosten für teure Nachschulungen und Sozialtransfers. Aber ohne zusätzliches Geld und ohne mutiges Umschichten wird der Bildungsaufbruch nicht gelingen. Gerade in der Finanzkrise brauchen wir ein Investitionsprogramm in Bildung, weil die Probleme der Zukunft nur durch intelligente Lösungen zu meistern sind.

Mit freundlichen Grüßen

Silke Stokar