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Silke Stokar von Neuforn
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Christoph H. •

Frage an Silke Stokar von Neuforn von Christoph H. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrte Frau Stokar von Neuforn,

Würden Sie bitte definieren was ein Kampfmesser ist? Nicht jedes der von Ihnen vom Führen ausgenommenen Einhandmesser ist für den Kampf gedacht (oder einsetzbar). Es handelt sich hier auch um äußerst praktische Werkzeuge. Vielleicht ist Ihnen bekannt, dass die ersten Einhandmesser für Einarmige entwickelt wurden?

Kampfmesser, daher vom Hersteller für den Einsatz im Kampf vorgesehene Messer sind übrigens bereits vom Führen bei öffentlichen Veranstaltungen ausgenommen (gewesen). (Genauso wie alle anderen Waffen. Nur zu Ihrer Information, sollte Ihnen dieses Detail entgangen sein.)

Und ich bin sicher, dass es Juristisch kein Problem gewesen wäre, durch das Hausrecht das führen dieser Waffen in U-Bahnen und ähnlich kritischen Bereichen zu verbieten. Ebenfalls bin ich sehr verwundert warum das Hamburger Beispiel mit örtlich begrenzten Verbotszonen nicht weiter verwendet wird? Würden Sie hierzu Stellung beziehen?

Ein weiteres Detail das Ihrer werten Aufmerksamkeit entgangen sein könnte, ist der Umstand dass die Polizei einige Möglichkeiten besitzt beim Tatbestand der Bedrohung einzuschreiten.

Um Leute die an öffentlichen Plätzen mit Messern herumspielen zu entwaffnen bedurfte es also keinerlei neuen Gesetze.

Ich freue mich sehr auf Ihre Antwort.

Mit freundlichen Grüßen

Portrait von Silke Stokar von Neuforn
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Hertrich,

Das Waffenrecht ist eine hochkomplexe Marterie. Zahllose Juristen aus Bund und Ländern haben sich in den vergangenen Jahren die Köpfe darüber zerbrochen, wie man zweckmäßige Messer von gefährlichen Waffen unterscheiden kann und auch diesmal wird es so sein, dass die Politik nach ausführlicher Rechtsberatung nur eine unzureichende Lösung anbieten kann. Das Waffenrecht braucht eine permanente Nachbesserung, weil der Markt sich auf die Definitionen von gefährlichen Messern einstellt und nach kurzer Zeit neue Produkte entwickelt, die von der aktuellen Verbotsdefinition in kleinen Details abweichen. Die Alternative kann allerdings nicht sein, die Hände in den Schoß zu legen und gar nichts zu tun.

Ich halte das Führungsverbot mit Ausnahmen für Berufsträger für einen gangbaren Weg. Praktische Werkzeuge gehören in den befriedeten häuslichen Bereich oder in einen verschlossenen Behälter. Die sog. Einhandkampfmesser, dieser Begriff ist nicht meine Erfindung, er hat sich in der aktuellen Debatte durchgesetzt, zeichnen sich dadurch aus, dass in sekundenschnelle mit nur einer Hand, eine gefährliche Klinge mit einem hohen Verletzungspotential herausgefahren werden kann. Diese, ursprünglich aus dem militärischen Bereich stammenden Messer haben sich als Kultbewaffnung bei jungen Männer durchgesetzt und über die verheerenden Folgen können wir täglich in den Medien lesen. Es ist mir natürlich bekannt, dass sich in Deutschland jeder frei und ohne Waffen versammeln kann. Waffen und waffenähnliche Gegenstände werden insbesondere bei Demonstrationen der Rechtsextremen regelmäßig durch Durchsuchungen der Polizei im Vorfeld sichergestellt. Die Regelungen im Versammlungsrecht sind hier ausreichend.

Das Führen von Waffen kann in privaten Hausrechtsbereichen verboten werden, ich setze mich hier auch für generelle und präventive Verbote ein. Wir haben hier allerdings eine Kontroll- und Durchsetzungslücke. Private Sicherheitsdienste können im Gegensatz zur Polizei nur eingeschränkt auf der Grundlage der "Jedermannrechte" tätig werden und dies soll auch aus guten Gründen so bleiben. Es ist viel effektiver und sinnvoller, wenn auf einer klaren Rechtsgrundlagen das Führen von gefährlichen Messern nicht erst beim Betreten des öffentlichen Nahverkehrsmittels verboten ist, sondern bereits auf dem Weg dahin. Von der Hamburger Lösung halte ich sehr wenig. Wir können nicht einen Flickenteppich von Waffenverbotszonen schaffen, die dann auch noch durch Schilder klar räumlich definiert werden müssen. Gerade die Hamburger Kriminalstatistik belegt sehr eindrucksvoll, gefährliche Messerattacken gibt es in der ganzen Stadt und nicht nur auf St. Pauli.

Die Polizei kann nicht nur bei einer Bedrohung einschreiten, es reicht auch die Nötigung. Die Polizei hat allerdings das massive Problem, hier eine gerichtsfeste Beweisführung sicherzustellen. Lassen Sie mich das an einem Beispiel deutlich machen, dass mir von Polizeibeamten geschildert wurde: Eine Gruppe junger Erwachsener sitzt an einer Bushaltestelle, unterhält sich laut und trinkt Bier, das alles ist in Deutschland aus guten Gründen nicht verboten. Mehrere junge Männer spielen mit ihren Kampfmessern, Bürgerinnen und Bürger fühlen sich bedroht und rufen die Polizei. Die Polizei kann nicht einschreiten, weil das reine Zeigen von Messern ohne weitere Tathandlungen, wie verbale Bedrohung kein strafbares Verhalten ist. Die Polizei fährt wieder ab. Nur eine halbe Stunde später wird ein älterer Mann von einem der jungen Männer niedergestochen und schwer verletzt. Der Mann hatte nicht die Polizei angerufen sondern die jungen Männer persönlich aufgefordert, ihre Messer einzustecken. Jetzt kann die Polizei handeln und den Täter festnehmen. Wie soll ich der Öffentlichkeit erklären, dass ich keine Rechtsgrundlage dafür schaffe, dass die Polizei gefährliche Messer im öffentlichen Raum einziehen kann, bevor damit zugestochen wird?

Ich setze mich immer wieder für eine Kultur des Hinsehens und für Zivilcourage ein. Dies kann ich aber nur verantworten, wenn die Bürgerinnen und Bürger, die sich einmischen, nicht damit rechnen müssen, dass das Gegenüber ein Messer zieht und rücksichtlos damit zustößt. Die verbale gewaltfreie Konfliktlösung wird sich als Grundwert in unserer Gesellschaft nur durchsetzen, wenn wir uns darauf verlassen können, dass die öffentlichen Räume grundsätzlich waffenfrei sind.

Mit freundlichen Grüßen

Silke Stokar