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Silke Stokar von Neuforn
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Rainer B. •

Frage an Silke Stokar von Neuforn von Rainer B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Stokar von Neuforn,

zufällig wurde ich auf die Diskussion zum WaffG aufmerksam, und stellte fest, dass ich von dem Messertrageverbot betroffen wäre. Ich trage häufig ein Multitool bei mir, meine Tochter bekam zu ihrem Geburtstag ein modernes Einhand-Taschenmesser (ich hatte als Kind einmal die Finger unter einer unerwartet zuklappenden Klinge, diese Erfahrung möchte ich meiner Tochter ersparen). Nun lese ich aber, dass für das Mitführen von Messern ein sachlicher Bedarf nicht einmal im Ansatz erkennbar sei, und dass sich aus uns gar eine "besondere Gefährlichkeit ergibt", da wir "gefährliche Messer" mit uns führen.
Jedes Gewaltopfer ist zu viel, und ich begrüße die entschiedene Bekämpfung der Ursachen. Aus meiner Erfahrung als Pädagoge kann ich sagen, das Gewalt lange vor dem Einsatz von Waffen beginnt, und dass lange vorher gegenzusteuern ist. Wer bereit ist, auf brutale Weise Gewalt auszuüben, für den ist die Frage des Tatmittels nicht mehr relevant, schon gar nicht für die Opfer (die Täter bei dem niederträchtigen Vorfall in der Münchner U-Bahn waren unbewaffnet).
Sie schilderten eine Konfliktsituation (Wenn du mir blöd kommst, steche ich dich ab), und unterstrichen mit der Bemerkung, so etwas könne nicht hingenommen werden, ihre Forderungen nach einem Messertrageverbot. Ist Ihnen bekannt, dass Nötigung und Bedrohung bereits massive Straftaten darstellen, die mit Freiheitsstrafe bewehrt sind?
Erwarten Sie, dass bislang gewaltbereite Jugendliche friedlich werden, wenn sie befürchten müssten, zusätzlich wegen eines Verstoßes gegen das WaffG belangt zu werden?
Trifft es zu, dass die Berliner Verkehrsbetriebe darauf verzichten, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und das Mitführen z.B. von Messern zu verbieten?
Ist es verhältnismäßig, Bürger in ganz Deutschland wegen einer Minderheit gewaltbereiter Jugendlicher massiv einzuschränken, zumal an den wenigen Brennpunkten noch nicht einmal alle zu Verfügung stehenden Mittel ausgeschöpft wurden?

MfG

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Bernd,

ich habe nicht das geringste Verständnis dafür, dass Sie sich als Pädagoge dafür einsetzen, dass das Mitführen von gefährlichen Messern im öffentlichen Raum erlaubt sein soll. Ich setzte mich bei dem Thema Jugendgewalt auch für differenzierte Gesamtkonzepte ein, die präventiv ausgerichtet sind und an den Ursachen ansetzen Ich erwarte allerdings gerade von Pädagogen, dass Sie sich für eine gewaltfreie Konfliktlösung einsetzen. Es kann nicht sein, dass die Bewaffnung im öffentlichen Raum immer mehr zunimmt. Gerade männliche Jugendliche und junge Erwachsene haben immer mehr die Vorstellung, dass es zu Ihrem Recht gehört, Ihre Ehrvorstellungen mit dem gezogenen Messer durchzusetzen Gefährliche Messer haben im öffentlichen Raum nichts zu suchen. Wir lesen täglich von Messerattacken in der Zeitung. Nicht nur die Kriminalstatistik in Berlin zeigt einen gravierenden Anstieg von Verletzten und Toten durch das Tatmittel Messer.

Nach dem Verbot des sog. Butterflymessers ist jetzt das Einhandkampfmesser zur Kultbewaffnung geworden. Es ist die Verantwortung der Politik auf solche gesellschaftlichen Fehlentwicklungen zu reagieren. Mir ist bekannt, dass durch Gesetzesänderungen allein kein Gewalttaten verhindert werden. Deswegen setze ich mich für eine "Kultur der waffenfreien öffentlichen Räume" ein. Wir brauchen ein umfassendes Konzept, damit die Bewaffnung im öffentlichen Raum zurückgedrängt werden kann. Die Polizei wird diese Aufgabe nicht allein bewältigen können, sie braucht hier die Rechtsgrundlage aus der Politik und die Unterstützung von Pädagogen und der Jugendsozialarbeit.

Ich begrüße es sehr, dass sich die Fraktionen aus der Großen Koalition nach der Fachanhörung des Innenausschusses zum Waffenrecht entschieden haben, die Einhandkamfmesser zu verbieten. Verbote müssen auch durchgesetzt werden, wir brauchen eine klare Rechtsgrundlage für die Polizeien der Länder. Messerverbote im Hausrechtsbereich von öffentlichen Nahverkehrsbetreiben können hier nur eine sinnvolle Ergänzung sein.

Mit freundlichen Grüßen

Silke Stokar