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Sebastian Edathy
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Frage von Silvie R. •

Frage an Sebastian Edathy von Silvie R. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Edathy,

Wir, die Menschenrechtsgruppe des Landschulheims am Solling
in Holzminden haben uns mit dem Thema Rechtsextremismus intensiv auseinander gesetzt und sind bei unseren umfangreichen Recherchen auf den Begriff "Hasskriminalität" gestoßen.

Dabei sind wir auf den Gesetzentwurf (Drucksachen-Nummer 16/10123) des Bundesrates vom 04.07.08 zur Änderung des Strafgesetzbuches in Bezug auf die oben genannte Hasskriminalität aufmerksam geworden.

Wir stehen diesem Gesetzentwurf einheitlich positiv gegenüber und haben durch Herrn MdB Thul erfahren, dass dieser Entwurf bis dato nicht im Bundestag diskutiert wurde. Er hat uns jedoch an den Rechtsausschuss verwiesen. Wir fragen uns, weshalb dieses -aus unserer Sicht- sehr wichtige Thema noch nicht behandelt worden ist. Ist es üblich, dass Gesetzesvorlagen über einen Zeitraum von sieben Monaten unbearbeitet bleiben? Wird man sich in absehbarer Zeit im Rechtsausschuss mit der Vorlage befassen?

Darüber hinaus würde uns interessieren wie Sie bzw. ihre Fraktion dem Thema gegenüber stehen.

Mit freundlichen Grüßen
Stellvertretend für die Menschenrechtsgruppe
S. Rohr

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Antwort von
SPD

Rehburg, 28. Februar 2009

Sehr geehrte Frau Rohr,

vielen Dank für Ihre und die Fragen der Menschenrechtsgruppe des Landschulheims am Solling in Holzminden vom 13. Februar 2009. Ich freue mich über Ihr Interesse an der Bekämpfung von Rechtsextremismus und der sogenannten Hasskriminalität.

Seit längerer Zeit setze ich mich für Strafschärfungen bei rechtsextremen Gewalttaten und für die Möglichkeit der Nichtaussetzung von Freiheitsstrafen zur Bewährung in Fällen von Hasskriminalität ein. Die Besonderheit von Hassgewalt liegt darin begründet, dass sie über die Leidenszufügung an den jeweiligen Opfern hinaus geeignet ist, Teile der Bevölkerung zu verunsichern und in Angst zu versetzen. Zudem ist Hassverbrechen ein besonderer Unrechtsgehalt immanent: Die Opfer solcher Verbrechen werden als Vertreter einer in den Augen der Täter verächtlich gemachten Gruppe angegriffen, welcher sie tatsächlich oder zugeschriebenerweise angehören. Damit stellen solche Übergriffe auch einen Angriff auf die zentralen Werte der freiheitlich demokratischen Grundordnung in Deutschland an sich dar. Die Hasskriminalität ist auch deshalb besonders gefährlich, weil sie die Basis unseres zwischenmenschlichen Zusammenlebens angreift: Die Universalität der Menschenwürde. Die Täter wählen ihre Opfer meist zufällig aus, ohne dass eine direkte oder persönliche Beziehung besteht. Die Opfer werden stellvertretend für eine den Tätern verhasste Minderheitengruppe allein aufgrund z.B. ihrer Hautfarbe, Nationalität, Religion, einer Behinderung oder einfach ihres Lebensstils zu Opfern. Besonders dramatisch ist: Die Betroffenen können nichts daran ändern. Ihre “Merkmale“, weshalb sie Opfer von brutalen Gewaltattacken geworden sind, sind von ihnen nicht beeinflussbar. Sie werden symbolisch für eine gesamte Gruppe erniedrigt. Andere Gewalttaten sind dagegen in der Regel Beziehungsstraftaten.

Zwar haben die Gerichte nach § 46 Abs. 2 Strafgesetzbuch (StGB) bereits nach geltender Rechtslage bei der Strafzumessung die Umstände abzuwägen, die für und gegen den Täter sprechen. Dabei enthält § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB eine Zusammenfassung von Umständen, die namentlich bei der Zumessung zu berücksichtigen sind. Genannt werden hierbei u.a. die Beweggründe und die Tatziele sowie die Gesinnung, die aus der Tat spricht und der bei der Tat aufgewendete Wille.

Der vom Bundesrat beschlossene und dem Bundestag am 13. August 2008 zur Beratung zugeleitete Gesetzentwurf zielt darauf ab, dass Straftaten, welche durch die politische Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, „Rasse“, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft, das äußere Erscheinungsbild, eine Behinderung oder die sexuelle Orientierung des Opfers motiviert sind, zukünftig ein eigenständiger und regelmäßig strafverschärfend zu wertender Gehalt beigemessen wird.
In dem Entwurf kommen die Antragsteller zu dem Schluss, dass durch die Abwägung der Rechtsgüter in Artikel 3 des Grundgesetzes mit dem Inhalt von Artikel 1 des Grundgesetzes eine Verschärfung der entsprechenden Vorschriften des StGB in Fällen sog. Hasskriminalität mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Diese Einschätzung entspricht meiner Auffassung, und ich unterstütze diesen Gesetzesentwurf entsprechend.

Anmerken möchte ich jedoch, dass der Innenausschuss, dem ich angehöre, bei diesem Gesetzgebungsvorhaben lediglich mitberatend tätig ist. Die Federführung obliegt dem Rechtsausschuss. Der Grund dafür, dass über den Entwurf im Deutschen Bundestag bislang noch nicht beraten worden ist, ist unter anderem die ablehnende Haltung der Bundesregierung. Deren Stellungnahme finden Sie als Anlage 2 zu der Bundestagsdrucksache 16/10123 im Internet ( www.bundestag.de ). Darin teilt die Bundesregierung zwar das hinter der Initiative stehende politische Anliegen, es erscheint ihr jedoch fraglich, ob die in dem Entwurf vorgeschlagenen Änderungen des Strafgesetzbuches zur Erreichung dieser Ziele geboten und sachgerecht sind. Trotz dieser Bedenken der Bundesregierung werde ich mich für eine zeitnahe Erörterung dieses Entwurfs im Deutschen Bundestag einsetzen.

Konkret will der Gesetzentwurf in § 47 StGB ausdrücklich klar stellen, dass bei solchen Delikten die Regel umgekehrt wird, wonach Geldstrafe an Stelle kurzer Freiheitsstrafe tritt. Nach dem vorliegenden Entwurf soll in § 56 Abs. 3 StGB verankert werden, dass bei einer verhängten Freiheitsstrafe von über sechs Monaten die Aussetzung der Vollstreckung in der Regel nicht erfolgt. Da diese von Menschenverachtung, Fremdenfeindlichkeit und (weiteren) Vorurteilen getragenen Taten – anders als dies üblicherweise bei sonstigen Straftaten der Fall ist – auf Zustimmung und Nachahmung angelegt sind, soll den Tätern und potentiellen Nachahmern mit den Mitteln der Verhängung kurzer Freiheitsstrafen (§ 47 StGB) und der regelmäßigen Vollstreckung von Freiheitsstrafen über sechs Monaten die besondere Verwerflichkeit und das Risiko ihres Agierens verdeutlicht werden und damit eine generalpräventive Wirkung entfaltet werden.

Die Logik der angestrebten Gesetzesänderungen ist dem deutschen Strafgesetzbuch nicht fremd. Beim Straftatbestand des Mordes (§ 211 StGB) wird bereits heute auf die Motive der Straftat (sog. niedere Beweggründe) abgestellt.

Im Übrigen hat bereits im Jahr 2002 die Europäische Kommission als Maßnahme gegen Rassismus und Intoleranz gegenüber der Bundesrepublik gefordert, rassistische Beweggründe bei allen Straftaten als strafverschärfend zu bewerten. Hinzukommend ist während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 einstimmig ein Rahmenbeschluss ergangen, in dem die Justizminister der EU fordern, rassistische und fremdenfeindliche Beweggründe bei Gewalttaten als strafverschärfend zu berücksichtigen. In Großbritannien, Schweden, Spanien und Italien sind die entsprechenden Rechtsnormen bereits vor geraumer Zeit entsprechend verändert worden. Wir sollen das ebenfalls veranlassen.

Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Edathy, MdB