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Sebastian Edathy
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Frage von Sarah H. •

Frage an Sebastian Edathy von Sarah H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Edathy,

in letzter Zeit stelle ich mir immer wieder die Frage: "Warum ist Integration in Deutschland so schwer?"

Besonders unsere türkisch stämmigen Mitbürger scheinen sehr große Probleme zu haben sich in Deutschland dazugehörig zu fühlen.

Also was sollte/muss Ihrer Meinung nach von der Regierung dafür getan werden, dass auch ausländische Mitbürger sich in Deutschland noch wohler fühlen als jetzt?

Ich bin der Überzeugung, dass durch bessere Integration auch das Image einiger ausländischer Mitbürger erheblich verbessert werden könnte, worüber ich mich sehr freuen würde.

Ich würde mich sehr über eine Antwort Ihrerseits freuen.

Mit freundlichen Grüßen

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Antwort von
SPD

Rehburg, 28. Februar 2009

Sehr geehrte Frau Hinz,
vielen Dank für Ihre Fragen zum Thema Integration vom 12. Februar 2009.

Ich teile Ihre Auffassung, dass die Integration von Migranten in der Bundesrepublik noch nicht als vollauf gelungen bezeichnet werden kann. Grund dafür ist unter anderem, dass sich die Bundesrepublik über viele Jahrzehnte realitätswidrig nicht als Einwanderungsland gesehen und es daher versäumt hat, ausreichende Integrationsmaßnahmen zu organisieren. Dazu gehört beispielsweise auch das flächendeckende Angebot von Sprachkursen. Das hat sich unter maßgeblichem Einfluss der SPD-Bundestagsfraktion und ihrer nachhaltigen Integrationspolitik inzwischen geändert.

Weiterhin sollte in Zukunft durch Einbürgerungskampagnen direkter auf die Menschen zugegangen werden, die die rechtlichen Voraussetzungen für eine Einbürgerung erfüllen. Diese Menschen sollten ermutigt werden, vom ihrem Recht Gebrauch zu machen, den Schritt vom Staatsbewohner zum Staatsbürger zu machen.

Zudem halte ich die Möglichkeit der Teilnahme an Kommunalwahlen auch für Nicht-EU-Bürger für sinnvoll. Ich bin der Meinung, dass nur derjenige sich verantwortlich fühlen kann, der auch Verantwortung tragen darf. Die ausländische Wohnbevölkerung in Deutschland ist schon längst zu einem festen Bestandteil des ökonomischen, politischen, kulturellen und sozialen Lebens geworden. Die Mehrheit der ausländischen Bürgerinnen und Bürger, die in der Bundesrepublik leben, sind aber keine EU-Unionsbürger. Aus bürgerrechtlichen wie auch aus nationalstaatlichem Interesse bleibt es unbefriedigend, dass für einen so hohen Anteil an Mitbürgern das staatsbürgerliche Recht der Teilnahme an Wahlen und Abstimmungen, das einen Kernbereich politischer Mitbestimmung darstellt, nicht gilt. Die Drittstaatenangehörigen, die ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben, sind von Entscheidungen der Kommunalparlamente in Angelegenheiten der Daseinsvorsorge in gleicher Weise unmittelbar betroffen wie es Deutsche oder EU-Ausländer sind.

Integration ist in meinen Augen zudem kein einseitiger Prozess, sondern ein gegenseitiges Bemühen. Deswegen hängt das Gelingen von Integration auch immer ab von der Bereitschaft der einheimischen Bevölkerung, Neuangekommene aufzunehmen. Für die Förderung dieser Bereitschaft setze ich mich seit Jahren ein. Dazu gehört auch, sicherzustellen, dass soziale Benachteiligung nicht vererbt wird. Spezielle Programme zur Erhöhung der Schulabschluss-Quote sind ebenso notwendig wie gezielte Qualifizierungsmaßnahmen.

Bei der von Ihnen besonders hervorgehobenen Gruppe der "türkisch stämmigen Mitbürger" haben wir oftmals das Phänomen, dass diese familienbiographisch einen besonderen Förderungsbedarf aufweisen. In den 50er und 60er Jahren sind Menschen aus der Türkei als Arbeitskräfte angeworben worden, die teilweise in der eigenen Herkunfts-Gesellschaft benachteiligt waren und über eine geringe oder über gar keine Ausbildung verfügten. Sie waren als billige Arbeitskräfte willkommen, um schlecht bezahlten und häufig mit großer körperlicher Anstrengung verbundenen Tätigkeiten nachzugehen. Um ihr Leben jenseits ihrer Zweck-Reduzierung hat man sich hierzulande wenig gekümmert. Diesen Menschen ist in vielen Fällen eine systematische Integration nicht zuteil geworden. Viele von ihnen haben aber in Deutschland eine neue bzw. zweite Heimat gefunden und gehören zu dieser Gesellschaft dazu.

Der entscheidende Punkt ist, dass ihre Kinder bzw. Enkel nicht eine Situation erleben, die von mangelnden sozialen Auftstiegs-Perspektiven geprägt ist. Das zu überwinden, ist die entscheidende Herausforderung.

Man kann und man muss diese Herausforderung annehmen. Dies ist wesentlich für ein Zusammenleben auf Augenhöhe in einer demokratischen Gesellschaft. Ohne Chancen auf Teilhabe funktioniert Demokratie nicht. Das gilt übrigens für alle Familien, in denen Bildungsferne besteht. Die Schaffung einer Möglichkeit für soziale Mobilität nach oben ist entscheidende Voraussetzung für das Gelingen des demokratischen Miteinanders.

Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Edathy, MdB