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Sebastian Edathy
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Frage von Petra B. •

Frage an Sebastian Edathy von Petra B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Edathy,

Sie haben vor kurzem gefordert, daß der Verfassungsschutz die Pius-Bruderschaft beobachten soll.

Jetzt ist klar, daß der Verfassungsschutz die Pius-Bruderschaft nicht beobachten will.

„Derzeit sind uns keine hinreichenden Anhaltspunkte bekannt, dass es sich bei der Pius-Bruderschaft um eine extremistische Bestrebung handelt“, begründete die Sprecherin des Bundesamtes für Verfassungsschutz am Mittwoch im Gespräch mit Handelsblatt.com die Entscheidung. Bislang sei auch „nicht erkennbar, dass die Äußerungen von Vertretern der Pius-Brüder in eine politisch motivierte, gegen die staatliche Grundordnung gerichtete Aktivität gemündet sind“.

Wieso haben Sie gefordert, daß der Verfassungsschutz die Pius-Bruderschaft beobachten soll?

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Antwort von
SPD

Berlin, 12. Februar 2009

Sehr geehrte Frau Baum,
ich bedanke mich für Ihre Frage vom 12. Februar 2009.

Hauptaufgaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz sind das Sammeln und Auswerten von Informationen über verfassungsfeindliche und extremistische Bestrebungen. Meiner Auffassung nach gibt es bezüglich der sog.Pius-Bruderschaft hierfür ernst zu nehmende Hinweise.

Die Pius-Bruderschaft lehnt Grundzüge von Demokratie und Religionsfreiheit ab. So hat der deutsche Distriktobere Franz Schmidberger gegen die religiöse Neutralität des Staates gewandt und für eine „christliche Gesellschaftsordnung“ plädiert, in der etwa die Todesstrafe gelten solle, „keine zivile Ehescheidung“ vorzusehen sei, eine „Unauflöslichkeit der Ehe“ bestehe, „den vorehelichen und außerehelichen Beziehungen“ der „Kampf“ angesagt werde und der „Vertrieb von empfängnisverhütenden Mitteln“ verboten werde, ebenso wie Zinsspekulation, Großbanken, Abtreibung, „Gotteslästerung, Homosexualität und Pornographie“. Er fordert, dass die „Gewalt in Staat und Gesellschaft“ „nicht vom Volke“, nicht „von der Basis aus[geht], sondern von Gott... folglich bezeichnet das Volk in Wahlen allein diejenigen, die es regieren sollen, verleiht ihnen aber nicht (die) Autorität".

Die Pius-Bruderschaft verfolgt zudem antiaufklärerische Erziehungsziele. Die Schulen der Bruderschaft sollen nach ihrem deutschsprachigen Mitteilungsblatt vom Juli 2005 das Folgende leisten: Der „katholische Lehrer“ müsse die „Hauptirrlehren unserer Zeit“ erklären, ohne diese „zu loben“ oder gar „anzunehmen“. Schüler müssten sich mit Martin Luther, René Descartes, David Hume, Immanuel Kant, Georg Wilhelm Friedrich Hegel und Jean-Paul Sartre in der Weise beschäftigen, wie sich Medizinstudenten mit Krankheiten beschäftigen: mit dem Ziel, diese Krankheiten dann bekämpfen zu können.

Die Pius-Bruderschaft weist eine Nähe zu Antijudaismus und Antisemitismus auf. Im April 1989 leugnete Bischof Richard Williamson den Holocaust, indem er während einer Messe in Kanada die Vergasung von Juden im Vernichtungslager Auschwitz bestritt und behauptete, Juden hätten den Holocaust erfunden, um die Anerkennung des Staates Israel zu erpressen. Einem deswegen drohenden Strafverfahren entzog er sich durch Ausreise aus Kanada. In weiteren Reden und Predigten zeigte er sich auch als Anhänger der antisemitischen Theorie eines Weltjudentums und von Verschwörungstheorien zum 11. September 2001. Im Mai 2000 bezeichnete er die antisemitische und in Deutschland verbotene Hetzschrift "Protokolle der Weisen von Zion" als Gabe Gottes für Menschen, die die Wahrheit wissen wollten. Im März 2008 bezeichnete er sie als authentische Informationsquelle. Im November 2008 leugnete Richard Williamson den Holocaust erneut, indem er in einem Interview die Existenz von Gaskammern in nationalsozialistischen Vernichtungslagern und die millionenfache absichtliche Ermordung von Juden dort bestritt. Die Zeitschrift "Der Spiegel" veröffentlichte Auszüge des Interviews am 19. Januar 2009. Das schwedische Staatsfernsehen SVT strahlte das im Priesterseminar Herz Jesu in Zaitzkofen bei Regensburg geführte vollständige Interview am Abend des 21. Januar 2009 aus. Die Staatsanwaltschaft in Regensburg leitete daraufhin Ermittlungen wegen Verdachts auf Volksverhetzung gegen Williamson ein.

Die Pius-Brüderschaft lehnt die Gleichberechtigung von Männern und Frauen ab. In einer auf den Internetseiten der Priesterbruderschaft in Kanada veröffentlichten Predigt vom September 2001 sprach Richard Williamson Frauen Fähigkeiten und Rechte zum eigenständigen Denken, höherer Bildung und Selbstbestimmung ab: „Fast kein Mädchen sollte zu irgendeiner Universität gehen. [...] Aber wo finden weiterführende Mädchenschulen dann ihrerseits weibliche Lehrkräfte, wenn kein Mädchen mehr ein Studium absolviert? Man braucht keine Universität, um das meiste von dem zu lernen, was Mädchen unterrichtet zu werden brauchen, zum Beispiel Hauswirtschaft, Einrichtung und Unterhalt eines Heims, Pflege und Erziehung der Kinder, die geistige und soziale Vorbereitung auf die Ehe.“

Ich zumindest habe Probleme damit, diese Auffassungen als verfassungskonform zu betrachten.

Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Edathy, MdB