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Frage von Norbert K. •

Frage an Sebastian Edathy von Norbert K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Abgeordneter,
in Ihrem in der Welt-Online vom 19.8.08 veröffentlichten Gespräch treten Sie vehement für die doppelte Staatsbürgerschaft ein. Mit vielen Worten sagen Sie nichts Neues. Warum aber verschweigen Sie den eigentlichen Grund für dies Engagement, nämlich den verzweifelten Versuch, neues Wählerpotential zu generieren?
Sie wissen genau wie ich, daß in der deutschen Bevölkerung der überwiegende Wunsch besteht, das ius sanguinis wieder einzuführen, das auf dem ideologischen Altar der Gott sei Dank vergangenen rotgrünen Kurzepisode geopfert wurde. Warum stellen Sie kleinkariertes parteipolitisches Denken über den Willen des Volkes?

MfG

N.Knuthsen

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Antwort von
SPD

Rehburg, 20. August 2008

Sehr geehrter Knuthsen,
Ihre Frage vom heutigen Tag habe ich gelesen.

Dass Sie meine Position zum Thema "Hinnahme von Mehrstaatigkeit" bei der Einbürgerung hier geborener Kinder ausländischer Eltern, wie ich sie in einem heute erschienenen Interview mit der Tageszeitung "Die Welt" dargelegt habe, nicht teilen, ist Ihr gutes Recht.

Zu meinen, dass hier geborene Kinder ausländischer Eltern die deutsche Staatsbürgerschaft überhaupt nicht erhalten sollten, ist ebenfalls Ihr Recht.

Dass Sie für sich in Anspruch nehmen, "den Willen des Volkes" zu artikulieren, ist aber eine Anmaßung.

Inhaltlich stimme ich Ihnen in keiner Weise zu! Das "ius sanguinis wieder einzuführen", ist zudem eine unsinnige Forderung, weil das ius sanguinis selbstverständlich (neben dem ius soli) gilt!

Ich empfehle Ihnen in der Sache die Lektüre meines vor wenigen Jahren erschienenen Buches "Wo auch immer unsere Wiege gestanden hat - Parlamentarische Debatten. über die deutsche Staatsbürgerschaft 1870-1999". Sie werden diesem Buch entnehmen können, dass das ius soli (Erwerb einer Staatsangehörigkeit durch Geburt im Land) in Deutschland historisch älter ist als das ius sanguinis (Erwerb einer Staatsangehörigkeit durch Abstammung). Dies hat zum Hintergrund, dass die Einheitlichkeit zwischen Wohnbevölkerung und Staatsbürgern möglichst groß sein sollte. Dies ist zumal in einer Demokratie ein wichtiges Ziel, da es mit demokratischen Werten unvereinbar ist, wenn es auf Dauer Bürger erster (mit Staatsangehörigkeit des Landes) und zweiter (ohne Staatsangehörigkeit des Landes) Klasse gibt.

Das ius soli ist in Ergänzung zum ius sanguinis ein geeigneter Grundsatz für die Bestimmung der Staatsangehörigkeit sowohl in geschichtlichen Phasen minimaler als auch vergleichsweise hoher Mobilität. Es ist deswegen im 21. Jahrhundert richtigerweise neben dem Abstammungsprinzip ein gleichberechtigter Zugang zur Staatsangehörigkeit eines Landes. Mit der entsprechenden, im Jahr 2000 in Kraft getretenen Reform des Staatsangehörigkeitsrechtes hat Deutschland Anschluss an die Moderne gefunden.

Es geht mir nicht um einen "verzweifelten Versuch, neues Wählerpotential zu generieren" (was mehr über die Motivation für Ihre Position auszusagen scheint als über meine Absichten), sondern darum, dass es schlichtweg unverantwortlich wäre, wenn wir hier geborene Kinder grundsätzlich in eine Position minderen Rechts drängen und zu Ausländern erklären. Integration setzt Identifikation voraus. Ich möchte, dass hier geborene Kinder in dem Wissen aufwachsen, dass sie Teil dieser Gesellschaft sind - mit gleichen Rechten, aber auch mit gleichen Pflichten.

Mehrstaatigkeit steht dem in keiner Weise entgegen. Im internationalen Recht stellt dies heute kein Problem mehr dar. Niemand kann sich in Deutschland unter Hinweis auf eine weitere Staatsangehörigkeit "besser stellen". Insofern verstehe ich Ihre Kritik an meiner Auffassung nicht. Sachlich ist diese Kritik jedenfalls nicht begründbar, allenfalls ideologisch - und genau den Eindruck habe ich angesichts Ihrer Frage.

Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Edathy, MdB