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Frage von Daniel P. •

Frage an Sebastian Edathy von Daniel P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Hallo Herr Sebastian Edathy,

Ich nehme Bezug zu einer Ihrer letzten Äusserungen zum ´Bundestrojaner´:

Sie stellen der Befürchtung "es würden sämtliche, privaten Geheimnisse auspioniert" entgegen, dass der Bundestrojaner a) noch gar nicht rechtlich legitimiert wurde und b) falls dies doch geschehe, ein entsprechender Einsatz in Abhängigkeit zu den verfolgten Delikten stark eingegrenzt werden müsste.

Ich möchte auf die erschreckende Zunahme der Telefonabhöraktionen in den letzten 5 Jahren hinweisen, die wie ich meine dafür beispielhaft stehen könnte, wie sich der mögliche Einsatz des Bundestrojaners entwickeln könnte:

Es gab im Jahre 2002 in Deutschland mehr als 20 Millionen abgehörte Telefon-Gespräche in etwa 21.974 Abhörmassnahmen. Im Jahre 2006 waren es bereits 42.508 richterlich genehmigte Abhöraktionen.

Es wird damit gerechnet, dass im Jahr 2002 bereits bei 1,5 - 4 Millionen Bürger abgehört wurden, weils sie überwachte Anschlüsse angerufen haben oder von dort aus kontaktiert wurden.

Bis heute hat sich die Zahl der Abörmaßnahmen wie geschrieben fast verdoppelt!

[Quelle: http://www.heise.de/ct/06/11/060/ , der Autor bezieht sich auf Ergebnisse der Bundesnetzagentur, des Max-Planck-Institits, der Uni Bielefeld und des kriminologischen Instituts der Uni Münster]

In all den Jahren wurde ähnlich wie von Ihnen beschwichtigend argumentiert, man würde eingrenzende Regelungen finden, damit entsprechend ausweitende Befugnisse für den erweiterten Einsatz erlassen werden konnten.

Dennoch muss man feststellen: die Telefonüberwachung nimmt stetig zu.

Wie stellen Sie sich persönlich zu der fortschreitenden Überwachung unserer Kommunikationsnetze und neuerdings privater Computer vor diesem Hintergrund?

Mit Grüßen
... und in der Hoffnung Sie wehren sich in unserem Namen (<- Volk)

D. Pergol

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SPD

Rehburg, 14.07.2007

Sehr geehrter Herr Pergol,

ich bedanke mich für Ihre Zuschrift.

Ich lasse Ihre Zahlen bezüglich der Telefonüberwachungs-Maßnahmen derzeit von einem meiner Mitarbeiter (bis Montag im Urlaub) überprüfen und schreibe Ihnen dann in der Sache selbst.

Bis dahin bitte ich noch um ein wenig Geduld.

Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Edathy, MdB

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Rehburg, 24. Juli 2007

Sehr geehrter Herr Pergol,
ich komme zurück auf meine Zwischennachricht vom 14. Juli 2007.

Es ist in der Tat eine Zunahme an richterlich angeordneten Telekommunikations-Abhörmaßnahmen zu verzeichnen. So wurden im Jahr 2006 in Deutschland insgesamt 35.329 Anordnungen zur Überwachung der Telekommunikation sowie 7.432 Verlängerungsanordnungen erlassen. Von diesen Überwachungsmaßnahmen waren 35.816 Mobilfunknummern und 5.099 Festnetzanschlüsse betroffen.

Allerdings ist die statistische Steigerung unter anderem dadurch bedingt, dass sich in früheren Berechnungen Telekommunikationsüberwachungs-Maßnahmen noch fast ausschließlich auf den einzelnen Festnetzanschluss eines Beschuldigten bezogen haben. Die steigende Verbreitung von Mobiltelefonen und zusätzlichen ISDN- und DSL-Anschlüssen aber hat dazu geführt, dass in Fällen, in denen heute entsprechende Maßnahmen durchgeführt werden, zunächst regelmäßig die Überwachung mehrerer ISDN-Nummern, sowie aller noch nicht abgeschalteten Mobilfunkanschlüsse angeordnet wird und sich dann erst im Laufe der Maßnahme herausstellt, welche der Anschlüsse überhaupt (noch) aktiv sind.
Gezählt wird in der Statistik aber jeder Anschluss. Die Steigerung der Anzahl angeordneter Überwachungen spiegelt deshalb vielfach nur die erheblich gestiegene Anzahl der zwischenzeitlich vorhandenen Anschlüsse wider. Ein weiterer Punkt ist, dass die Beschuldigten häufig die SIM-Karten wechseln, um so Telekommunikations-Maßnahmen zu verhindern oder zumindest zu erschweren. Auch diese Kartenwechsel werden, wenn der neue Anschluss überwacht wird, in der Statistik erfasst, obwohl noch immer dieselbe Person Ziel der Maßnahme ist.

Positiv zu verzeichnen ist, dass trotz anhaltend starker Zuwächse der Mobiltelefonanschlüsse im Jahr 2006 die Zahl der in diesem überwachten Bereich überwachten Anschlüsse erstmals nach längerer Zeit nur geringfügig zunahm. Bis zum Jahr 2005 gab es in diesem Bereich deutlich höhere Zuwächse der Überwachungsmaßnahmen. Im Festnetzbereich konnte im Jahr 2006 sogar ein leichter Rückgang der Überwachungsmaßnahmen verzeichnet werden.

Betonen möchte ich an dieser Stelle zudem, dass das Parlament in einem Rechtsstaat immer nur die rechtlichen Voraussetzungen schafft. Die eigentliche Umsetzung, d.h. in diesem Fall die Durchführung der Maßnahmen, obliegt der Exekutive. Maßnahmen mit weitreichendem Charakter, wie beispielsweise die Telefonüberwachung, bedürfen zusätzlich der richterlichen Anordnung. Dies soll einer Ausuferung verdeckter Ermittlungsmaßnahmen vorbeugen. Insofern gilt es, sicherzustellen, dass die Prüfung der Notwendigkeit und der Verhältnismäßigkeit der verdeckten Ermittlungsmaßnahme gewissenhaft erfolgt.
Der Katalog an Straftaten, bei denen eine Telekommunikationsüberwachung in Frage kommt, ist begrenzt auf Fälle der Schwerkriminalität. Insofern ist davon auszugehen, dass der „Normalbürger“ nicht in Berührung mit Telekommunikations-Überwachungsmaßnahmen kommt.

Mit dem am 27. Juni 2007 von der Bundesregierung in den parlamentarischen Gesetzgebungsprozess eingebrachten „Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG“ (Bundestags-Drucksache 16/5846) soll ein strukturiertes Gesamtsystem der strafprozessualen heimlichen Ermittlungsmethoden geschaffen werden. Dazu gehört auch die Erfüllung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, insbesondere die Sicherstellung des Schutzes des Kernbereichs privater Lebensgestaltung.

Ob die von Ihnen thematisierte „Online-Durchsuchung“ überhaupt als Instrument zugelassen werden wird, vermag ich beim derzeitigen Stand der politischen Diskussion noch nicht zu beurteilen. Hinzu kommt, dass das Bundeskriminalamt eingeräumt hat, dass bislang noch kein technisch ausgereiftes Konzept zur „Online-Durchsuchung“ vorliegt und eine Klage gegen ein entsprechendes Gesetz des Landes Nordrhein-Westfalen, das die Online-Durchsuchung regelt, beim Bundesverfassungsgericht anhängig ist.

Ich plädiere dafür, das entsprechende Urteil abzuwarten. Das Thema Online-Durchsuchung ist nicht entscheidungsreif!

Zu Ihrer Kenntnis nachfolgend eine Pressemitteilung der SPD-Bundestagsfraktion vom 22. Juni 2007:
"Zu dem Versuch der Union, unter Hinweis auf die aktuelle Bedrohungslage, das Instrument der Online-Durchsuchung im Schnellverfahren durchzusetzen erklärt der stellvertretende Vorsitzende der SPD Bundestagsfraktion, Fritz Rudolf Körper: Wir haben in der ersten Stufe der Föderalismusreform dem Bundeskriminalamt die Kompetenz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus gegeben. Diese im Grundgesetz verankerte Kompetenz muss einfachgesetzlich umgesetzt werden, damit das Bundeskriminalamt seiner neuen Aufgabe auch faktisch nachkommen kann. Dazu brauchen wir dringend eine Neugestaltung des Bundeskriminalamtsgesetzes (BKAG), die dem Bundeskriminalamt unter anderem die Möglichkeit gibt, die Telekommunikation zu überwachen. Gerade die jüngsten Meldungen zu den Drohungen der Taliban Richtung Deutschland erfordern eine praktische, sicherheitsorientierte Innenpolitik.
Leider versucht die Union, die gegenwärtige - immer noch abstrakte und keineswegs dramatische - Gefahrenlage politisch zu instrumentalisieren. Sie verhindert die zügige Einbringung eines weitgehend bereits ausgearbeiteten Gesetzentwurfs zur Reform des Bundeskriminalamtsgesetzes, indem sie dieses Projekt unnötig mit der Forderung einer sofortigen Implantierung der so genannten "Online-Durchsuchung" befrachtet.
Die Notwendigkeit einer eigenen Rechtsgrundlage für die Online-Durchsuchung wurde erst kürzlich durch einen Beschluss des Bundesgerichtshofs deutlich. Die rechtlichen und technischen Voraussetzungen dieses Instruments sind überaus diffizil. Dies wird bereits daran deutlich, dass der Bundesinnenminister zunächst eine Regelung ohne Änderung des Grundgesetzes (Artikel 13 GG) ins Auge fasste, dann aber doch eine Änderung des Grundgesetzes vorschlug. Mittlerweile ist er davon erneut abgerückt. Absehbar sehr schwierig zu gestalten ist auch der verfassungsrechtlich notwendige Schutz des Kernbereichs der Lebensgestaltung.
Die SPD-Bundestagsfraktion fordert, dass der Entwurf eines BKAG zügig, aber ohne die Regelung zur Online-Durchsuchung auf den Weg gebracht wird. Wir brauchen dieses Gesetz. Ich fordere die Union auf, den Gesetzentwurf ohne diesen Schnellschuss zügig auf den Weg zu bringen. Die mit der Online Durchsuchung verbundene schwierige Problematik werden wir seriös, zeitnah, lösungsorientiert angehen."

Die SPD-Bundestagsfraktion achtet ganz besonders darauf, dass nicht die Verhältnismäßigkeit aus den Augen verloren wird. Darauf habe auch ich persönlich in allen Stellungnahmen zum Thema „Online-Durchsuchung hingewiesen. Es darf nicht sein, dass die Freiheitsrechte des Einzelnen unnötig im Namen der Sicherheit eingeschränkt werden; es bedarf stets der Wahrung einer vernünftigen, rechtsstaatlichen Balance.

Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Edathy, MdB