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Frage von Helmut S. •

Frage an Sebastian Edathy von Helmut S. bezüglich Soziale Sicherung

Warum läßt der Blick auf die Rente mit 67 Jahren, die Anzahl der Arbeitsjahre in der Rentenberechnung völlig in den Hintergrund geraten?

In Frankreich, einem unserer größen Partner im vereinten Europa, erhält die volle Rente wer 40 Jahre gearbeitet hat. Meine Frau und ich haben 45 Jahre gearbeitet, gehen mit 63 Jahren in Rente und werden durch die gesetzlich festgeschriebenen Kürzungen auf Sozialhilfe-Niveau berentet. Früher konnte man den Kindern noch sagen "Ihr müßt etwas für die Rente tun". Mit einem derartigen Spruch macht man sich heute nur lächerlich.

mit freundlichen Grüßen aus der Heimat Helmut Schaefer

Mit einer derartigen zentralen Überlegung könnte die SPD im kommenden Wahlkampf Punkte gewinnen. Nicht nur der Aschied von "67" sondern volle Rente mit 45 Arbeitsjahren. Vielleicht kann man auch einmal zu Fehlern stehen und nicht sich ständig wenden.(Sarrazin, Hartz IV) Die Menschen sind dafür sehr sensibel.

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Sehr geehrter Herr Schaefer,

für Ihre Fragen zum Thema "Rente mit 67" bzw. "voller Rentenbezug nach 45 Versicherungsjahren" danke ich Ihnen. Gerne nehme ich dazu ausführlich Stellung.

Es ist angesichts der Bevölkerungsentwicklung unstrittig, dass eine Anhebung des Renteneintrittsalters geeignet ist, den Beitragssatzanstieg in der gesetzlichen Rentenversicherung in den nächsten Jahrzehnten zu begrenzen.

In den Koalitionsverhandlungen im Herbst 2005 hat die SPD daher der Forderung von CDU/CSU, die Regelaltersgrenze anzuheben, zugestimmt. Mit dem „Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung“ (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz) ist 2007 eine schrittweise Anhebung des Rentenalters um zwei Jahre auf 67 Jahre - beginnend 2012 - gesetzlich geregelt worden. Die Regelaltersgrenze sollte schrittweise um einen Monat, ab 2024 um zwei Monate pro Jahr erhöht werden, so dass erst ab 2029 das gesetzliche Renteneintrittsalter bei 67 Jahren läge. Betroffen wären die Geburtsjahrgänge 1964 und jünger; bis einschließlich 1963 Geborene würden die Regelaltersgrenze entsprechend früher erreichen.

Allerdings war für die SPD immer klar, dass eine Anhebung der Altersgrenzen nicht isoliert erfolgen kann: Sie muss durch arbeitsmarktpolitische Regelungen begleitet werden, damit ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tatsächlich bis zum Erreichen des Renteneintrittsalters erwerbstätig sein können. Und: Die SPD hat durchgesetzt, dass die Bundesregierung durch eine sogenannte ‚Überprüfungsklausel‘ ab 2010 verpflichtet ist, alle vier Jahre über die Entwicklung der Beschäftigung älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu berichten. Sie muss einschätzen, ob die Anhebung der Regelaltersgrenze unter Berücksichtigung der Entwicklung der Arbeitsmarktlage sowie der wirtschaftlichen Situation älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vertretbar erscheint und die getroffenen gesetzlichen Regelungen bestehen bleiben sollen ( § 154 Abs. 4 Satz 1 SGB VI).

Diese Überprüfungspflicht haben wir zum Anlass genommen, die Beschäftigungssituation der rentennahen Jahrgänge der 60- bis 64-Jährigen zu überprüfen. Hier zeigt sich, dass der Anteil der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Alter von 60 bis 64 von 10,7 Prozent im Jahr 2000 auf 21,5 Prozent im Jahr 2009 gestiegen ist. Dieser Anstieg ist deutlich und zeigt, dass eine bessere Beschäftigungssituation Älterer möglich ist. Trotzdem ist der Wert noch unbefriedigend: Wenn rund 80 Prozent der Menschen über 60 Jahre nicht mehr sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, so bedeutet dies, dass die Zahl an Arbeitsplätzen für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht ausreichend ist. Eine Anhebung des Renteneintrittsalters würde dann wie eine Rentenkürzung wirken. Angesichts eines künftig ohnehin abgesenkten Rentenniveaus drohen damit zusätzlich empfindliche Einbußen in der Alterssicherung. Die SPD ist daher der Auffassung, dass in den nächsten Jahren die Voraussetzungen noch nicht stimmen, um mit der schrittweisen Anhebung des Renteneintrittsalters zu beginnen.

Das Präsidium und der Parteivorstand unserer Partei haben hierzu den Beschluss „Gut und sicher leben: Perspektiven schaffen für Arbeit und sichere Altersvorsorge“ gefasst, in dem die sozialdemokratischen Anforderungen an die Anhebung des Renteneintrittsalters formuliert werden:

- Ein Einstieg in die Rente mit 67 ist erst dann möglich, wenn mindestens 50 Prozent der 60- bis 64-Jährigen sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind.
- Bis dieses Kriterium erreicht ist, müssen die Anhebung ausgesetzt und die realen Arbeitsmarktbedingungen alle vier Jahre neu überprüft werden.

- Zudem müssen Möglichkeiten zu flexiblen Übergängen aus dem Erwerbsleben in die Rente gegeben sein.

Wir wollen den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen damit deutlich zeigen, dass wir unsere eigene Überprüfungsklausel ernst nehmen und mit konkreten Forderungen verbinden.

In der öffentlichen Diskussion wird häufig die Regelaltersgrenze in Frage gestellt und gefordert, stattdessen einen abschlagsfreien Rentenzugang an eine bestimmte Zahl an Versicherungsjahren - z. B. nach 45 Jahren - zu binden. Geltendes Recht ist übrigens, dass, wer 45 Jahre versichert war, auch in Zukunft mit dem Erreichen des 65. Lebensjahres abschlagsfrei in den Rentenbezug wechseln kann. Generell nach 45 Beitragsjahren, ohne Erreichen des 65. Lebensjahres, abschlagsfrei eine Rente zu beziehen, würde verfassungsrechtliche Probleme aufwerfen und zudem dem Solidarprinzip zuwiderlaufen.

Ich will gerne begründen, warum: Die Rentenversicherung orientiert sich aus guten Gründen nicht an den Versicherungsjahren und auch nicht an den geleisteten Geldbeträgen, wie es eine private Lebensversicherung macht, sondern an der Einkommensposition eines Versicherten in dem jeweiligen Jahr der Beitragszahlung. Würden nämlich die DM- bzw. Euro-Beträge berücksichtigt, so hätten die heutigen Rentnerinnen und Rentner aufgrund der damaligen geringeren Einkommen eine niedrigere Rente als diejenigen, die im gleichen Beruf und gleicher Einkommensposition in den nächsten Jahren und Jahrzehnten in Rente gehen. Und: Wer als Durchschnittsverdiener 45 Jahre lang Beiträge gezahlt hat, hat für die Rentenversicherung die gleiche Vorleistung erbracht, wie derjenige, der mit dem anderthalbfachen Einkommen 30 Jahre lang entsprechende Beiträge entrichtet hat, oder umgekehrt derjenige, der nur 90 Prozent des Durchschnitts verdient hat, aber dafür 50 Jahre erwerbstätig war. Wenn die Vorleistungen - also die Beiträge - gleich zu bewerten sind, dann müssen auch die Leistungen - also die Rentenzahlungen - gleich sein. Das ist das grundlegende Prinzip einer Versicherung. Würde man stattdessen auf die Zahl der Versicherungsjahre abstellen, wäre dies eine Ungleichbehandlung: Wer früher in Rente geht, bezieht diese zumeist auch länger und hat daher Vorteile gegenüber einem Versicherten, der erst in höherem Alter 45 Jahre vorzuweisen hat. Letzterer bezieht seine Rente eine kürzere Zeit und in der Folge in einer insgesamt niedrigeren Summe. Daher wäre eine Regelung, die nur die Versicherungsjahre als Kriterium für einen Renteneintritt anlegt, schon aus Gründen der Gleichbehandlung kaum denkbar. Wer früher als von der Regelaltersgrenze vorgesehen eine Rente in Anspruch nimmt, muss daher zum Ausgleich für die längere Bezugszeit Abschläge bei der Rente in Kauf nehmen.

Stattdessen brauchen die Beschäftigten Perspektiven für flexible Übergänge aus dem Arbeitsleben in den Ruhestand. Gerade Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in gesundheitlich belastenden Tätigkeiten arbeiten, müssen die Möglichkeit haben, vorzeitig in Rente gehen zu können, ohne dass sie zu hohe Abschläge nehmen müssen. Allerdings darf dies auch nicht zu Belastungen der Rentenversicherung führen: Die SPD setzt sich daher für eine Weiterentwicklung der Teilrente ein, die parallel zu einer Teilzeitbeschäftigung zukünftig bereits mit dem 60. Lebensjahr möglich sein sollte. Die hier anfallenden Abschläge sollen durch kollektivvertragliche Regelungen mit dem Arbeitgeber ausgeglichen werden; dies gilt ebenso für die zukünftig zu schaffende Möglichkeit, Zusatzbeiträge zu entrichten, um Abschläge beim vorzeitigen Rentenzugang zu finanzieren.

Ich hoffe, Ihnen die Position der SPD zum Renteneintrittsalter umfassend dargestellt zu haben.

Mit freundlichen Grüßen

Sebastian Edathy, MdB