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Sebastian Edathy
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Frage von Jens T. •

Frage an Sebastian Edathy von Jens T. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Hallo Herr Edathy

Wie stehen Sie zu den Aussagen ihres Parteikolegen Thilo Sarrazin?
Was mich an der ganzen Diskussion verwundert ist,das der Mann nicht nur in meinem Bekanntenkreis einen sehr sehr großen Rückhalt hat.Er spricht endlich mal klartext,die Menschen verstehen seine Sprache und teilen die Ängste.Wie weit muß ein Sigmar Gabriel von der Realität entfernt sein so einen Querdenker auszuschließen,das wird die SPD nicht in die 40% nähe bringen.
Ich kann die Leute verstehen wenn sie nach einer neuen Partei rechts der CDU verlangen,was wohl auch passieren wird.Ein Vorteil für die SPD wäre das wohl nicht.Warum hört man nicht mehr auf das Volk und läßt es mitendscheiden.Ein Volksendscheid wäre ein guter Schritt.

Mit freundlichen Grüßen
J.H.T.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Topp,

für Ihre Fragen zu den Äußerungen Thilo Sarrazins danke ich Ihnen.

Die Debatte um Integrationspolitik ist nicht neu, die SPD diskutiert darüber seit Jahrzehnten, hat gehandelt und arbeitet beständig an guten Entscheidungen für eine bessere Integration.

Herr Sarrazin ist nicht der Einzige und keinesfalls der Erste, der Fragen zur Integration aufwirft. Heinz Buschkowsky etwa, der SPD-Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, tut dies mit klaren Worten seit langem. Der Unterschied zwischen Sarrazin und Buschkowsky ist: Sarrazin ist ein kulturpessimistischer Zyniker, der in seinen Ausführungen zudem vor Biologismus und Rassismus nicht Halt macht - Buschkowsky ist ein Menschenfreund, der an die Veränderbarkeit der Dinge zum Positiven glaubt.

Klar ist: Ungenügende Deutschkenntnisse und erhebliche Bildungsdefizite führen dazu, dass ganze Gruppen isoliert am Rande der Gesellschaft stehen. Vor allem die Sprache ist der Schlüssel für eine gelingende Integration. Die SPD hat deshalb dafür gesorgt, dass Sprach- und Integrationskurse seit 2005 zur Pflicht für Einwanderer geworden sind. Die SPD scheut den Umgang mit dieser Herausforderung nicht.

Sarrazin aber polemisiert, pauschalisiert und diffamiert - damit erschwert er einen kritischen und offenen Dialog über die wahren Probleme. Zum Beispiel: Sarrazin spricht in seinem Buch hier lebenden Muslimen einen „wirtschaftlichen Mehrwert“ ab und schlägt gleichzeitig vor, Akademikerinnen 50.000 Euro für das erste Kind zu zahlen. Sarrazin teilt offen Mitglieder unserer Gesellschaft nach deren Nützlichkeit ein, was ganz klar der Grundüberzeugung in der SPD widerspricht. Demnach ist jeder Mensch gleich viel wert. Die Würde des Menschen ist unabhängig von seiner Leistung und seiner wirtschaftlichen Nützlichkeit - so steht es im SPD-Grundsatzprogramm. Nicht auszudenken, wohin eine solche Einteilung führen könnte!

Des weiteren spricht er einzelnen Gruppen der Gesellschaft (wobei schon dieses Definieren von Gruppen der Heterogenität der Gesellschaft nicht gerecht wird) Intelligenz ab, da diese sich vererbe.

Ich kritisiere Herrn Sarrazin nicht, weil er angesprochen hat, dass die Integrationspolitik verbesserungswürdig ist, das ist legitim und niemand macht ihm diese Aussage streitig. Was ich aber keineswegs stehen lassen kann, und hier setzt meine Kritik an, ist Menschen wegen ihrer Herkunft, Hautfarbe oder Religion auszugrenzen und als dumm und als „der Gesellschaft nicht nützlich“ abzustempeln. Das ist verwerflich!

Diskriminierung beginnt dann, wenn eine Personengruppe mit bestimmten kollektiven Merkmalen belegt, stigmatisiert und abgewertet wird. Hier unterscheide ich zwischen angebrachter Kritik, die auch Herr Sarrazin an der Integration in Deutschland übt, und massiven menschenfeindlichen Äußerungen, die Menschen muslimischen Glaubens schlichtweg diffamieren und Islamophobie schüren.

Hier geht es auch nicht um Meinungsfreiheit, die genießt Herr Sarrazin in vollem Umfang, auch innerhalb der SPD, so wie es sich für eine Volkspartei gehört. Meinungsvielfalt der Mitglieder ist in der SPD gewollt. Sarrazins pauschale Urteile über Muslime und die damit zusammenhängende „Gen-Debatte“ haben ihn jedoch disqualifiziert. Er zieht sich damit von der gemeinsamen Basis sozialdemokratischer Politik, die für Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität steht, zurück, und seine Parteizugehörigkeit ist deshalb von der SPD in Frage gestellt worden.

Das halte ich, nicht zuletzt aufgrund seiner jüngsten Veröffentlichungen, für angebracht.

Ihr Vorschlag, einen Volksentscheid anzustreben, ist mir nicht ganz klar. Hier handelt es sich um eine SPD-interne Angelegenheit, für die sich das weitere Verfahren aus der Satzung der SPD ergibt. Im Rahmen dieses Verfahrens wird Herr Sarrazin die Möglichkeit haben, aus seiner Sicht deutlich zu machen, was außer seinem Trotz und seiner Eitelkeit gegen einen SPD-Ausschluss spricht. Besser noch wäre, er ginge von selbst, ein Sozialdemokrat ist er nicht.

Mit freundlichen Grüßen

Sebastian Edathy, MdB